Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

§ 59. Die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten. 655 
Das Reichsbeamtengesetz kennt zwei sogenannte Disciplinarstrafen: 1) Ordnungs- 
strafen, 2) Entfernung aus dem Amte (§ 73). Ordnungsstrafen find (§ 74): 
1) Warnung, 2) Verweis, 3) Geldstrafe (bei besoldeten Beamten bis zum Betrage 
des einmonatlichen Diensteinkommens, bei unbesoldeten bis zu 90 Mark). Geld- 
strafe kann mit Verweis verbunden werden. Arreststrafen sind nur gegen Militär- 
beamte statthaft L1. Bloße Zurechtweisungen und Rügen jedes Vorgesetzten gelten 
nicht als Ordnungsstrafen im Sinne des § 74; dazu bedarf es also nicht eines 
besonderen Disciplinarverfahrens 2. Bei Bestimmung des Diensteinkommens, bis zu 
dessen Höhe die Geldstrafe zulässig ist, bleiben alle Nebeneinnahmen, auch Ent- 
schädigung für Dienstaufwand, außer Betracht. Bekleidet der Beamte mehrere Aemter, 
so bildet die Grenze der einmonatliche Betrag des gesammten persönlichen Ein- 
kommens beider Aemter, gleichviel, ob die vorgesetzte Behörde des einen oder des 
anderen, des Haupt= oder des Nebenamtes straft . 
Die Entfernung aus dem Amte kann bestehen (§ 75); erstens in Strafversetzung. 
Diese erfolgt durch Versetzung in ein anderes Amt von gleichem Range, jedoch mit 
Verminderung des Diensteinkommens um höchstens ein Fünftel. Die Strafversetzung, 
welche den Ersatz für Umzugskosten nicht ausschließt, soll den „Uebergang zu den 
Maßregeln der epurirenden Disciplin bilden“"“. Das Amt, in welches die Straf- 
versetzung erfolgt, braucht nicht ein gleiches oder gleichartiges zu sein. Als Ver- 
kürzung des Diensteinkommens gelten geringerer Wohnungsgeldzuschuß, Verlust der 
Möglichkeit zu Nebenämtern, Verlust von Repräsentations-, Dienstaufwands-, 
Theuerungszulagen u. dergl. nicht I. Die Verkürzung um einen Bruchtheil des 
Gehaltes braucht keine dauernde zu sein. Statt der Verminderung des Dienst- 
einkommens kann eine Geldstrafe verhängt werden, welche ein Drittel des Dienst- 
einkommens eines Jahres nicht übersteigen darf. 
Die Entfernung aus dem Amte kann (5 75) zweitens in Dienstentlassung be- 
stehen. Diese bezieht sich nur auf das im Urtheil bezeichnete Amt, präjudicirt 
auch nicht rechtlich dem Erwerbe eines neuen, selbst des gleichen Amtes. Sie be- 
deutet die dauernde Aufhebung als Rechtswirkungen, welche bis zur Rechtskraft des 
Urtheils aus dem darin bezeichneten Dienstverhältnisse entstanden waren. Sie hat 
den Verlust des Titels" und Pensionsanspruchs' von Rechtswegen zur Folges. 
Die Dienstentlassung kann auch gegen Wartegeldempfänger, nach dem Reichsbeamten- 
rechte jedoch nicht gegen Pensionirte erkannt werden. Hat vor Beendigung des 
Disciplinarverfahrens das Amtsverhältniß bereits aufgehört? (§ 75), so wird, falls 
nicht der Angeschuldigte unter Uebernahme der Kosten auf Titel und Perfions- 
anspruch verzichtet, auf deren Verlust an Stelle der Dienstentlassung erkannt. In 
dem Falle, und nur in dem Falle, daß der Angeschuldigte Anspruch auf Penfion 
hat, ist die Disciplinarbehörde ermächtigt, beim Vorliegen besonderer Milderungs- 
gründe in ihrer Entscheidung zugleich (nicht später oder besonders) festzusetzen, daß 
dem Angeschuldigten ein Theil (niemals das Ganze) des gesetzlichen Pensionsbetrages 
auf Lebenszeit oder auf gewisse Jahre zu belassen sei. 
Vom freien Ermessen der Disciplinarbehörden bezw. -Gerichte hängt es ab 
(§ 76), welche der gesetzlich zugelassenen Strafen anzuordnen ist. 
Wenn wegen der nämlichen Thatsachen ein gerichtliches Strafverfahren ein- 
geleitet ist oder wird, so ist „der Kriminalprocedur die Priorität vor dem 
  
  
* s 1861 in Oppenhoff's Recht- 
ung des Ober-Tribunals in Straftte Rd. 1, 
Laband, Thudichum, Pieper 
. E. oben S. 558f; 
2 Sten. Ber. S. 76 * 
2 Erk. des enwverwoltungsger- vom 17. Juni 
1893, Entsch. Bd. XXV, S 
" (Motive S. 74, Sten. Ber. S. 701. 
* S. oben S. 650. 
* Nur a rüglich des Amtes, aus dem die Ent- 
la 
sing eria des Prfonzanppruchs aus dem ab-S 
  
ertapnten Aute. Uaf strafgericht 
ie mtsentlassung in asfgericht- 
lichen bürtheils hat (auch in Waoge ung d der Pen- 
die gleichen Wirkungen (Erk. des Sichger. 
Eunsrr 1888, Entsch. in Civilf., Bd 
7 D. h. thatsichlih aufgehört hat, aus wel- 
chem Grunde auch immer, alse namentlich in 
dem Falle, daß der Beamte nicht wieder in den 
Dienst zurückkehrt noch zurückkehren will; er hat 
z. B. wo anders Beschäár äligung. gefunden. Siehe 
aucht die feessuisticchen emerkungen bei Pieper,
	        
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