Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

640 Neuntes Buch. Die Reichsbeamten und die Reichsbehörden. 
wendung (§ 157) 1. Das Reichsrecht unterscheidet zwischen richterlichen und nicht- 
richterlichen Beamten 2 Die Bestimmungen des Reichsbeamtengesetzes über die 
Versetzung in ein anderes Amt, über die einstweilige und über die zwangsweise 
Versetzung in den Ruhestand, über Disciplinarbestrafung und über vorläufige 
Dienstenthebung finden auf die Mitglieder des Reichsgerichts, auf die Mitglieder 
des Bundesamts für das Heimathwesen, auf die Mitglieder des Rechnungshofes 
des Deutschen Reiches und auf richterliche Militär-Justizbeamte keine Anwendung. 
Außerdem haben für die Mitglieder des Reichsgerichts die Vorschriften dieses Ge- 
setzes über die Pensionirung und über den Verlust der Pension keine Geltung 
(&§8 158). Ueberall sind hier nur die Mitglieder, nicht z. B. das Subaltern- 
und Unterbeamtenpersonal gemeint. Für richterliche Beamte gilt der in § 8 des 
Gerichtsverfassungsgesetzes ausgesprochene Grundsatz der Unver= und Unabksetzbarkeit, 
Nicht ausgenommen vom Reichsbeamtengesetze sind die richterlichen Mitglieder des 
Reichs-Versicherungsamtes; dagegen finden die vorangegebenen Vorschriften auch auf 
die richterlichen Beamten in Elsaß-Lothringen keine Anwendung (Art. IV des Ge- 
setzes vom 23. Dezember 1873, § 1, Ges.-Bl. f. Elsaß-Lothringen 1873, S. 479). 
Für die Dienstvergehen der richterlichen Militär-Justizbeamten und die unfreiwillige 
Versetzung derselben in eine andere Stelle oder in den Ruhestand gilt nur das 
Gesetz, betreffend die Dienstvergehen der richterlichen Militärjustizbeamten und die 
unfreiwillige Versetzung derselben in eine andere Stelle oder in den Ruhestand, vom 
1. Dezember 1898 (R.-G.-Bl. 1898, S. 1297). Von diesen Ausnahmen abgesehen, 
findet das Reichsbeamtengesetz Anwendung auf alle Beamte, welche entweder vom 
Kaiser, persönlich oder kraft Ermächtigung, angestellt oder nach Vorschrift der Reichs- 
verfassung den Anordnungen des Kaisers Folge zu leisten verpflichtet find (§ 1). 
Rechtscharakter des Beamtenverhältnisses, Lebenslänglichkeit, 
Vereidigung. 
Der Inhalt des Gesetzes ist öffentlich-rechtlich; das Beamtendienstverhältniß ist 
ein Institut des öffentlichen Rechts. Da das Wesentliche des Beamten- 
verhältnisses auch in den Befugnissen liegt, welche der Staat in der Regel den Beamten 
gewährt (Unkündbarkeit, Gehalt, Pension, Wittwen= und Waisenversorgung, Um- 
zugs-, Reisekosten, Beschränkung in der Pfändung und Abtretung von Gehalt- 
ansprüchen), so können zum Nachtheile des Beamten Aenderungen von den Vor- 
schriften nicht gültig vereinbart werden; ebensowenig ist es rechtlich statthaft, daß 
der Staat vertragsmäßig auf ihm zustehende Rechte verzichtet, z. B. das Recht der 
Zurdispositionsstellung der politischen Beamten (§ 25), der Pensionirung unfähig 
gewordener, der Disciplinirung pflichtwidriger Beamten. Daher sind Abreden über 
das Beamtenverhältniß der Regel nach nichtig; nur ausnahmsweise sind sie statt- 
haft, z. B. darüber, wann der Gehaltsanspruch beginnt, ob die erste Reise zum 
Dienstorte vom Staate zu tragen ist, bei einzelnen Beamtenkategorien (Pro- 
fessoren u. A.) auch über die Höhe des Gehalts, Collegienhonorare. Die Rechte, 
welche das Reich den Beamten im Reichsbeamtengesetze giebt, find nicht in deren 
persönlichem, sondern im öffentlich-rechtlichen, im allgemeinen Interesse ertheilt. Das 
Staatsinteresse erheischt, daß der Beamte nicht der Willkür seiner Vorgesetzten 
preisgegeben ist, daß er daher nicht nach deren Laune und Gefallen, sondern nur 
von besonders zusammengesetzten Gerichten nach einem besonders vorgeschriebenen 
Verfahren abgeurtheilt werden kann, daß er einen unentziehbaren und vor den 
ordentlichen Gerichten einklagbaren Anspruch auf Gehalt u. s. w. hat, daß der Regel 
nach die Anstellungen auf Lebenszeit erfolgen (§ 2). Diese Rechte des Beamten 
wurzeln ebenso sehr, vielleicht noch mehr als seine Pflichten im öffentlichen Rechte; sie 
sind zwar meist vermögensrechtlicher, niemals aber privater Natur 38. Die moderne 
Entwickelung geht immer mehr dahin, möglichst weite Kreise der dem Staate 
dienenden Personen in die Rechte von Staatsbeamten einzusetzen und dem Staate 
  
1 S. oben S. 552. auch Erk. des Reichsger. vom 15. Febr. 1881 
2 Mctive S. 78. Entsch. in Civils., Bd. III, S. 410. 
2 Anderer Ansicht Rehm, l. c. § 35. Siehe
	        
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