684 Neuntes Buch. Die Reichsbeamten und die Reichsbehörden.
Seine Wirksamkeit erstreckt sich in Betreff der ihm überwiesenen Verwaltungsgegen-
stände über die ganze Monarchie. Er verfügt an die Behörden seines Ressorts für
sich allein, an andere nicht ohne Rücksprache und Gemeinschaft mit dem Ressort-
minister. Jeder Minister führt die ihm anvertraute Verwaltung selbstständig, unter un-
mittelbarer Verantwortlichkeit gegen den König, an welchen er zu berichten hat und von
welchem er die Befehle rücksichtlich seiner Verwaltung erhält. Dem Staatsministerium
oder dem Ministerpräsidenten ist seit der Allerhöchsten Kabinetsorder vom 3. Juni 1814,
wegen Ernennung des Ministerii (G.-S. 1814, S. 40), der einzelne Minister nicht unter-
geordnet. Im Plenum find die in der Allerhöchsten Kabinetsorder vom 3. November 1817
wegen der Geschäftsführung bei den Oberbehörden in Berlin (G.-S. 1817, S. 289)
bezeichneten Gegenstände vorzulegen und zu verhandeln. An die königliche Ge-
nehmigung find die Minister gebunden bei: 1) den Entwürfen zu allen Gesetzen,
Verfassungs= und Verwaltungsnormen, es mag auf eine neue oder Aufhebung oder
Abänderung der vorhandenen ankommen. Die Entwürfe werden vom Ressort-
minister ausgearbeitet, im Staatsministerium vorgetragen und sodann dem König
zur Beschlußnahme überreicht, der, soweit es sich um Gesetze handelt, im Falle des
Einverständnisses den Befehl und die Ermächtigung zur Einbringung in den Landtag
ertheilt; sodann 2) bei allen Hauptetats und Plänen; 3) bei Verwendung der
etatsmäßigen Fonds für a. neue Besoldungen und Besoldungszulagen, b. außer-
ordentliche Pensionsbewilligungen, c. Gnadengeschenke (Steuer-, Stempel-, Pachterlasse)
und d. Ausgaben, welche durch Veränderung der Administration oder neue Anlagen
verursacht werden oder bei Aufstellung der Etats noch nicht in Anschlag gebracht sind;
4) bei nicht etatsmäßigen Administrationsausgaben, welche etatsmäßig gemacht werden
sollen !; 5) Ernennung der Räthe bei allen Staatsbehörden, sowie aller Beamten, die
theils höher, theils mit solchen in gleicher Kategorie stehen und deren Bestallungen zu voll-
ziehen der König sich vorbehalten hat; 6) bei Ertheilung von Titeln, welche den Raths-
charakter geben; 7) überhaupt größeren Gnadenbewilligungen. Der Minister der
auswärtigen Angelegenheiten hat dem Könige, welcher die Beschaffung der genauesten
Uebersicht und Kenntniß sämmtlicher auswärtigen Verhältnisse verlangt, alle Be-
richte der Gesandtschaften und Geschäftsträger, sowie die von Fremden übergebenen Noten
oder gemachten Eröffnungen vorzulegen oder Vortrag daraus zu halten. Er hat
nach den Entschließungen des Königs die Geschäfte seines Ressorts zu verwalten,
den fremden Gesandten Antwort zu ertheilen und die preußischen zu bescheiden.
Die Ausfertigungen der an diese Letzteren zu erlassenden Bescheide werden von dem
Könige selbst vollzogen, wenn es darauf ankommt, Abweichungen von den früher
gegebenen Vorschriften über politische Verhältnisse oder die Verfolgung wichtiger
Gegenstände aufzugeben. In wichtigen, dringenden und eiligen Fällen darf zwar
der Minister, wenn die königliche Genehmigung nicht eingeholt werden kann, die
Verfügungen allein erlassen, soll aber dem Könige sogleich Anzeige davon machen.
In anderen Fällen erläßt er die Verfügungen in seinem eigenen Namen. Der König
ernennt die Gesandten und bestimmt ihre Besoldungen, und über die Anstellung des
übrigen Gesandtschaftspersonals muß die königliche Genehmigung eingeholt werden.
Es kann nun nach diesen Vorschriften zunächst keinem Zweifel unterliegen, daß
ein preußischer Bundesrathsbevollmächtigter, auch der Reichskanzler, wenn er einen
preußischen Gesetzesvorschlag im Bundesrath einbringen will, diesen im Plenum des
preußischen Staatsministeriums vortragen muß und daß das Staatsministerium die
Ermächtigung des Königs einzuholen hat. Sodann ist gewiß und in der Praxis
unbestritten, daß, wenn der Reichskanzler als Minister der auswärtigen Angelegen-
heiten fungirt, die Verordnung vom 27. Oktober 1810 für ihn unbedingt maß-
gebend ist?. Will der Minister der auswärtigen Angelegenheiten oder ein anderer
Minister, z. B. der als Reichsbehörde fungirende Kriegsminister, eine Gnaden-
bewilligung vornehmen, z. B. eine zu Unrecht erfolgte Auszahlung justificiren
oder auf dem Reiche zustehende Einnahmen, z. B. auf die Rückforderung zuviel
gezahlter Ausgaben für Sold, Pension, Marschverpflegung, verzichten, so ist von
1 In den zu 2) bis 4) bezeichneten Fällen vor-
. Genehmigung; s. oben § 36.
behaltlich der etwa erforderlichen budgetmäßigen
* S. auch Laband, 1I, S. 9.