624 Achtes Buch. Reichskriegswesen.
Für die Zeiten des Krieges oder der Mobilmachung legt das Gesetz über die
Kriegsleistungen vom 18. Juni 1873 (R.-G.-Bl. 1873, S. 129) weitere Pflichten
auf. § 28: „Jede Eisenbahnverwaltung ist verpflichtet: 1) die für die Beförderung
von Mannschaften und Pferden erforderlichen Ausrüstungsgegenstände ihrer Eisen-
bahnwagen vorräthig zu halten; 2) die Beförderung der bewaffneten Macht und
der Kriegsbedürfnisse zu bewirken; 3) ihr Personal und ihr zur Herstellung und
zum Betriebe von Eisenbahnen dienliches Material herzugeben.“ § 31: „Die
Verwaltungen der Eisenbahnen auf dem Kriegsschauplatze selbst oder in der Nähe
desselben haben bezüglich der Einrichtung, Fortführung, Einstellung und Wieder-
aufnahme des Bahnbetriebes den Anordnungen der Militärbehörde Folge zu leisten.
— Im Falle des Zuwiderhandelns gegen diese Anordnungen ist die Militär-
bebörde berechtigt, dieselben auf Kosten der Eisenbahnverwaltungen zur Ausführung
zu bringen.“
An Stelle der verschiedenen Ausführungsverordnungen zu dem Friedens- und
dem Kriegsleistungsgesetze ist mit dem 1. April 1899 die Verordnung, betreffend die
Militär-Transport--Ordnung für Eisenbahnen, vom 18. Januar 1899 (R.-G.-Bl.
1899, S. 15) getreten. Diese gilt für das ganze Reich, mit Einschluß von
Bayern 1. Sie ist eine Bundesrathsverordnung, welche in der Form einer Kaiser-
lichen, „nach Zustimmung des Bundesraths“ erlassenen Verordnung publicirt ist ?.
Dem Reichskanzler ist darin die Ermächtigung ertheilt, die in der Militär-
Transport-Ordnung enthaltenen technischen Vorschriften nach Bedarf zu ergänzen
und- abzuändern, sofern dadurch keine grundsätzlichen Abweichungen herbeigeführt
werden. «
DieMilitätiTtaanort-Ordnunggilt(Abschnitt1,§1)füralleEisenbahnm
Deutschlands, „die mit Lokomotiven oder anderen mechanischen Motoren betrieben
werden“. Da die Reichsgesetzgebung sich einmal nicht erstreckt auf Privatbahnen,
d. h. dem öffentlichen Verkehr dienendes, und ferner nicht auf die sog. Lokal-
und Kleinbahnen", so kann für diese die Militär-Transport-Ordnung nicht gelten.
Jedoch find die Landesregierungen befugt, auch den Kleinbahnen Auflagen bezüglich
der Militärtransporte zu machen 5.
Die Militär-Transport-Ordnung findet Anwendung nicht blos auf die Aus-
führung der Beförderung, sondern schon auf die Vorbereitung der Beförderung.
Die Beförderung erstreckt sich auf die bewaffnete Macht (Heer und Marine) und
die Schutztruppen, im Kriegs-(Mobilmachungs-)alle auch auf den Landsturm, das
Heergefolge und bei Anforderung der Militärverwaltung auch auf die Streitkräfte
der mit Deutschland verbündeten Staaten. Zur Beförderung der Truppen gehört
auch die ihrer Bedürfnisse (auch des „Privatgutes“ für die Militärverwaltung).
Mit Rücksicht auf besondere Verhältnisse einzelner Eisenbahnen können auf Antrag
vom Reichs-Eisenbahnamte im Einvernehmen mit der Militärbehörde, in Bayern
vom Staatsministerium erleichternde Bestimmungen nach vorhergegangener Ver-
ständigung mit dem Reichs-Eisenbahnamte gewährt werden.
Zur Mitwirkung bei der Ausführung der Militär-Transport-Ordnung find
berufen im Frieden: 1) das preußische Kriegsministerium (auch für Sachsen und
Württemberg) und das bayerische Kriegsministerium; 2) der preußische Chef des
Generalstabes der Armee; 3) die Militär-Eisenbahnbehörden (Eisenbahnabtheilungen,
Linien-Kommissionen, Bahnhofs-Commandanten); 4) die absendenden und empfangen-
den Militärbehörden und Truppentheile, sowie die Transportführer; 5) die Inten-
danten und als Civilbehörden der Reichskanzler, das Reichs-Eisenbahnamt, die
Reichs= und bayerische Post= und Telegraphenverwaltung sowie die Eisenbahn-
verwaltungen.
Im Kriege wirkt auch für Bayern 1) das preußische Kriegsministerium mit;
desgleichen 2) der preußische Chef des Generalstabes der Armee; 8) der General-
1 S. oben S. 315, 457, 497, 609. Oben S. 8304 f..
2 Oben S. 206, Arndt, Verordnungzrecht, 5 Arndt, im Archiv für öffentl. Recht, Bd.
S. 228. XI. S. 358 sf.
2 Oben S. 304.