Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

660 Neuntes Buch. Die Reichsbeamten und die Reichsbehörden. 
Disciplinarerkenntniß auferlegten Kosten (für Auslagen im Disciplinarverfahren) 
und der erkannten Ordnungsstrafe erforderlich ist. Ein Abzug wegen der Stell- 
vertretungskosten findet auch in diesem Falle nicht statt. Ein Beamter, der wegen 
Suspension vom Amte viele Monate dem Staate keine Dienste mehr geleistet hat, 
kann, auch wenn er schließlich seines Amtes entsetzt wird, noch sehr erhebliche Be- 
träge vom Staate beanspruchen. 
Das Gesetz kennt eine vorläufige Suspenfion noch im folgenden Falle (§ 131): 
Wenn Gefahr im Verzuge ist, kann einem Beamten auch von solchen Vorgesetzten, 
die seine Suspenfion nicht zu verfügen berechtigt find, die Ausübung der Amts- 
verrichtungen (ganz oder theilweise) vorläufig untersagt werden; es ist aber darüber 
sofort an die oberste Reichsbehörde zu berichten, welche die vorläufige Suspenfion 
entweder aufheben oder die förmliche beschließen kann. Die vorläufige Suspension 
hat eine Kürzung des Diensteinkommens nicht zur Folge. 
Den Wartegeldempfängern wird nur, wenn sie im Disciplinarverfahren durch 
noch nicht rechtskräftige Entscheidung des Amtes entlassen find, ein Theil des Warte- 
geldes, und zwar ein Viertel, einbehalten. 
Unabhängig vom Disciplinarverfahren ist die Haftung des Beamten wegen ver- 
tragsmäßiger oder nicht vertragsmäßiger Handlungen dem Staate gegenüber. Hier- 
über entscheidet lediglich das bürgerliche Recht. 
  
Defectenverfahren. 
Die Vorschriften über das Defectenverfahren (§§ 134 bis 158), welche nach 
§ 157 auch für (Kassen verwaltende) Personen des Soldatenstandes gelten und der 
preußischen Verordnung über die Festsetzung und den Ersatz der bei Kafsen und 
anderen Verwaltungen vorkommenden Defekte vom 24. Januar 1844 (Preuß. 
G.-S. 1844, S. 52) nachgebildet find, enthalten Ausnahmen von der Regel, daß 
Niemand ohne Gerichtsurtheil, und zwar von seinem Gläubiger, verurtheilt 
werden kann. Als Ausnahmevorschriften find fie daher enge zu interpretiren. 
Sie sollen den Reichsfiskus vor Benachtheiligungen durch pflichtvergessene oder 
fahrlässige Verwalter von Reichskassen und Reichsvermögen schützen . Es erschien 
nicht angemessen, daß die höhere Autorität gegen einen Beamten, dessen Pflicht- 
vergessenheit eine Verbindlichkeit zum Ersatze herbeiführt, lediglich vor den 
Gerichten klagen soll. Man hat daher der Verwaltungsbehörde weitergehende Be- 
fugnisse, namentlich die einer vorläufigen Vollstreckung, gegeben und den Be- 
theiligten dagegen den Rechtsweg offen gelassen 2. 
Das Defectenverfahren, welches kein Disciplinarverfahren ist und nur den 
Zweck hat, Schaden und Beschädiger vorläufig festzustellen und die Ersatzleistung zu 
sichern, kann nicht nur gegen die im Dienste, sondern auch gegen die außer Dienst 
befindlichen (selbst entlassenen) Beamten gerichtet werden 3. Ob von dem Defecten- 
verfahren Gebrauch gemacht werden soll, hängt von dem Ermessen der Verwaltungs- 
behörden ab“. Als Defect, welcher das Defectenverfahren zuläßt, ist nur der 
Kassen-, nicht der Rechnungsdefect anzusehen 5. „Kassendefecte find fehlende 
Beträge an dem Sollbestande des Staatseigenthums in Folge von Untreue, Irr- 
thum oder Dienstvernachlässigung, sowie von Zufall, Diebstahl, Brand oder 
sonstigen nicht vorherzusehenden Ereignissen. Rechnungsdefecte sind Zuvielveraus- 
gabungen, sei es in Folge von unrichtigen Calculos, sei es in Folge von Zah- 
lungen gegen gesetzliche oder sonstige Vorschriften, welche von der Ober-Rechnungs- 
kammer im Wege der Monitur festgestellt und zur Wiedervereinnahmung bestimmt 
werden“ . Der förmliche Defectenbeschluß (§8§ 137 ff.) bleibt stets davon abhängig, 
  
1 Tdhudichum Anm. zu § 134. Bd. XXXIVW S. 1119. 
Motive S. 78. 6 Arndt, im Archiv für öffentliches Recht 
* Val. preuß. Just.-Min.-Bl. 1858, S. 253,188, S. 537 ff. Laband, I, § 48, preuß. Just.= 
Verwalst !*.Min.-Bl. 1859, S. 74, Piep er, Min. Bl. 1857, S. 55. 
S. 337. * Drucks. des Reichstages 1877, Anl.-Bd. III, 
4 Oben S. 409, 425; Erk. des Reichsgerichts Nr. 15, S. 39. 
vom 23. Jan. 1890 in Gruchot“ 3 Beiträgen,
	        
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