Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

g 53. Militärstrafrecht und Militärstrafverfahren. 569 
Innere Angelegenheiten eines Officiercorps sollen nicht aus dessen Kreis hinaus- 
getragen werden. Auf ehrengerichtlichem Wege soll wegen Zweikampfes nur dann 
gegen Officiere eingeschritten werden, wenn ein Betheiligter bei dem Anlaß oder 
dem Austrag gegen die Standesehre gefehlt hat. Ein Officier, der im Stande ist, 
die Ehre eines Kameraden in frevelhafter Weise zu verletzen, soll so wenig im Heere 
geduldet werden wie ein Offieier, der seine Ehre nicht zu wahren weiß. Die 
Cabinetsordre vom 1. Januar 1897 bestimmt, daß Zweikämpfen der Officiere mehr 
vorgebeugt werden soll. Kommen zwischen Officieren Privatstreitigkeiten und Be- 
leidigungen vor, die nicht alsbald auf gütlichem Wege standesgemäß beglichen 
werden, so sind die Betheiligten verpflichtet, unter Unterlassung aller weiteren 
Schritte, ihrem Ehrenrath sofort Anzeige zu machen. Der Ehrenrath hat dann 
unter Leitung des Commandeurs den Sachverhalt aufzuklären und nach dem Er- 
gebnisse der Ermittelungen, sowie nach Anhörung der Betheiligten, schriftlich 
1) entweder einen Ausgleichsvorschlag aufzustellen oder 2) ein ehrengerichtliches 
Verfahren für nothwendig zu erklären oder aber 3) festzustellen, daß weder ein 
Grund zur Aufstellung eines Ausgleichsvorschlags noch auch zu einem ehrengericht- 
lichen Verfahren vorhanden sei. Der Beschluß des Ehrenraths bedarf der Bestätigung 
durch den Regiments-(bezw. den Bezirks-) Commandeur, wenn Letzterer gleichen Rang 
hat, sonst den Brigadecommandeur. Die Betheiligten können binnen drei Tagen 
Berufung einlegen. 
Den Ehrengerichten find unterworfen: 1) alle activen Officiere, 2) alle Officiere 
des Beurlaubtenstandes, 3) die Officiere à la suite der Armee, 4) die Gendarmerie- 
Officiere, 5) die zur Disposition gestellten und die mit Uniform verabschiedeten 
Offieciere, 6) die Officiere der Schutztruppen. Zur Beurtheilung der Ehrengerichte 
gehören: a. alle Handlungen und Unterlassungen von Officieren, die dem richtigen 
Ehrgefühl oder den Verhältnissen des Standes zuwider sind, b. Fälle, in denen 
Officiere zum Schutze ihrer eigenen Ehre auf einen ehrengerichtlichen Spruch an- 
tragen. Ist zugleich ein gerichtliches Verfahren eingeleitet, so darf erst nach Be- 
endigung desselben ehrengerichtlich eingeschritten werden. Wenn gerichtlich eine 
Verurtheilung erfolgt ist, so entscheidet der Befehlshaber, ob außerdem noch ein 
ehrengerichtlicher Spruch zu fällen sei. 
An der Bildung von Ehrengerichten theilzunehmen sind nur Osfficiere be- 
rechtigt, die 1) Mitglieder von Officiercorps find oder 2) auf Grund besonderer 
Vorschriften dazu gewählt werden. Die Ehrengerichte zerfallen in: 1) Ehrengerichte 
über Hauptleute, Rittmeister und Leutnants; sie werden durch das Officiercorps 
gebildet, und in 2) Ehrengerichte über Stabsofficiere, welche gewählt werden. 
Bei jedem Ehrengericht wird ein Ehrenrath gebildet, der unter Leitung des 
Commandeurs als dessen Organ die Geschäfte zu leiten hat. Der Ehrenrath eines Ehren- 
gerichts über Subalternofficiere besteht aus einem Hauptmann (Rittmeister), einem 
Oberleutnant und einem Leutnant, der für Stabsofficiere aus einem Oberst, einem 
Oberstleutnant und einem Major. Der Ehrenrath hat die Pflicht, von Handlungen 
und Unterlassungen, welche die Ehre eines Officiers gefährden oder verletzen können, 
dem Commandeur Meldung zu machen. Der Ehrenrath hat, wenn dies der Com- 
mandeur für erforderlich hält, den Thatbestand festzustellen und zu berichten. Jeder 
Officier hat das Recht, auf einen ehrengerichtlichen Spruch gegen sich selbst anzutragen, 
sowie die Pflicht, jedem Ehrenrath Rede zu stehen. 
Findet der Commandeur, daß ein ehrengerichtlicher Spruch nöthig sei, so hat 
er die Entscheidung des mit der Gerichtsbarkeit über den Officier betrauten un- 
mittelbaren Befehlshabers einzuholen. Dieser bestimmt zugleich, ob der Bezichtigte 
vom Dienst zu entheben oder ob es bei der vom Commandeur verhängten Dienst- 
enthebung bewenden soll. Eine Berufung gegen die Entscheidung des Befehlshabers 
ist nur zulässig, wenn durch diese der Antrag eines Officiers auf ein Verfahren 
gegen sich selbst abgelehnt wird, in welchem Falle die Allerhöchste Entscheidung auf 
dem Dienstwege einzuholen ist. Das Verfahren findet in der Regel beim zustän- 
digen Ehrengericht statt; doch kann der Befehlshaber die Sache an ein anderes Ehren- 
gericht seines Befehlsbereichs verweisen. Die Zuständigkeit des Ehrengerichts wird durch 
Versetzung oder Verabschiedung des Angeschuldigten nicht aufgehoben. Der Commandeur
	        
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