Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

g 53. Militärstrafrecht und Militärstrafverfahren. 565 
seang, der Fahnenflüchtigen im Wege des Ungehorsams-(Contumacial-) Ver- 
ahrens #. 
Das Militär-Strafgesetzbuch bedroht die im Auslande begangenen Straf- 
thaten nicht minder als die im Inlande begangenen. „Strafbare Handlungen, 
welche von Militärpersonen im Auslande, während fie dort bei den Truppen oder 
sonst in dienstlicher Stellung sich befinden, begangen werden, sind ebenso zu be- 
strafen, als wenn diese Handlungen von ihnen im Bundesgebiete begangen wären“ 
(§ 7). „Militärische Verbrechen und Vergehen, welche gegen Militärpersonen ver- 
bündeter Staaten in gemeinschaftlichen Dienstverhältnissen begangen werden, sind, 
wenn Gegenseitigkeit verbürgt ist, ebenso zu bestrafen, als wenn diese Handlungen 
gegen Militärpersonen des Heeres oder der Marine begangen wären“ (§ 8). „Ein 
Ausländer oder Deutscher, welcher in einem von Deutschen Truppen besetzten aus- 
ländischen Gebiete gegen Deutsche Truppen oder Angehörige derselben oder gegen 
eine auf Anordnung des Kaisers eingesetzte Behörde eine nach den Gesetzen des 
Deutschen Reichs strafbare Handlung begeht, ist ebenso zu bestrafen, als wenn diese 
Handlung von ihm im Bundesgebiete begangen wäre“ (§ 161). 
Bezüglich des Strassystems des Militär-Strafgesetzbuchs ist hervorzuheben?, 
daß Haft, Geldstrafe und Verweis fehlen. Es bestehen: A. als Hauptstrafen 
die Todesstrafe und als Freiheitsstrafen Zuchthaus, Gefängniß, Festungshaft, 
Arreststrafen, und zwar Stubenarrest (nur für Officiere), gelinder Arrest, mittlerer 
Arrest und strenger Arrest; B. als Nebenstrafen gegen Personen des Soldaten- 
standes Entfernung aus dem Heere oder der Marine, Dienstentlassung (gegen Offi- 
ciere), Degradation (gegen Unterofficiere), Versetzung in die zweite Klasse des Soldaten- 
standes (gegen Militärbeamte), Amtsverlust, endlich Verlust der bürgerlichen 
Ehrenrechte (§§ 134 und 138). 
Die allgemeinen Bestimmungen, welche nach den Vorschriften des 
Deutschen Strafgesetzbuchs in Beziehung auf Verbrechen und Vergehen all- 
gemein gelten, finden auch auf militärische Verbrechen und Vergehen entsprechende 
Anwendung (8§ 2), indeß mit erheblichen, namentlich den folgenden Abweichungen: 
1) Die Todesstrafe ist durch Erschießen zu vollstrecken, wenn sie wegen eines mili- 
tärischen Verbrechens, im Felde auch, wenn sie wegen eines nicht militärischen 
Verbrechens erkannt worden ist (§ 14). 2) Wird durch die Ausführung eines Be- 
sehls in Dienstsachen ein Strafgesetz verletzt, so ist dafür der befehlende Vorgesetzte 
allein verantwortlich. Es trifft jedoch den gehorchenden Untergebenen die Strafe 
des Theilnehmens: 1. wenn er den ihm ertheilten Befehl überschritten hat, oder 
2. wenn ihm bekannt gewesen, daß der Befehl des Vorgesetzten eine Handlung 
betraf, welche ein bürgerliches oder militärisches Verbrechen oder Vergehen bezweckte 
(§ 47). 3) Die Strafbarkeit einer Handlung oder Unterlassung ist dadurch nicht 
ausgeschlossen, daß der Thäter nach seinem Gewissen oder den Vorschriften seiner 
Religion sein Verhalten für geboten erachtet hat (§ 48). Der sog. Verbrecherwahn 
ist sonach einflußlos 0v. 4) Die Verletzung einer Dienstpflicht aus Furcht vor per- 
sönlicher Gefahr ist ebenso zu bestrafen wie die Verletzung aus Vorsatz (§ 49, Abf. 1). 
f5) Bei strafbaren Handlungen gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung, 
sowie bei allen in Ausübung des Dienstes begangenen strafbaren Handlungen 
bildet die selbstverschuldete Trunkenheit des Thäters keinen Strafmilderungsgrund 
#49, Abs. 2). 6) Das jugendliche Alter ist ohne Einfluß bei Bestrafung mili- 
tärischer Verbrechen und Vergehen (§ 50). 7) Die Verfolgung eines militärischen 
Verbrechens oder Vergehens ist unabhängig von dem Antrage des Verletzten oder 
einer anderen zum Antrage berechtigten Person (§ 51). 8) Das Militär-Straf- 
gesetzbuch führt in § 55 allgemeine Strafschärfungsgründe auf, nämlich gegen Vor- 
gesetzte, die sich an den strafbaren Handlungen Untergebener betheiligen, bei Miß- 
brauch der Waffen oder der dienstlichen Befugnisse oder bei Begehung während der 
— 
  
  
1 Diese Vorschriften find durch § 2 des Ein- 
führungsgesetzes zur Militärstrafgerichtsordnung recht,201. Z„ 
aufgehoben. 1 2 Siehe auch v. Liszt, § 201 und § 39, 
Literatur: Hecker, Lehrbuch des deutschen! Anm. 6. 
Militärstrafrechts, 1887, S. 45, v. Liszt. Straf- 
 
	        
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