568 Achtes Buch. Reichskriegswesen.
Die Vollstreckung der Disciplinarstrafe muß thunlichst gleich nach deren
Festsetzung erfolgen. Beim Kasernen- oder Quartierarrest kann der Bestrafte zum
Dienst herangezogen werden. Wenn im Feld der Arrest in keinem geeigneten Raum
verbüßt werden kann, so ist die Vollstreckung auszusetzen oder dem Verurtheilten
während seiner dienstfreien Zeit der Aufenthalt auf einer Wache anzuweisen. Hier-
mit wird verbunden: 19) bei mittlerem Arrest die Heranziehung zu beschwerlichen
Dienstverrichtungen außer der Reihe; 2) bei strengem Arrest Anbinden binnen zwei
Stunden täglich. An den nicht im Dienst befindlichen Leuten des Beurlaubten-
standes sind Arreststrafen unter Aufnahme in die Verpflegung des Bezirkscommandos
in einem Militärarrest zu vollstrecken. Ist innerhalb 20 Kilometer ein Militär-
arrest nicht vorhanden, so werden Strafen unter 8 Tagen auf Ersuchen der Militär-
durch die Civilbehörde vollstreckt. Arreststrafen, die Uebungsmannschaften während
der Uebung oder vorher verwirkt haben, find in der Regel erst nach der Uebung zu
vollstrecken.
Die höheren Vorgesetzten können Disciplinarstrafen aufheben und abändern.
Die Befugniß zur Verhängung von Disciplinarstrafen tritt auch ein, wenn die
Militärperson einem anderen Contingent oder der Marine angehört. Vorsätzliche
Ueberschreitung der Strafbefugnisse ist nach § 118, vorsätzliche Unterlassung der
Meldung strafbarer Handlungen nach § 147 des Militär-Strafgesetzbuchs zu ahnden.
Bezüglich der Marine ist hervorzuheben, daß der Disciplinarstrafgewalt
unterworfen sind: 1) alle zur Besatzung eines in Dienst gestellten Schiffes oder zu
einem Ablösungstransport auf See gehörenden, sowie 2) alle anderen auf einem
solchen Schiffe befindlichen Personen, und zwar vom Augenblick der Indienststellung
bis zum Augenublick der Außerdienststellung. Der Disciplinarbestrafung unterliegen
auch die Uebertretungen der Schiffsordnung. Zu den zulässigen Disciplinarstrafen
gehört auch gegenüber Gemeinen das Stehen an Deck während der dienstfreien
Zeit bis zu sechs Stunden, jedoch nicht über zwei Stunden an einem Tag, und das
Entern über den Topp bis zu drei Mal in angemessenen Zwischenräumen.
Auf die Kaiserlichen Schutztruppen findet nach der Kaiserlichen Verordnung
vom 26. Juli 1896 die Disciplinarstrafordnung für das Heer vom 31. Oktober 1872
mit einigen Abweichungen Anwendung. Der Reichskanzler übt die Disciplinar-
strafgewalt eines commandirenden Generals aus.
III. Ehrengerichte.
Als ein besonderes Strafverfahren ist das ehrengerichtliche für Officiere
anzusehen. Es gilt für die Marine die Kaiserliche Verordnung über die Ehren-
gerichte der Kaiserlichen Marine vom 2. November 1875 (Marineverordnungsbl.
1875, Beilage zu Nr. 21) und für das preußische Contingent die Verordnung
über die Ehrengerichte der Officiere im preußischen Heere vom 2. Mai 1874. Gleiche
Verordnungen find für die übrigen Contingente erlassen 1. Der wesentliche Inhalt
dieser Verordnungen ist der folgende:
Dafür, daß in den Officiercorps des Friedens= und Beurlaubtenstandes ein
geläutertes Ehrgefühl sich lebendig erhalte, sind zunächst die Regimentscommandeure
und die Befehlshaber, denen gleiche Pflichten obliegen (z. B. die Bezirkscomman-
deure), verantwortlich. Die Ehrenräthe sollen die Organe der Commandeure
bilden. Die Ehrengerichte haben die doppelte Aufgabe, sowohl durch ihren
Spruch die Ehre des Einzelnen von unbegründeten Verdächtigungen, insoweit ihm
andere standesgemäße Wege hierzu nicht offenstehen, zu reinigen, als auch zur
Wahrung der Ehre des Standes gegen Mitglieder desfelben, deren Benehmen dem
richtigen Ehrgefühl und den Verhältnissen des Officiersstandes nicht entspricht, ein-
zuschreiten. Fälle, die im Disciplinarweg erledigt werden können, sollen nicht zum
ehrengerichtlichen Verfahren verwiesen werden. Neben den Rücksichten auf die
Wahrung der Standesehre soll der Sinn wechselseitigen Wohlwollens walten.
1 S. oben S. 461, Laband, II. S. 658.