Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

g 59. Die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten. 645 
Macht oder einer Abtheilung derselben angeordnet wird, mit der Bekanntmachung 
dieser Anordnung. Die Vorschriften über die Serviscompetenz der Truppen im 
Frieden, die Dienstinstruction für die Konsuln, die Bestimmungen über den Ge- 
schäftsgang bei dem Bundesamt für das Heimathwesen und die für das Marine- 
zahlmeister-Personal bezüglich des Urlaubs werden hierdurch nicht berührt. 
In Krankheitsfällen hat bis zur Genesung oder bis zur Versetzung in den 
Ruhestand der Beamte Anspruch auf das Gehalt (§ 14 des Gesetzes). Krankheit 
mit völliger Arbeitsunfähigkeit verpflichtet nur zur Anzeige, befreit aber ohne 
Weiteres vom Anmte, berechtigt also zur Abwesenheit. Bei Urlaub behufs Wieder- 
herstellung geschwächter Gesundheit muß Urlaub nachgesucht werden; doch hat auch 
in diesem Falle der Abzug vom Gehalt zu unterbleiben. Auch in anderen Fällen, 
in denen Beamte eines Urlaubs nicht bedürfen, darf ein Abzug vom Gehalt nicht 
stattfinden. Solche Fälle betreffen die Thätigkeit als Geschworener oder Schöffe 
oder als Zeuge vor Gericht, militärische Uebungen oder den Eintritt in den Reichstag 
(Art. 21 der Reichsverfassung), nicht den Eintritt in einen Landtag oder Kreistag, 
Stadtverordnetenversammlung oder dergl. Der Urlaub und das Recht auf den 
Urlaub dauern auch während der Vertagung des Reichstages fort!. Doch ist der 
Beamte in allen Fällen, in denen er auf das Fernbleiben vom Amte ein Recht hat, 
zur rechtzeitigen Anzeige verpflichtet 2. 
Ein Beamter, welcher sich ohne den vorschriftsmäßigen Urlaub von seinem 
Amte entfernt hält 8 oder den erbetenen Urlaub überschreitet, ist (§ 14, Abs. 3), 
wenn ihm nicht besondere Entschuldigungsgründe zur Seite stehen, für die Zeit der 
unerlaubten Entfernung seines Diensteinkommens verlustig. Das Verbüßen einer 
Freiheitsstrafe ist nach den Erkenntnissen des Reichsgerichts vom 12. Oktober 1896 
und 29. Oktober 1897 (Entsch. in Civils., Bd. XXXVIII, S. 317 und Bd. XL, S. 245) 
kein unerlaubtes Fernbleiben vom Amte, folglich kann für die Dauer derselben ein 
Gehaltsabzug nach Reichsbeamtenrecht nicht stattfinden, wenn das Gehalt als Alimention 
des Beamten und seiner Familie und nicht als gesetzliche Gegenleistung anzusehen sein 
würde "#. Besondere Entschuldigungsgründe hat der Beamte zu beweisen 5. Den Reichs- 
beamten, denen Gehaltsabzüge wegen angeblich unerlaubten Fernbleibens vom Amte 
gemacht find, steht der Rechtsweg auf unverkürzte Gehaltszahlung nach Maßgabe der 
§§ 149 ff. des Reichsbeamtengesetzes offen, wobei der Richter nicht gemäß § 155 
an das Urtheil der Verwaltungs= oder Disciplinarbehörden über das Vorhandensein 
„besonderer Entschuldigungsgründe“ gebunden ist". Die Pflicht, am Amtssitze zu 
bleiben, liegt auch dem suspendirten Beamten, nicht dem Wartegeldempfänger ? 
ob. Denn die Suspension entzieht nur das Recht zur Ausübung des Dienstes 
und läßt im Uebrigen alle Rechte und Pflichten, also auch die zum Urlaubnehmen, 
unberührt 5. 
Die vom Kaiser oder Namens des Kaisers angestellten (unmittelbaren Reichs-) 
Beamten, die besoldeten wie die unbesoldeten?, auch die Kaiserlichen Wartegeld- 
empfänger 10, dürfen (§ 15, Abs. 1 des Gesetzes) Titel, Ehrenzeichen, Geschenke, 
Gehaltsbezüge oder Remunerationen von anderen Regenten oder Regierungen nur 
mit Genehmigung des Kaisers annehmen. Die mittelbaren Reichsbeamten find 
primo loco Landesbeamte 11 und fallen nicht unter diese Vorschrift 13. Dagegen 
bedarf der unmittelbare Reichsbeamte der kaiserlichen Genehmigung auch in dem 
Falle, daß er den Titel u. s. w. von seinem eigenen Landesherrn erhält5. 
  
1 S. oben S. 131; vgl. auch Erk. des 
Reichsger. vom 25. Februar 1896, Entsch. in 
Straff., Bd. XXII, S. 379; anderer Ansicht 
Pieper, S. 70. 
2 Erk. des Oberverwaltungsgerichts vom 
21. Jan. 1888, Entsch. Bd. XVI, S. 399. 
m Oder sein neues Amt ohne den erforder- 
lichen Urlaub nicht antritt. 
4 S. weiter unten S. 662f. 
* Erk. des Reichsger, vom 27. März 1884 
in Gruchot's Beiträgen, Bd. XXVIII, S. 1111, 
und des Oberverwaltungsgerichts vom 8. Sept. 
1883, Entsch. Bd. XII, S. 430 f. 
* Siehe Thudichum, Reichsbeamtenrecht, 
  
Enn zu § 14, Laband, I, § 50, Pieper, 
7 S. jedoch weiter unten. 
# S. weiter unten, Laband, 9 51, und Erk. 
des Disciplinarhofes vom 2. April 1883, mit- 
getheilt bei Perels und Spilling, Anm. IV 
zu § 125 des Gesetzes, ferner Minist.-Bl. f. die 
ges. innere preußische Verwaltung 1874, S. 94, 
Pieper, S. 73f. 
Also auch Wahlkonsuln 
10 S. auch Pieper, 
11 Oben S. 637. 
12 S. auch Motive S. 70. 
13 Motive S. 70.
	        
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