Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

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Beamten aber nicht, oder diese Rechte erst nach gewisser Zeit oder auf Grund be- 
sonderer Verleihung erlangen soll. Ja, ohne und gegen den Willen des Anstellenden 
kann man die Rechte eines Beamten erlangen; dies beweist u. A. der Fall Malitz. 
Das Reichsgericht nahm in diesem Fall an!, daß, wenn eine Commune (Berlin) 
einen Bureauhülfsarbeiter Jahre lang beschäftigt, dieser dadurch wie nach der Vor- 
schrift in § 56, Nr. 6 der Städte-Ordnung für die sechs östlichen Provinzen der 
Preußischen Monarchie vom 30. Mai 1853 (G.-S. 1853, S. 261) Beamter im 
Sinne der Unentlaßbarkeit geworden ist, auch wenn niemals beabsichtigt und stets 
dagegen Verwahrung eingelegt war, daß er durch die ihm gnadenweise gegebene Beschäf- 
tigung Beamter, d. h. unkündbar, unentlaßbar werden sollte . Die Gesetze, welche, 
wie das Gesetz, betreffend die Anstellung und Versorgung der Kommunalbeamten, vom 
30. Juli 1899 (Preuß. Ges.-S. 1899, S. 141), die Pflicht der Gemeinden zur An- 
stellung von Beamten aussprechen, wollen nicht den Gemeinden gegenüber den 
Angestellten, sondern den Angestellten gegenüber den Gemeinden besondere Rechte 
verleihen. Zulm Wesen der Beamtengesetze gehört es auch, daß sie die 
Macht des Anstellenden beschränken und die Beamten in der Regel gegen 
willkürliche Entlassung schützene und ihnen auch nach Verlust ihrer Erwerbs- 
fähigkeit eine angemessene Versorgung (die eigene und event. die ihrer Wittwe und 
Hinterbliebenen) sichern. 
Unzutreffend ist die Vorstellung, daß der Beamte seinerseits in einer besonderen 
Gewalt steht, etwa in einer Gewalt, wie fie eine Person des Soldatenstandes, nicht 
aber einen anderen Angestellten nicht trifft. Der angestellte Beamte kann, ohne 
daß unmittelbarer Zwang oder Minimalstrafe ihn treffen, ebenso wie der angestellte 
Privatmann jederzeit und beliebig die Anstellung aufgeben. Allerdings soll er erst 
die ihm obgelegene Arbeit vollenden; dies gilt auch für den angestellten Privatmann 
und folgt aus dem Anstellungsvertrage; erfüllt er aber diese Pflicht nicht, so kann 
er dafür ebensowenig bestraft werden wie der Privatmann. Er soll auch nur dann 
ausscheiden können, wenn er alle Ansprüche auf Gehalt, Pension u. s. w. aufgiebt; 
darin steht er sich aber nicht anders wie der Privatmann, der unter Vertragsbruch 
von seiner Beschäftigung ausscheidet. 
Es ist richtig, daß nach einzelnen Gesetzen das Disciplinarverfahren durch die 
thatsächliche Aufgabe des Amts nicht beendet wird; ein Reichsbeamter, der keine An- 
sprüche mehr macht, braucht sich dem Disciplinarverfahren" nicht zu stellen. Und wenn 
in Preußen die Tausende nunmehr als staatliche Beamte angestellten Steiger, Gruben- 
aufseher, Eisenbahnschaffner, Rottenarbeiter streiken, so glaube ich kaum, daß man 
Tausende Disciplinarurtheile erlassen wird, nehme vielmehr an, daß man den Erlaß 
sich für die Fälle vorbehält, wo der Vertragsbrüchige seinerseits Rechte aus dem Be- 
amtenverhältnisse herleitet. Daß der Beamte regelmäßig auf Erfüllung seiner Dienst- 
pflicht vereidet wird, soll hauptsächlich den Anstellenden nach Möglichkeit dagegen 
schützen, daß er durch Verleihung der Beamtenqualität ganz die Gewalt aus den 
Händen gegeben hat. Der nicht vereidigte Privatbeamte steht vielmehr in der 
Gewalt des Anstellers, da stets das Schwert der Kündigung über ihm schwebt. 
Aus dem Vorentwickelten soll nicht mehr, aber auch nicht weniger folgen, als daß 
jede Generalisirung auf dem Gebiete des Beamtenrechts von Uebel ist, und daß es 
sich nur darum handeln kann, die concreten Rechtsverhältnisse bestimmter 
Beamtenklassen zu entwickeln. 
Dies gilt finngemäß auch vom Begriffe des Amtes. Labands sagt: „Ein 
Staatsamt ist ein durch das öffentliche Recht begrenzter Kreis von staatlichen Ge- 
schäften.“ Es moöchte nicht leicht sein, die Normen des öffentlichen Rechts auf- 
  
1 Entsch. in Civils., Bd. XXXVII, S. 241, 
s. auch ebendort Bd. XXX, S. 181. 
* In den Gründen der Reichsgerichtsent- 
scheidung vom 10. Februar 1896 ist ausgeführt, 
daß der Wille, ein Beamtenverhältniß zu be- 
Fründer, ausdrücklich erklärt werden könne; es 
nne aber sein Bestehen auch, unabhängig von 
ausdrücklichen Erklärungen, aus der Lage des 
Falls im Allgemeinen, dem Gesammtverhalten 
der Betheiligten, der Art der übertragenen 
  
Dienstverrichtungen und dem thatsächlichen Fort- 
bestande des Verhältnisses gefolgert werden. 
2 Dies ist auch rechtsgeschichtlich von Wesent- 
lichkeit; denn bis zur Ausbildung eines beson- 
deren Rechts der Staatsdiener konnten diese wie 
alle anderen Angestellten ohne Weiteres beiwe 
nach Innehaltung einer Kündigungsfrist beliebig 
vom Ansteller entlassen werden. 
4 Reichsbeamtengesetz §§ 75, 94, Abs. 2, 5 100. 
m Staatsrecht, I, § 39.
	        
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