Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

574 Achtes Buch. Reichskriegswesen. 
Gerichtsbarkeit wird die erforderliche Zahl von richterlichen Militärjustizbeamten 
(Kriegsgerichtsräthe, Oberkriegsgerichtsräthe) zugeordnet (§ 13). Gerichtsherren der 
niederen Gerichtsbarkeit sind: 1) im Heere: der Regimentscommandeur, der Com- 
mandeur eines selbstständigen Bataillons, der Commandeur eines Landwehrbezirks, 
der Commandant von Berlin, der Commandant einer kleinen Festung 1; 2) in der 
Marine: der Commandeur einer Matrosen= oder Werft-Divifion, der Commandeur 
eines selbstständigen Bataillons oder einer selbstständigen Abtheilung (§ 19). Ge- 
richtsherren der höheren Gerichtsbarkeit sind: 1) im Heere: der commandirende 
General, der Divisionscommandeur, der Gouverneur von Berlin, der Gouverneur 
oder Commandant einer großen Festung 1, sowie der Gouverneur, Commandant 
oder sonstige Befehlshaber eines in Kriegs-(Belagerungs-) Zustand erklärten Ortes 
oder Districts; 2) in der Marine: der commandirende Admiral, der Chef einer 
heimischen Marinestation (8 20). 
Der höhere Gerichtsherr ist befugt, den ihm untergebenen Gerichtsherrn an- 
zuweisen, eine Untersuchung einzuleiten oder forzusetzen, sowie ein Rechtsmittel ein- 
zulegen oder zurückzunehmen. Im Uebrigen darf er in den Gang einer ein- 
geleiteten Untersuchung nicht eingreifen (§ 24); insbesondere kann er den niederen 
Gerichtsherrn nicht anweisen, eine Untersuchung einzustellen. Der Gerichtsherr hat 
die Gerichtsbarkeit über die zu seinem Befehlsbereiche gehörenden Personen (§ 25). 
Der Gouverneur und der Commandant von Berlin, sowie die Gouverneure und 
Commandanten haben die Gerichtsbarkeit über alle unter Militärgerichtsbarkeit 
stehenden Personen, welche 1) eine strafbare Handlung gegen die allgemeine? 
Sicherheit, Ruhe und Ordnung des Ortes, 2) eine Zuwiderhandlung gegen eine 
besondere, in Beziehung auf die Festungswerke und Vertheidigungsmittel bestehende 
Anordnung, 3) eine strafbare Handlung im Garnisondienste begehen (§ 26). Der 
Gouverneur, Commandant oder sonstige Befehlshaber eines in Kriegs-(Belagerungs-) 
Zustand erklärten Districts hat die Gerichtsbarkeit über alle zur Besatzung ge- 
hörenden Militärpersonen 3 (§ 27). Unter Militärstrafgerichtsbarkeit stehende Per- 
sonen, für welche ein Gerichtsherr nicht ausdrücklich bestimmt ist, find der 
Gerichtsbarkeit des Divisionscommandeurs unterstellt, in dessen Bezirke fie sich 
befinden (§ 30). Bei Concurrenz mehrerer strafbarer Handlungen kann der höhere 
Gerichtsherr auch Handlungen, die der niederen Gerichtsbarkeit unterliegen, an sich 
ziehen (§§8 33, 34). 
Der Gerichtsherr läßt den Thatbestand ermitteln und entscheidet, ob Anklage 
erhoben wird; er bestimmt, wie fie begründet und vertreten wird; er bezeichnet das 
Gericht, vor welchem er die Hauptverhandlung stattfinden lassen will (§8 151 ff.), 
sowie Ort und Zeit der Hauptverhandlung (§ 264). Auf seinen Befehl erfolgt, 
nachdem die Anklage erhoben ist, der Zusammentritt des erkennenden Gerichts. Er 
hat die zur Hauptverhandlung erforderlichen Ladungen und die Herbeischaffung 
der Beweismittel zu veranlassen (§ 265). Nur Organe des Gerichtsherrn für 
diese Thätigkeit — nicht mehr, nicht selbstständig — sind die ihm beigegebenen 
Gerichtsofficiere, die Kriegs= und Oberkriegsgerichtsräthe. 
Die Hauptverhandlung erfolgt in Abwesenheit des Gerichtsherrn vor 
dem vorschriftsmäßig besetzten Gericht in ununterbrochener Gegenwart der zur 
Urtheilsfindung berufenen Personen, sowie des oder der mit Vertretung der Anklage 
vom Gerichtsherrn Beauftragten (§§ 273 ff.). Gegen einen ausgebliebenen (wohl 
aber gegen den aus der Verhandlung fortgegangenen) Angeklagten findet eine Haupt- 
verhandlung nicht statt; das Verfahren gegen ihn beschränkt sich auf die Sicherung 
der Beweise für den Fall seiner künftigen Gestellung (§ 857)“; ein nicht genügend 
  
1 Was kleine oder große Festung ist, be- 2 D. i. nicht schon jeder Straßenunfug, jede 
stimmt die Militärverwaltung; z. Z. ist eine Wirthshausschlägerei, sondern nur eine den 
große die, deren Commandeur mindestens die allgemeinen örtlichen Rechtsfrieden 
ompetenz eines Brigadecommandeurs besitzt. störende oder gefährdende Handlung. 
Hat eine Festung mehrere Commandanten, so 2 Siehe auch oben S. 473. 
hat der erste (Gouverneur) die höhere, der zweite " Das Vermögen eines Abwesenden kann 
die niedere Gerichtsbarkeit (§ 22). unter Umständen beschlagnahmt werden.
	        
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