Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

644 Neuntes Buch. Die Reichsbeamten und die Reichsbehörden. 
des Strafgesetzbuchs geschützt 1. Demzufolge haben nach § 12, Abs. 2 des Reichs- 
beamtengesetzes die Reichsbeamten, auch wenn fie nicht mehr im Dienste find, ihr 
Zeugniß in Betreff derjenigen Thatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Amts- 
verschwiegenheit sich bezieht, insoweit zu verweigern, als fie nicht dieser Verpflichtung 
in dem einzelnen Falle durch die ihnen vorgesetzte oder vorgesetzt gewesene Dienst- 
behörde entbunden find. Die Genehmigung, welche durch das StrafProceß-gericht 
einzuholen ist, darf jedoch nur versagt werden, wenn und soweit? nach der Angabe 
der vorgesetzten Behörde die Ablegung des Zeugnisses dem Wohle des Reiches oder 
eines Bundesstaates Nachtheile bereiten würde (§ 53 der Straf-, § 376 der Civil- 
prozeßordnung). 
Auch zur Abgabe gerichtlicher Gutachten bedarf der Beamte der Genehmigung 
der vorgesetzten Behörde, welche indeß schon versagt werden kann, wenn die vor- 
gesetzte Behörde erklärt, „daß die Vernehmung den dienstlichen Interessen Nach- 
theile bereiten würde“" (Strafprozeßordnung § 76, Abs. 2, Civilprozeßordnung 
§ 408). Solche Nachtheile können schon im Zeitmangel des Beamten und in mög- 
lichen Collisionen zwischen der Beamten= und Gutachterthätigkeit gefunden werden. 
Gegen die versagenden Verfügungen der vorgesetzten Behörde steht sowohl dem Be- 
amten wie den Proceßparteien wie dem Gerichte selbst die Beschwerde an die höhere 
Verwaltungsinstanz zu. 
Auch zu außergerichtlichen Gutachten hat der Beamte die Genehmigung 
seiner vorgesetzten Behörde einzuholen, gleichviel, ob das Gutachten entgeltlich oder 
unentgeltlich abgegeben wirdSs. Bloße gelegentliche sachverständige Meinungs- 
äußerungen fallen nicht hierunter“. Man wollte im Wesentlichen verhüten, daß 
solche Gutachten zur Anpreisung industrieller Unternehmungen benutzt werden. Die 
Pflicht bezieht sich auch auf Wartegeldempfänger 5. 
Kein Beamter darf außer in den besonders zugelassenen Fällen sich ohne den 
vorschriftsmäßigen Urlaub von seinem Amte oder Amtssitze entfernen (§ 14). 
Das Verfahren wegen Urlaubsertheilung ist in der Kaiserlichen Verordnung vom 
2. November 1874 (R.-G.-Bl. 1874, S. 129) geregelt: Anträge auf Bewilligung 
von Urlaub sind unter Angabe der Veranlassung und des Zweckes der unmittelbar 
vorgesetzten Behörde oder dem unmittelbar vorgesetzten Beamten einzureichen. Der 
Reichskanzler bestimmt die Stellen, welche zur Ertheilung von Urlaub berechtigt 
find, sowie die Zeiträume, für welche von denselben Urlaub ertheilt werden darf. 
Wird ein Urlaub zur Wiederherstellung der Gesundheit nachgesucht, so ist (regel- 
mäßig) dem Antrage eine ärztliche Bescheinigung beizufügen. Der beurlaubte Be- 
amte hat dafür zu sorgen, daß ihm während der Abwesenheit von seinem Wohnort 
Verfügungen der vorgesetzten Behörden zugestellt werden können. Für die Ver- 
tretung eines beurlaubten Beamten ist zunächst von der Stelle Sorge zu tragen, 
welche den Urlaub ertheilt. Dieselbe setzt zugleich fest, inwieweit die dem Be- 
urlaubten zur Bestreitung von Dienstaufwandskosten bewilligten Bezüge dem Ver- 
treter zu überweisen sind. Zur Deckung von Stellvertretungskosten findet, sofern 
sie nicht nach § 14 des Reichsbeamtengesetzes" der Reichskasse zur Last fallen, bei 
einem Urlaub von mehr als anderthalb bis zu sechs Monaten für den anderthalb 
Monate übersteigenden Zeitraum ein Abzug von dem Diensteinkommen des Be- 
urlaubten im Betrage der Hälfte desselben statt; bei fernerem Urlaub wird 
das ganze Diensteinkommen einbehalten. Eine Abweichung hiervon bedarf der 
Genehmigung der obersten Reichsbehörde. Bei Berechnung der Abzüge für Theile 
von Monaten werden die letzteren stets zu dreißig Tagen angenommen. Die 
Urlaubsbewilligung kann jederzeit zurückgenommen werden, wenn das dienstliche 
Interesse es erheischt. Für Militär= und Marinebeamte erlischt jede Urlaubs- 
bewilligung, wenn die Kriegsbereitschaft oder die Mobilmachung der bewaffneten 
  
1 S. auch oben S. 290. Es kommen auch s Sten. Ber. S. 893 f. 
die Vors risten in § 92, Ziff. 1 des Strafgesetz- 4 Sten. Ber. S. 893. 
buchs und das Gesetz gegen den Verrath mili- 5 Ebenso Perels und Spilling in Anm. 
tärischer Geheimnisse vom 3. Juli 1893 (R.-G.-Bl.VI zr § 24 des Gesetzes; anderer Ansicht 
18983, S. 205) in Betracht. Pieper, S. 54, urnan; 12, Anm. 1, u. A. 
* Vgl. Erk. gochchne dan vom 18 Scht.1852 * dech- Sten. Ber. S. 785f. 
Entsch. in Straff., Bd * S. weiter unten.
	        
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