Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

48 Zweites Buch. Angehörige und Gebiet des Deutschen Reiches. 
Fremden gegeben. Es find Rechte der Franzosen, Preußen, Bayern u. s. w. (vgl. 
Arndt, Preußische Verfassungs-Urkunde, S. 48). Darüber, ob die Beschränkungen 
der Staatsgewalt oder, vielleicht richtiger, der vollziehenden Gewalt den Einzelnen 
subjective Befugnisse verleihen, hat man nichts bestimmt und nichts be- 
stimmen wollen. Es schien zunächst genügend, die objectiven Beschränkungen der 
Staatsgewalt in der Form individueller Freiheitsrechte zum Ausdruck zu bringen. 
Später ging man dazu über, die Individual- und Freiheitsrechte auch in der 
Weise zu schützen, daß man dem Einzelnen, der sich in diesen seinen Rechten ver- 
letzt fühlte, besondere Klagemittel in die Hand gab. So hat, wer in der Freiheit 
seiner Person oder seines Eigenthums sich durch die Polizei beschränkt glaubt, 
gegen deren Anordnungen in den meisten deutschen Staaten besondere Rechtsmittel: 
Beschwerde an bestimmte Instanzen und die Klage im Verwaltungsstreitverfahren. 
Aber dadurch ist noch nicht bewirkt, daß die Freiheit der Person und des Eigen- 
thums, das Vereins= und Versammlungsrecht subjective Rechte darstellen; denn 
Gegenstand der Beschwerde oder Klage ist nur, daß die Voraussetzungen, unter denen 
ein polizeilicher Eingriff gestattet ist, nicht vorliegen: nicht Inhalt und Umfang 
des eigenen Rechts, sondern das Fehlen eines gesetzlich begründeten Rechts der 
Polizei-(Staats-) Gewalt zum Eingriffe in dieses Recht. Die sog. Grundrechte sind 
daher auch im heutigen Staate keine subjectiven Rechte geworden. Dies gilt also 
auch von den sog. Grund= und manchen anderen Freiheitsrechten, welche sich aus 
der Staatsangehörigkeit ergeben. Eine andere Frage ist die, ob die Staats- 
angehörigkeit selbst mit allen ihren öffentlichen Rechten und Pflichten ein bloßer 
status oder ein subjectives Recht ist. Daß auch Pflichten, z. B. zum Militär- 
dienst, damit verbunden sind, schließt den Begriff des Rechtes nicht aus; denn auch 
mit vielen anderen Rechten, z. B. mit der Erbschaft oder dem Eigenthum, können 
Pflichten verbunden sein. Man hat die Staatsangehörigkeit mit der Geburt ver- 
glichen; beide seien nur ein status, kein Recht; indeß die Geburt als solche stellt 
zwar kein Recht dar, wohl aber läßt es sich als Recht auffassen, als der Sohn 
bestimmter Eltern geboren zu sein. Ebenso muß es als ein Recht angesehen 
werden, Angehöriger eines bestimmten Staates zu sein. Die Staatsangehörigkeit 
ist mit zahlreichen Befugnissen verbunden; sie enthält das Recht der Theilnahme 
an den Staats= und Gemeindewahlen und den Anspruch auf Armenunterstützung, 
den Schutz gegen Ausweisung aus dem Staatsgebiete und gegen die Auslieferung 
an das Ausland; das ist mehr als eine bloße Beschränkung der Staatsgewalt. 
Um eine solche Beschränkung handelt es sich, wenn das Recht aus Gewerbe-, 
Niederlassungs-, Preß= und Versammlungsfreiheit in Frage steht. In der Staats- 
angehörigkeit find aber nach Vorstehendem zugleich positive Befugnisse des Einzelnen 
mitenthalten. 
Sodann ist in Frage zu ziehen, ob es neben der Staatsangehörigkeit 
im Deutschen Reiche noch eine besondere Reichsangehörigkeit giebt, und wie 
sich beide zu einander verhalten. 
Die Vertreter der alten Bundesstaatstheorie nehmen ein doppeltes Indigenat 
an. Waitz, Politik, S. 200, sagt: „Die Angehörigen eines Bundesstaates bilden 
ein Volk, das eine doppelte staatliche Organisation empfangen hat; an der einen 
nehmen sie Theil, in welchem Einzelstaat sie auch wohnen; denn nicht durch diesen, 
sondern unabhängig von demselben find sie Bürger des Gesammtstaates.“ Schulz, 
Preuß. Staatsrecht, II, S. 358: „Hat in einem Bundesstaate jeder Bürger mit 
Nothwendigkeit ein doppeltes Indigenat.“ R. v. Mohl, Bundesstaatsrecht der 
Vereinigten Staaten, S. 380, Anm. 1: „Den Bewohnern des Bundesstaates steht 
ein zweifaches Bürgerrecht zu, das des speciellen Staates, welchen sie bewohnen, 
und dann das allgemeine Bürgerrecht des Bundes.“ Anders ist die Ansicht 
v. Seydel's, Comm., 2. Aufl., S. 49: „Es ist kein doppeltes Unterthanen- 
verhältniß, das hier vorliegt, sondern das einfache gegenüber dem eigenen Staate. 
Indem der Einzelne der Bundesgewalt gehorcht, gehorcht er ihr als der von seinem 
Staate bestellten Gewalt; er gehorcht seiner eigenen Staatsgewalt. Und nicht 
minder haben alle seine Rechte ihren alleinigen Ursprung in seiner Staatsangehörig- 
keit. Durch Eingehung eines Staatenbundes der beschriebenen Art bringt also der
	        
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