Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

§ 49. Die Festungen. 501 
von Württemberg können in Bayern und Württemberg Befestigungen vom Reiche 
angelegt werden. Art. 65 der Reichsverfassung gilt überhaupt nicht für Bayern. 
Doch hat Bayern sich verpflichtet (III, § 5, V des Bündnißvertrages), „die An- 
lage von neuen Befestigungen auf Bayerischem Gebiete im Interesse der gesammt- 
deutschen Vertheidigung im Wege jeweiliger spezieller Vereinbarung zuzugestehen“. 
Wenn hierbei hinzugefügt ist, daß sich Bayern an den Kosten für den Bau und 
die Ausrüstung solcher Befestigungsanlagen in dem seiner Bevölkerungszahl ent- 
sprechenden Verhältnisse gleichmäßig mit den anderen Staaten des Deutschen Reiches 
betheiligt, ebenso wie an den für sonstige Festungsanlagen seitens des Reichs zu 
bewilligenden Extraordinarien, so entspricht dies dem allgemeinen Rechtszustande. 
In Art. 7 der Militair-Konvention mit Württemberg vom 21./25. November 
1870 (B.-G.-Bl. 1870, S. 658) ist vereinbart, daß über neue Befestigungen sich 
der Kaiser eintretenden Falls mit dem Könige von Mürttemberg „vorher in 
Vernehmen setzen wird“. Allerdings bedeutet dies, daß der König von Württem- 
berg nicht bloß Ansichten und Wünsche, sondern auch seine Zustimmung aus- 
zusprechen hat 1. Andererseits ist die Zustimmung keine res merae facultatis. 
Nach dem Sinne der Verträge werden Bayern und Württemberg sich nicht weigern 
dürfen, der Anlage von Festungen auf ihrem Gebiete zuzustimmen, welche im 
Interesse der Vertheidigung des Deutschen Reiches nothwendig find. 
Haben der König von Bayern und der König von Württemberg einer neuen 
Festungsanlage in ihrem Staate zugestimmt, so bedarf es, um diese Anlage zu 
errichten, nicht erst der vorhergehenden Enteignung des dazu gehörigen Grund und 
Bodens. Allerdings ist volle Entschädigung zu leisten. Diese gewährt in Württem- 
berg das Reich; dieses ist eventuell zu verklagen; in Bayern de facto zwar auch 
das Reich, dem Dritten gewährt sie indeß der bayerische Staat; dieser ist auch 
eventuell vor Gericht zu belangen 8. 
Die Reichsverfassung giebt das Recht des militärischen Befehls dem Kaiser 
zwar über die Truppen (Art. 64), aber nicht ausdrücklich über die Festungen. 
In dem Rechte, den Truppen, allen Truppen, auch den Festungstruppen, Befehle 
zu ertheilen, liegt jedoch das Recht, militärische Befehle bezüglich der Festungen 
zu geben, mit eingeschlossen"“. Im Frieden erstreckt sich dieses Recht auf Bayern 
nicht. Das Recht des Kaisers findet seine besondere Anerkennung auch in der 
Vorschrift (Art. 64, Abs. 2), daß der Kaiser alle Festungscommandanten ernennt. 
Bezüglich der Ernennung der Commandanten der im Königreich Württemberg ge- 
legenen festen Plätze wird sich der Kaiser mit dem Könige von Württemberg vorher 
in's Vernehmen setzen . 
Selbstverständlich hat der Kaiser die Befugniß, die Reichsfestungen zu 
inspiciren. Art. 63, Abs. 8 der Reichsverfassung betrifft fremde Contingente, 
könnte also höchstens auf die bayerischen Festungen Anwendung finden. Für 
diese gilt aber Art. 63 nicht, sondern der Bündnißvertrag, und zwar III, § 5, III. 
Darin ist von Festungen nichts erwähnt. Andererseits sind diese ein Zubehör zum 
bayerischen Contingente, und da der Kaiser dessen Kriegstüchtigkeit inspiciren darf, 
muß er insoweit auch die bayerischen Festungen inspiciren dürfen, deren Beschaffen- 
heit für die Frage der Kriegstüchtigkeit des bayerischen Contingents in Betracht 
ommt. 
Von besonderem staatsrechtlichen Interesse ist die Festung Ulm, die theils 
württembergisch, theils (Neu-Ulm) bayerisch ist. Soweit die Festung bayerisch ist, 
also Neu-Ulm, würde sie im alleinigen Eigenthums= und Verfügungsrechte des 
Staates Bayern stehen. Nichts hindert aber Bayern, auf ihm zustehende Rechte 
zu verzichten. Die Anlegung der Befestigung auf bayerischem Boden hatte Bayern 
gemäß III, § 5, V des Bündnißvertrages zuzugestehen. Da Ulm eine einheitliche 
  
1 Vgl. Thudichum, in v. Holtzendorff's 2 Siehe auch §2, XIV des Schlußprotokolls. 
Jahrb., Bd. II, S. 99. Siehe auch Laband, II, S. 550. 
* Siehe § 1, XIV des Schlußprotokolls: 5 Art. 7 der Militärconvention mit Württem- 
auf gemeinsame Kosten etwa künftig angelegt berg. 
werdende Befestigungen“.
	        
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