Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

648 Neuntes Buch. Die Reichsbeamten und die Reichsbehörden. 
Bezüglich der Fälle, in denen bei der Entstehung des Schadens, welchen der 
Beamte verursachte, ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt hat, kommt § 254 
des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Anwendung. 
Für die Frage, ob das Reich (der Staat) für Handlungen oder Unterlassungen 
seiner Beamten haftet, ist entscheidend, ob der Beamte Staatshoheitsrechte aus- 
geübt hat, oder ob der Staat nur von seiner vermögensrechtlichen Seite als Fiskus 
in Betracht kommt. In letzterem Falle ist das Versehen eines Beamten das eigene 
Versehen des Fiskus und dieser unbedingt dafür haftbar. Diese Ansicht, welche sich 
schon früher in der Rechtsprechung Geltung verschafft hatte 1, hat in das Bürger- 
liche Gesetzbuch Eingang gefunden. § 89, Abs. 1 des Bürgerl. Gesetzbuchs bestimmt: 
„Die Vorschrift des ⅛ 31 findet auf den Fiskus sowie auf die Koörperschaften, 
Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechtes entsprechende Anwendung.“ § 31 
bestimmt nun: „Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, 
ein Mitglied des Vorstandes oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter 
durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum 
Schadensersatze verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.“ 
Während z. B. preußische Beamte vor der Geltendmachung civil= oder straf- 
rechtlicher Entschädigungsansprüche insoweit geschützt find, als der Conflict nach 
Maßgabe des preußischen Gesetzes, betreffend die Konflikte bei gerichtlichen Ver- 
folgungen wegen Amts= und Diensthandlungen, vom 13. Februar 1854 (Ges.-S. 
1854, S. 86) erhoben und dadurch vor der weiteren Verfolgung eine Vor- 
entscheidung des Oberverwaltungsgerichts darüber, „ob der Beamte sich einer Ueber- 
schreitung seiner Amtsbefugnisse oder der Unterlassung einer ihm obliegenden Amts- 
handlung schuldig gemacht habe,“ als Proceßvoraussetzung einzutreten hat ?, soll bei 
unmittelbaren wie mittelbaren Reichebeamten nach dem Willen des Reichsgesetz- 
gebers (der Vorschrift in § 13 des Reichsbeamtengesetzes) über die Frage, ob die 
Grenzen der Amtsbefugnisse eingehalten oder ob Handlungen, zu denen das Amt 
verpflichtet, unterlassen sind, sobald daraus ein Schaden erwachsen oder das Er- 
wachsen eines Schadens daraus behauptet ist, bedingungslos und uneingeschränkt 
der von dem Beschädigten angerufene bezw. der Strafrichter entscheiden 2. 
Darüber, ob das Reich, ein Bundesstaat oder eine öffentliche Corporation für 
Versehen ihrer Beamten auch in dem Falle haften, daß diese Hoheitsrechte aus- 
üben und also sie selbst nur als vermögensrechtliche Subjecte in Betracht kommen, 
hat so wenig das Reichsbeamtengesetz wie das Bürgerliche Gesetzbuch Vorschriften 
gegeben. Da nun nach § 19 des Reichsbeamtengesetzes auf die Rechtsverhältnifse 
der Reichsbeamten, über welche nicht durch Reichsgesetz Bestimmung getroffen ist, 
diejenigen gesetzlichen Vorschriften Anwendung finden, welche an ihren Wohnorten 
für die Staatsbeamten gelten, so haftet das Reich dann für Handlungen der Reichs- 
beamten, wenn und soweit an deren Wohnorten der betreffende Bundesstaat für 
seine Beamten haften würde. Die hierauf bezüglichen landesgesetzlichen Vorschriften 
sind vom Bürgerlichen Gesetzbuch in Kraft erhalten worden. Denn Art. 77 des 
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmt: 
„Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über die Haftung 
des Staates, der Gemeinden und anderer Kommunalverbände (Provinzial-, 
Kreis-, Amtsverbände) für den von ihren Beamten in Ausübung der diesen 
anvertrauten öffentlichen Gewalt zugefügten Schaden sowie die landesgesetz- 
lichen Vorschriften, welche das Recht des Beschädigten, von dem Beamten 
den Ersatz eines solchen Schadens zu verlangen, insoweit ausschließen, als 
der Staat oder der Kommunalverband haftet.“ 
Ob und wie weit ein Staat für Handlungen oder Unterlassungen seiner Be- 
amten haftet, welche in Ausübung der Staatshoheitsrechte begangen find, ist in 
  
1 Erk. des Reichsgerichts vom 30. Dezember S. auch § 11 des Einführungsgesetzes zum 
1888, Entsch. in Civils., Bd. VIII, S. 152, vom Gerichtsverfassungsgesetz. 
10. November 1887, Entsch. in Civilf., Bd. XIX, 2 Erk. des Oberverwaltungsgerichts v. 24. Jan. 
S. 348; vgl. auch Erk. vom 4. November 1888, 1885, Entsch. Bd. XI, S. 403. 
Entsch. in Civilf., Bd. XVIII, S. 173.
	        
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