646 Neuntes Buch. Die Reichsbeamten und die Reichsbehörden.
Zur Annahme von Geschenken oder Belohnungen in Bezug auf sein Amt be-
darf jeder (unmittelbare) Reichsbeamte der Genehmigung der obersten Reichs-
behörde (§ 15, Abs. 2 des Gesetzes). Wird diese Genehmigung ertheilt, so entfällt
die Anwendbarkeit der Strafbestimmung in § 331 des Strafgesetzbuchs 1. Bei
Wartegeldempfängern kommt die Vorschrift in § 15, Abs. 2 nur für Amtshand-
lungen aus der Zeit ihrer Activität in Betracht 2.
. Kein (unmittelbarer) Reichsbeamter darf ohne vorgängige Genehmigung der
obersten Reichsbehörde ein Nebenamt oder eine Nebenbeschäftigung, mit welcher eine
fortlaufende Remuneration? verbunden ist, übernehmen oder ein Gewerbe betreiben
(§ 16, Satz 1). Auch zu unentgeltlichen Ehren= und Nebenämtern, z. B. als
Stadtrath, Honorarprofessor u. s. w., ist die Genehmigung erforderlich"“. Die
Stellen eines Landtagsmitgliedes, Stadtverordneten, Kreis-, Gemeindevertreters,
Kammermitgliedes drücken kein Amt, sondern nur eine Nebenbeschäftigung aus und
find daher, da mit ihnen keine fortlaufende Remuneration verbunden ist (abgesehen
von den Fällen des § 47 des Reichs-Militärgesetzes bei Militärpersonen) ge-
nehmigungsfrei?. Auch das Amt eines Vormundes fällt nicht unter § 16 des
Gesetzes. Unbedingt ist dem Vorsitzenden der Verwaltung des Reichs-Invaliden=
sonds, sowie dem Präsfidenten und den Mitgliedern des Rechnungshofes des Deutschen
Reiches jede Uebernahme von Nebenämtern oder mit Remuneration verbundener
Nebenbeschäftigungen verboten (§ 11 des Gesetzes, betreffend die Gründung und Ver-
waltung des Reichs-Invalidenfonds, vom 23. Mai 1873, R.-G.-Bl. 1873, S. 117,
8 9 des Gesetzes, betreffend die Einrichtung und die Befugnisse der Ober-Rechnungs-
kammer, vom 27. März 1872, Preuß. Ges.-S. 1872, S. 278).
Jeder unmittelbare Reichsbeamte bedarf zum Betriebe eines Gewerbes der
vorgängigen Genehmigung der obersten Reichsbehörde (§ 16). Im Unterschiede
zu dem noch heute gültigen § 19 der preußischen Gewerbeordnung vom 17. Januar
1845 (G.-S. 1845, S. 41) bedarf es zum Gewerbebetriebe eines Hausstands-
genossen eines Reichsbeamten der behördlichen Genehmigung nicht. Gewerbe ist
hier nicht blos im Sinne der Weiterverarbeitung, sondern im weitesten Sinne auf-
zufassen 8. Es umfaßt auch den Bergbau, auch andere Urproductionen. Aus-
genommen ist die Bewirthschaftung eines dem Beamten gehörigen landwirthschaft-
lichen Grundstücks und der Betrieb der mit dieser Bewirthschaftung verbundenen
Gewerbe (Branntwein-, Zucker-, Thonröhrenfabriken, Ziegeleien u. s. w.). Diese
Ausnahme, welche in § 19 der Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845 und in
§ 43 des Reichs-Militärgesetzes vom 2. Mai 1874 besonders gemacht ist, muß für
Reichsbeamte gelten, weil man nach dem Sprachgebrauch der Gesetze davon aus-
gehen darf, daß hierin kein „Gewerbebetrieb“ gefunden wird. Den Berufskonsuln
ist jeder Betrieb kaufmännischer Geschäfte unbedingt verboten (§§ 7 und 8 des Ge-
setzes, betreffend die Organisation der Bundeskonsulate, sowie die Amtsrechte und
Pflichten der Bundeskonsuln, vom 8. November 1867, B.-G.-Bl. 1867, S. 137).
Reichsbankbeamte dürfen keine Antheilscheine der Reichsbank besitzen (§ 28 des
Bankgesetzes vom 14. März 1875).
Es ist sodann die Genehmigung der obersten Reichsbehörde (§ 16) zu dem
Eintritt eines unmittelbaren Reichsbeamten in den Vorstand, Verwaltungs= oder
Aufsichtsrath einer jeden auf Erwerb gerichteten Gesellschaft erforderlich. Die keinen
Erwerbszweck verfolgenden, politischen, gemeinnützigen, wissenschaftlichen oder ge-
selligen Zwecken dienenden Gesellschaften und Institute fallen nicht unter diese Vor-
schrift. Die Erlaubniß darf nicht ertheilt werden, sofern die Stelle mittelbar oder
unmittelbar mit Remuneration verbunden ist.
1 Pieper, S. 76. ausreichend. Z
2 Vgl. Sten. Ber. S. 185. 5 S. Minist.-Bl. f. die ges. innere Verwal-
2 Bücher-, Aufsatzhonorare, Honorare für tung 1874, S. 94, 198, ferner Pieper, S. 81.
Vorträge fallen also nicht unter diese Vorschrift. Die Reichsbehörde kann jedoch den event. dazu
4 Bei Militärbeamten ist in den Fällen des nöthigen Urlaub verweigern.
47 des Reichs-Militärgesetzes vom 2. Mai 1874 Oben S. 165.
ie Genehmigung ihrer Dienstvorgesetzten