Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

8 59. Die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten. 663 
gemäßen Alimentirung“ wird u. A. getheilt von Laband, I1, § 49, S. 455, 
v. Gerber, Grundzüge, § 36, Schulze, Preußisches Staatsrecht, I, § 198, 
S. 386, Förster-Eccius, Preußisches Privatrecht (5. Aufl.), § 141, Anm. 13, 
G. Meyer, Staatsrecht, 5 150, E. Löning, Verwaltungsrecht, S. 181, v. Rönne, 
Preußisches Staatsrecht, 1, § 59, Rehm, § 45, und in den Erkenntnissen des 
Reichs-Oberhandelsgerichts vom 7. Oktober 1876, Entscheid. Bd. XXI, 
S. 50, und des Oberverwaltungsgerichts vom 12. Oktober 1888, Entscheid. 
Bd. XVII, S. 262. Andere Ansichten vertreten M. v. Seydel, Bayerisches 
Staatsrecht, III., S. 415 ff., und die Erkenntnisse des Reichsgerichts vom 
22. Dezember 18811 und vom 9. Oktober 1888, Entsch. in Civils., Bd. XXI, S. 187. 
Die herrschende Ansicht hat, wenn an die Richter, Regierungsräthe, Sekretäre 
und ähnliche Beamte gedacht wird, viel Bestechendes, trifft aber nicht zu, nament- 
lich seitdem in den letzten Jahren ungeheure Mengen von Arbeitern, Vorarbeitern 
und Technikern, welche dem Staate dienen, zu Beamten gemacht worden sind. Es 
giebt Beamte, die überhaupt keine Vergütung erhalten, viele (hohe), die grund- 
sätzlich weniger erhalten, als zu ihrem standesgemäßen Lebensunterhalt gehört, 
manche (z. B. Leiter gewinnbringender staatlicher Betriebe), die, um dem Staate 
erhalten zu bleiben oder um aus dem Privatdienste gewonnen zu werden, weit 
über die standesgemäße Alimentation erhalten, viele, die nach Stück, viele, die auf 
Accord, viele, die tageweise entlohnt werden u. s. w. Die Tausende von Arbeitern 
aller Art in Beamtenstellen, die Rottenarbeiter, Heizer, Fahrkartendrucker, Postillone, 
Couriere, Briefboten, Steiger, Pulverausgeber, Siedemeister u. s. w., haben jeden- 
falls nicht die Auffassung, daß sie eine standesgemäße Alimentirung erhalten follen. 
In ihren Gehalts= bezw. Lohnverhältnissen hat sich durch ihre Beamtenqualität 
nichts geändert, als daß sie einen Anspruch auf Lebenslänglichkeit erworben haben und 
anstatt aus einer Pensions-, Wittwen= oder Knappschaftskasse nunmehr ihre Kranken- 
gelder, Pension, Wittwen= und Waisenversorgung unmittelbar vom Staate erhalten. 
Auch die Angestellten der Kaufleute und die Techniker in Grubenbetrieben erhalten 
in Krankheitsfällen ihr Gehalt eine Zeitlang fortgezahlt, während viele Beamte, 
die auf Stück, auf Tagelohn oder auf Probe, Kündigung und dergl. angestellt 
sind, in Krankheitsfällen keinen Anspruch auf Lohn gegen den Staat haben. Der 
Staat kann Beamte auch in der Weise besolden, daß er ihnen bestimmte Arbeits- 
gelegenheit giebt, wofür sie vom Publicum besoldet werden, z. B. die Eisenbahn- 
gepäckträger?:. Jeder Angestellte hat nach § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn 
er unverschuldet auf verhältnißmäßig nicht lange Zeit seine Arbeit aussetzen muß, 
Anspruch auf Fortlohnung an seinen Arbeitgeber. Auch bei Arbeitern, die nicht 
Beamte find, ist die Lohnbeschlagnahme eingeschränkt, und ein gewisses Existenz- 
minimum muß jedem Schuldner gelassen werden. Aus allen diesen Gründen und 
bei der ganz außerordentlichen Mannigfaltigkeit der Besoldungsformen und -Arten 
läßt sich ein allgemein zutreffender Rechtsbegriff nicht aufstellen. Auch bei den 
meisten Privatangestellten wird übrigens ihr Gehalt eine Rente zum standesgemäßen 
Unterhalte sein. Am richtigsten wird man Gehalt, Penfion u. s. w. als gesetzlich 
vorgeschriebene Leistungen ansehen, die der Regel nach auf zwingenden Vor- 
schriften beruhen und also in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zu leisten und 
nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zu versagen find. Etwas Anderes ist 
auch in dem Erkenntniß des IV. Civilsenats des Reichsgerichts vom 26. Oktober 1896 
nicht ausgesprochen, in dem ausgeführt wird, daß ein Gemeindebeschluß, der die 
Wittwenpension eines Beamten abspricht, auch durch dessen Zustimmung den Hinter- 
bliebenen gegenüber nicht wirksam wird. Es liegen beiderseitig obligationes er 
lege vor. 
Daß der Anspruch auf Gehalt in Ermangelung besonderer Festsetzungen gemäß 
* 4 des Gesetzes mit dem Tage des Amtsantrittes, nicht schon oder erst mit dem 
Tage der Vereidigung oder des Erwerbes der Beamtenqualität beginnt, ist bereits 
  
1 Im preuß. Min.-Bl. für die innere Ver-honoraren und Gebühren für Theilnahme an 
waltun 1888, S. 148. staatlichen Prüfungen nicht selten ihren Lebens- 
* Man könnte hierher auch unbefoldete außer= unterhalt und jedenfalls nicht unerhebliche Ein- 
ordentliche Professoren rechnen, die aus Collegien= nahmen gewinnen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.