556 Achtes Buch. Neichskriegswesen.
ersteren inhaltlich gleiche Verordnungen find als bayerische, sächsische und württem-
bergische in Bayern, Sachsen und Württemberg eingeführt worden.
Als Capitulanten dürfen nur Leute angenommen werden, durch die ein
wesentlicher Nutzen für den Dienst zu erwarten ist 1. Unzulässig sind Capitulationen
mit Personen, die vor ihrem Eintritt, und mit Unterofficieren, die während ihrer
Dienstzeit wegen Vergehen bestraft sind, welche Mangel an ehrliebender Gefinnung
verrathen. Nur wenn besondere Umstände (jugendliche Unreife zur Zeit der Be-
gehung und dergl.) oder besondere dienstliche Rücksichten (langjährige, sonst vor-
wurfsfreie Dienstzeit) vorliegen, können mit Allerhöchster Ermächtigung auch solcher-
gestalt bestrafte Personen als Capitulanten angenommen werden 7. Capitulationen
mit Lazarethgehülfen bedürfen der Genehmigung des Corps--Generalarztes (Friedens-
Militär-Ordnung § 31). Leute, die vor dem 21. Lebensjahr capituliren, haben
die beglaubigte Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters beizubringen; bei Vier-
jährig-Freiwilligen genügt der Meldeschein 2. Kein Truppentheil darf mit Capi-
tulanten eines anderen Truppentheils (ohne dessen Zustimmung) behufs Gewinnung
derselben in Verbindung treten. Mit Leuten, die Truppen oder Anstalten des-
selben Standortes angehört haben oder zu solchen commandirt waren, darf seitens
anderer Truppentheile, die am selben Orte stehen, ohne Zustimmung der bisherigen
Truppen oder Anstalten eine Capitulation nicht früher abgeschlossen werden als ein
Jahr nach ihrer Entlassung oder ein Jahr nach Ablauf des Commandos. Mit
früheren Capitulanten der in Elsaß-Lothringen stehenden Truppen darf nur dann
vor Ablauf eines Jahres nach ihrer Entlassung capitulirt werden, wenn fie sich
zum Weiterdienen bei ihrem bisherigen Truppentheil gemeldet haben, von diesem
aber abgewiesen find". Dispositionsurlauber dürfen nur mit Einverständniß ihres
Truppentheils capituliren (Heerordnung § 36, 7).
Capitulationen werden in der Regel mindestens auf ein Jahr geschlossen.
Sie find schriftlich zu machen. Ihre Erneuerung oder Nichterneuerung unterliegt
im Allgemeinen der selbstständigen Entscheidung der Militärverwaltung; jedoch ist
mit Unterofficieren, die bei einer Gendarmerie u. s. w. oder Schutzmannschaft zur
Probedienstleistung commandirt sind, weiter zu capituliren, so daß sie während
dieser Zeit nicht entlassen werden 5. Der Militärarzt muß bescheinigen, daß der
Capitulant feld= und garnisondienstfähig ist; etwaige Fehler find anzugeben. Die
von einem Officiere aufzunehmende Capitulationsverhandlung wird dem be-
treffenden Commandeur zur Bestätigung vorgelegt und durch diese Bestätigung
rechtsverbindlich. Der Capitulant muß bis zu seiner Entlassung den activen
Militärdienst ebenso leisten wie dies bei Erfüllung der gesetzlichen Dienstpflicht der
Fall ist. Er steht deshalb unter dem Militärstrafgesetzbuch, der Militärstrafgerichts-
ordnung, der Disciplinarstrafordnung und überhaupt unter allen sonstigen Vorschriften,
welche für die ihrer gesetzlichen Dienstpflicht genügenden Personen bestehen. Un-
erlaubte Entfernung in der Absicht, sich der von ihm übernommenen Verpflichtung
zum Dienste zu entziehen, ist Fahnenflucht (Desertion) (§ 69 des Militär-Straf-
gesetzbuchs), deren Versuch schon strafbar ist (§ 70, Abs. 2 das.) und im Felde
unter Umständen mit dem Tode bestraft wird. Capitulanten können sich Ver-
setzungen nicht entziehen, auch nicht durch den Einwand, daß dies der Absicht der
Capitulation widerspricht (vgl. Verordnung vom 8. Juni 1876, § 10). Die
Capitulanten find theils Unterofficier-, theils Gemeincapitulanten. Ihre Ansprüche
und Rechte auf Löhnung, Verpflegung, Bekleidung, Ausrüstung, Ouartierleistung,
Versorgung u. s. w. bestimmen sich nicht nach der Capitulationsverhandlung, sondern
lediglich nach den für die betreffende Dienststellung geltenden gesetzlichen oder
1 Auch mit Burschen rationsberechtigter #v. Firas Taschenkalender für das Heer 1898,
Officiere (Cabinetsordre vom 28. Juni 1889 im S. 85.
Armeeverordnungsbl. 1889, S. 149). 6 # Verfügung des Kriegsministeriums
2 v. Marck, in v. Stengel's Wörterbuch, Er= vom 4. März 1895 (Armeeverordnungsbl. 1895,
gänzungsbond. S. 142. S. 65).
ehrordnung § 84 * Muster im Armeeverordnungsblatt 1897,
4 Cabinetsordre vom 25. August 1887 in S. 46.