Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

§ 13. Erwerb der Staats- und Reichsangehöriskeit. 55 
Ist der Vater ohne Staatsangehörigkeit, so wird sein Kind durch die Legitimation 
gleichfalls staatsangehörigkeitslos (Cahn, S. 35). 
Die Adoption bewirkt keine Veränderung der Staatsangehörigkeit. 
Die Staatsangehörigkeit wird drittens erworben durch Verheirathung, 
und zwar begründet nach § 5 des Gesetzes vom 1. Juni 1870 die Verheirathung 
mit einem Deutschen für die Ehefrau die Staatsangehörigkeit des Mannes. Die 
Frage, ob die Verheirathung rechtlich gültig ist, beantwortet sich nach dem Gesetze 
des Ortes, an dem die Ehe abgeschlossen wird. Nur die gültige Ehe hat die 
Wirkung, daß die Staatsangehörigkeit des Mannes erworben wird. Die Nichtig- 
keit der Ehe hebt die durch die Ehe erworbene Staatsangehörigkeit wieder auf. 
Dagegen ist die Scheidung ohne Einfluß auf die durch die Ehe erworbene Staats- 
angehörigkeit. Die Staatsangehörigkeit wird auch nur für die Frau erworben, 
deren Kinder erwerben fsie nur, wenn fie gleichzeitig legitimirt werden, also wenn 
fie von der Frau ihrem nunmehrigen Manne geboren, nicht wenn sie von einem 
anderen Manne gezeugt find (Motive zu § 5 in den Anl. zu den Sten. Ber. des 
Nordd. Reichstages 1870, S. 157, Spalte 2). 
Ein Deutscher, welcher seine Staatsangehörigkeit verloren hat, ohne eine andere 
ausländische Staatsangehörigkeit erworben zu haben, also staatsangehörigkeitslos 
ist, bewirkt durch die Verheirathung, daß auch seine Ehefrau und die in der Ehe 
erzeugten oder durch die Heirath legitimirten Kinder zu staatsangehörigkeitslosen 
Personen werden. 
Die Reichs= und Staatsangehörigkeit wird viertens erworben durch Auf- 
nahme und Wiederaufnahme (§ 7 des Gesetzes vom 1. Juni 1870). Wie 
die Motive hierzu bemerken, widerspricht es im Allgemeinen dem Begriffe der 
staatlichen Selbstständigkeit, das freie Ermessen des Staates darüber einschränken 
zu wollen, wenn er die Aufnahme unter seine Angehörigen gewähren oder versagen 
will. Von diesem Grundsatze würde jedoch den Angehörigen der anderen Bundes- 
staaten gegenüber eine Ausnahme zu machen sein. Es könne dahingestellt bleiben, 
ob nicht schon der Artikel 3 der Reichsverfassung für die Reichsangehörigen ein 
unmittelbares Recht auf die Naturalisation in jedem anderen Bundesstaate be- 
gründet habe. Jedenfalls würde anerkannt werden müssen, daß es der ganzen 
Tendenz der Verfassung zuwider sein würde, die Angehörigen der anderen Bundes- 
staaten in Bezug auf die Erwerbung der Staatsangehörigkeit noch ferner auf dem 
Fuße der Ausländer zu behandeln. Auf dieser Erwägung beruhe es, wenn im 
I7 des Gesetzes vom 1. Juni 1870 vorgeschrieben sei, daß die Naturalisation dem 
Angehörigen eines anderen Bundesstaates bei Erfüllung der aufgestellten Bedingungen 
nicht versagt werden dürfe. 
Bei Berathung des § 7 wurde vom Abgeordneten v. Bockum-Dolffs be- 
antragt (Sten. Ber. 1870, Anl. IV, S. 251), daß der Bundesangehörige 
schon allein durch den bloßen Zuzug in einen anderen Bundesstaat An- 
gehöriger dieses Staates werde. Dr. Braun beantragte, den Erwerb an die 
Thatsache des Zuzuges in Verbindung mit einem diesbezüglichen Antrage und 
einer Aufnahmebescheinigung der Ortsbehörde zu knüpfen (Anlage IV., S. 255). 
Im Plenum des Reichstages wurde zunächst beschlossen, daß die Verleihung an 
Reichsangehörige durch Aufnahme und nur noch an Ausländer durch Naturali- 
sation erfolgen solle. In der dritten Lesung am 20. Mai 1870 wurde die 
jetzige Fassung des § 7 beschlossen, nach der die Verleihung der Staatsangehörig- 
keit an Angehörige eines anderen Bundesstaates durch Aufnahmeurkunde zu 
erfolgen habe (Sten. Ber. 1870, Bd. II, S. 1078). Diese Aufnahmeurkunde muß 
ertheilt werden, wenn der sie Nachsuchende nachweist 
1. die Angehörigkeit zu irgend einem anderen Bundesstaate oder die Landes- 
angehörigkeit in Elsaß-Lothringen (Gesetz, betr. die Vereinigung von 
Elsaß und Lothringen mit dem Deutschen Reiche vom 9. Juni 1871, 
R.-G.-Bl. S. 212), 
2. seine Verfügungsfähigkeit, bezw. wenn er nicht verfügungsfähig ist, den 
Consens des Vaters, Vormundes u. s. w., und 
3. daß er in dem Bundesstaate, in welchem er die Aufnahme nachsucht, sich 
niedergelassen habe (§ 7 des Gesetzes vom 1. Juni 1870).
	        
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