Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

516 Achtes Buch. Reichskriegswesen. 
Ausgabebewilligungsrecht zu geben. Wie die Verhandlungen zum ersten 
Absatze des Art. 62¼ ergeben, hielt man 225 Thaler pro Kopf der Heeresstärke als 
ausreichend, um die Ausgaben zu decken. Ebenso wie in Preußen die Krone die 
Einnahmen für Heereszwecke ohne Genehmigung des Parlaments erheben konnte 
und nur zu den Ausgaben diese Genehmigung gebrauchte, so stellen die Absätze 2 
und 3 in Art. 62 nach ihrem unzweidentigen Wortlaute fest: Auch nach dem 
31. Dezember 1871 sollen gewisse, für ausreichend erachtete Einnahmen der 
Militärverwaltung gezahlt werden, indeß soll die Verausgabung derselben durch 
das Etatsgesetz, also nur unter Mitwirkung des Reichstages, festgestellt werden. 
Die Vorschrift in Absatz 2 ist so bestimmt und uneingeschränkt, daß sie auch 
gelten muß, wenn zwar die Friedenspräsenzstärke gesetzlich festgestellt ist, aber ein. 
Etatsgesetz nicht zu Stande kommt. Unter allen Umständen und unbedingt müssen 
die Bundesstaaten, das bestimmt Abs. 2, so vielmal 225 Thaler zur Reichskasse 
abführen, als die Kopfzahl der Friedenspräsenz beträgt. Ist diese durch Gesetz fest- 
gelegt, so erfolgt die Berechnung nach diesem Gesetze, wo nicht, nach der zuletzt 
gültig gewesenen Friedenspräsenzstärke. 
Wenn auch nicht unbedingt verpflichtet, so find die Bundesstaaten jeden- 
falls berechtigt, auch über den Betrag hinaus, welchen Art. 62 angiebt, dem 
Kaiser zur Verfügung zu stellen. Die Zahlung erfolgt durch Abrechnung, d. h. die 
Bundesstaaten können von dem Rechte, den durch die lex Franckenstein normirten 
Betrag sich auszahlen zu lassen, keinen Gebrauch machen, soweit dieser Betrag zur 
Deckung der Heereskosten nöthig ist?. Gesetzt, daß zwar die Friedenspräsenzstärke 
durch Gesetz festgestellt ist, ein Haushaltsgesetz aber nicht zu Stande kommt,so 
müssen die Bundesstaaten pro Kopf 225 Thaler dem Reiche belassen; sie können 
aber darüber hinaus den ganzen auf sie entfallenden Kostenbeitrag zum Heere dem 
Reiche belassen oder sonst zur Verfügung stellen. Hierfür find fie beim Fehlen 
eines Etatsgesetzes im Reiche zwar ihren Landtagen verantwortlich, diese Verant- 
wortlichkeit können sie aber leicht tragen, weil nach Abs. 4 in Art. 62 bei Fest- 
stellung des Militär= Ausgabeetats die auf Grundlage dieser Verfassung gesetzlich 
feststehende Organisation des Reichsheeres zu Grunde gelegt werden muß. 
Eine weitere Sicherung ist in Abs. 4 des Art. 62 enthalten. Es soll zwar die 
Verausgabung der in Abs. 1 und 2 daselbst bestimmten Summe durch Etatsgesetz 
festgestellt werden, jedoch sind weder Bundesrath noch Reichstag frei in der Be- 
willigung oder Versagung, weil sie verfassungsmäßig gebunden find, bei der Fest- 
stellung des Militär -Ausgabeetats die auf Grundlage dieser Verfassung gesetzlich 
feststehende Organisation des Reichsheeres zu Grunde zu legen, insbesondere alsom 
die Friedenspräsenzstärke, die Cadres und deren Formation zu berücksichtigen. Setzt 
sich der Reichstag über diese Schranke hinweg, so ist die Reichsregierung nicht bloß 
berechtigt, sondern auch verpflichtet, ihrerseits die Verfassung und die Gesetze zu 
beobachten. Dies gilt auch für die Landesbehörden, welche für Rechnung des Reichs 
die Militärverwaltung führen. Andererseits bedarf es vorher oder nachher der Ge- 
nehmigung des Reichstages zu allen Ausgaben, wenn den Vorschriften in Art. 62, 
Abs. 3 und in Art. 99 der Reichsverfassung genügt werden solls. 
Nun bestimmt Art. I, § 4 des Gesetzes vom 25. März 1899, daß in den 
einzelnen Rechnungsjahren die Erhöhung der Friedenspräsenzstärke nach Maßgabe 
der Vorschrift in Art. 1, § 4 dieses Gesetzes und die Vertheilung seiner Erhöhunz 
auf die einzelnen Waffengattungen, ebenso wie die Zahl der Stellen für Offiziere 
Aerzte, Beamte und Unteroffiziere der Feststellung durch den Reichshaushalts-Etat 
bedarf. Diese Bestimmung hebt die Vorschrift in Abs. 4 des Art. 62 nicht auf, da 
sie nur eine Uebergangsvorschrift ist und nur die Zeit vom 1. Oktober 1899 bis 
zum 31. März 1904 betrifft. 
Bezüglich der Zusammensetzung bestimmt das Reichs-Militärgesetz vom 2. Mai 
1874 (R.-G.-Bl. 1874, S. 45) in Verbindung mit dem Gesetz, betreffend die 
  
1 Sten. Ber. des verfassungsberath. Reichse. 2 Vyl. auch oben S. 411. 
tages, S. 568 ff. 2 Siehe oben S. 338 a. a. O.
	        
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