Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

502 Achtes Buch. Reichskriegswesen. 
Festung bildet und bilden sollte, war es nur gerechtfertigt, daß Bayern auf das 
Recht, für seinen Festungstheil (Neu-Ulm) einen besonderen Gouverneur oder Com- 
mandanten zu ernennen, verzichtete. Wegen der Ernennung des Gouverneurs oder 
Commandanten auf dem württembergischen Festungstheile hätte sich der Kaiser zwar nach 
Art. 7 der Militärconvention mit Württemberg vorher in Vernehmen mit dem König 
von Württemberg setzen sollen; indeß hinderte rechtlich nichts den König von Württem- 
berg, generell den Kaiser zur Ernennung des Gouverneurs, des Commandanten und des 
dazu gehörigen Stabes zu ermächtigen. Demgemäß bestimmt die Vereinbarung zwischen 
Preußen, Bayern und Württemberg vom 16. Juni 1874 (Hauptprotokoll und 
Schlußprotokoll) 1, Art. I: „Die Festung Ulm beider Ufer ist vorbehaltlich der 
Souveränetätsrechte der hohen Territorialherren und der bestehenden Eigenthums- 
Verhältnisse einheitlicher Waffenplatz unter einheitlichem Kommando und einheitlicher 
Verwaltung durch Organe des Deutschen Reichs.“ Die vorbehaltenen Souveränetäts- 
rechte stehen irgend welchen militärischen Dispofitionen nicht entgegen und hindern 
auch nicht, daß, wenn Ulm durch seinen Gouverneur in Kriegszustand erklärt ist, 
auf diesen auch die Civilgewalt übergeht mit dem Rechte, die persönlichen Freiheiten 
zu suspendiren und Kriegsgerichte einzusetzen. Vorbehalten find die Eigenthums- 
rechte nur für Neu-Ulm. Der bayerische Festungsboden ist Eigenthum des bayerischen 
Staates. Im Allgemeinen gelten die bayerischen Landesgesetze für Neu-Ulm, die 
württembergischen für Ulm; das Gebiet von Neu-Ulm ist Bestandtheil des 
bayerischen, das von Ulm des württembergischen Staates. Art. II bestimmt, daß 
der Kaiser „zu diesem Zwecke“, d. h. um Ulm als einheitlichen Waffenplatz unter 
einheitlichem Commando und einheitlicher Verwaltung zu halten, den Gouverneur 
und den Commandanten der Festung nebst dem dazu gehörigen Stabe ernennt. 
Zur Ausübung des Sanitäts= und des Gerichtsdienstes, sowie der Seelsorge wird 
das erforderliche Personal durch die betreffenden Territorialstaaten bestellt; des- 
gleichen das erforderliche Feuerwerks-, Zeug= und Fortificationspersonal. Alle im 
Reichsdienste, d. h. auch alle im Dienste der Festung Ulm verwendeten Officiere u. s. w. 
und Beamten, selbst die von den Territorialstaaten bestellten, werden für den Kaiser 
verpflichtet. Sie tragen aber, auch der Gouverneur, Commandant u. s. w., die 
Uniform desjenigen Contingents des deutschen Reichsheeres, welchem sie entnommen 
fsind. Der Kaiser kann die von ihm zu ernennenden Officiere, aus welchem Con- 
tingente er will, wählen. Der Gouverneur steht direkt unter dem Kaiser; „wo es 
dem Dienstgebrauche entsprechend ist, vermittelt das Preußische Kriegsministerium 
die geschäftlichen Beziehungen“. Letzteres ist dahin zu verstehen, daß in solchen 
Militärverwaltungssachen, welche nicht der Commandogewalt zustehen, sondern, wie 
z. B. Anschaffung von Munition, Fourage, Herstellung von Bauten, Proceß- 
vertretung, der Mitwirkung des Kriegsministeriums in Preußen unterliegen 5, der 
Gouverneur nicht allein verfügen kann. Die preußischen Dienstvorschriften gelten 
für die Beziehungen des Gouverneurs und des Commandanten zu dem Personal 
des Festungsstabes, sowie für den Dienstbetrieb und die Verwaltung bei dem 
Artillerie-Depot und der Fortification. Der Artillerieofficier vom Platz nebst dem 
Depot steht in militärischer und administrativer Hinsicht unter dem betreffenden 
preußischen Fußartillerie = Brigadecommandeur (Mainz), der Ingenieurofficier vom 
Platz in gleicher Weise unter den bezüglichen preußischen Inspectionen (Mainz). 
IV.: Die Friedens-Besatzung wird von den Contingenten der beiden Territorial= 
staaten bestellt; sie bleibt nach den Territorien getrennt kasernirt, und soll auch der 
Wachtdienst in der Regel hiernach angeordnet werden. „Das Verhältniß des 
Gouverneurs, des Kommandanten, sowie des Artillerie-Depots und der Fortifikation 
zu den Besatzungstruppen regelt sich nach den desfalls giltigen Preußischen Vor- 
schriften“ (Art. IV, Abs. 2). 
Ueber die Gesammtbesatzung auf beiden Ufern steht dem Gouverneur das Recht 
der Disciplinarbestrafung nach Maßgabe der beiderseitigen Verordnungen vom 
  
1 Siehe diese in dem Werke: „Die Militär= 1888, J, S. 178 ff. 
gesetze des Deutschen Reichs“, 2. Ausgabe, Berlin 2 Siehe oben S. 464.
	        
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