! 61. Reichsbehörden. 693
ist 1. Das Ober-Seeamt besteht aus einem die Fähigkeit zum Richteramte besitzenden
Vorsfitzenden und sechs mindestens zur Hälfte der Schiffahrt kundigen Beifitzern.
Der Vorsitzende und die schiffahrtkundigen — ständigen — Beisitzer, sowie deren
etwaige Stellvertreter werden vom Kaiser ernannt. Für das Amt der übrigen —
nicht ständigen — Beisitzer werden von jeder der Regierungen der Bundes-Seestaaten
immer drei sachkundige Personen vorgeschlagen; für jeden Beschwerdefall beruft der
Vorsitzende fünf Beisitzer ein.
B. Die Reichskommissare bei den Seeämterns werden für die ein-
zelnen Seeämter vom Reichskanzler bestellt. Sie sind befugt, den Verhandlungen
des Seeamtes beizuwohnen, Einsicht von den Acten zu nehmen, Anträge, ins-
besondere auf Entziehung der Befugniß zum Gewerbebetriebe, zu stellen und, falls
der Vorsitzende des Seeamtes die Einleitung einer Untersuchung ablehnt, bei dem
Reichskanzler die Anordnung einer Untersuchung zu beantragen. In Beschwerde-
fällen wohnen fite mit entsprechenden Befugnissen den Verhandlungen des Ober-
Seeamts bei.
13) Statistisches Amts. Es hat die Aufgabe: 1) das auf Grund von
Gesetzen oder auf Anordnung des Reichskanzlers für die Reichsstatistik zu liefernde
Material zu sammeln, zu prüfen, sowie technisch und wissenschaftlich zu bearbeiten;
2) auf Anordnung des Reichskanzlers statistische Nachweisungen aufzustellen und
über statistische Fragen sich gutachtlich zu äußern. Seine regelmäßige Thätigkeit erstreckt
sich insbesondere auf die Statistik des auswärtigen Handels, sowie der Zölle und
Reichssteuern, Volkszählungen, Statistik der Geburten, Sterbefälle, Eheschließ ungen,
Auswanderung, Criminal= und Concursstatistik, Statistik der Krankenversicherung,
des Berg-, Hütten= und Salinenwesens, des Anbaues und der Ernten, der Vieh-
haltung, des See= und Flußverkehrs und der Großhandelspreise. Das Statistische
Amt verarbeitet ferner die auf Veranlassung der Kommission für Arbeiterstatistik
veranstalteten Aufnahmen. «
14) Die Normal-Aichungskommission“". Sie ist auch mit der Be-
glaubigung der Geräthe zur steueramtlichen Prüfung des Branntweins, der Brannt-
wein-Denaturirungsmittel, des Essigs, der Liköre, Fruchtsäfte, Essenzen, Extracte,
Verschnittweine und -Moste und dergl. betraut. Außerdem ist ihr die Beglaubigung
der in Branntweinbrennereien zur Anwendung kommenden Branntweinmeßapparate,
sowie eine Mitwirkung bei der Revifion dieser Apparate übertragen S. Ihre Zu-
ständigkeit erstreckt sich nicht (oder doch nur indirect) auf Bayern.
15) Das Reichs-Gesundheitsamt'. Es hat den Reichskanzler auf
dem Gebiete der Medicinal- und Veterinärpolizei in der Vorbereitung der Gesetz-
gebung und in der Auslbung des Aussichtsrechts, insbesondere hinsichtlich der Aus-
führung der Gesetze, zu unterstützen. Es bearbeitet die Medicinal= und Veterinär-
statistik Deutschlands. Außerdem ist dem Gesundheitsamte die technische Begutachtung
und experimentelle Bearbeitung der auf dem Gebiete des Pflanzenschutzes zu lösenden
Aufgaben zu übertragen. Mit dem Gesundheitsamt ist die ständige Kommission für
Bearbeitung des Deutschen Arzneibuches verbunden, welche periodische Berichtigungen
1 Val. oben S. 223 und 226, Gewerbeord-
nung §§ 31 und 58.
1 Handbuch S. 171.
. Handbuch S. 172. Es ist keine Behörde,
die ein imperium ausübt; s. oben S. 637. Ihre
Einrichtung, füht sich auf das dem Bundesrath
nach Art. 7, Ziff. 2 der Reichsverfassung zu-
stehende Recht zurück (loben S. 638). Der Bundes-
rath hat durch Beschluß vom 9. März 1872
(Protokoll § 57) den Reichskanzler ermächtigt,
die Geschäftsinstruction zu erlassen. Am 23. Juni
1872 erging vom Kanzler die Geschäftsinstruc-
tion= für das Statistische Amt; s. auch Laband,
0Oben S. 233. Ihre Zuständigkeit gründet
sich auf die Maaß= und Gewichtsordnung vom
17. August 1868 (B.-G.-Bl. 1868, S. 473) nebst
ihren Abänderungen.
Hardbuch S. 175.
* Oben S. 253. Z
7 Handbuch S. 176. Das Reichs-Gesund-
heitsamt hat keine Befugnisse, Befehle zu er-
theilen; s. oben S. 637. Es ist nicht auf Grund
des Neichehaushaltsgesetes für 1876 errichtet (An-
sicht von Laband, I1, S. 348), sonst hätte es mit
diesem Gesetze außer Wirksamkeit treten müssen.
Vielmehr sind nur die Mittel zuerst in diesem
Gesetze bewilligt worden. Es bedurfte keines
Gesetzes, um das Reichs-Gesundheitsamt zu er-
richten, weil es kein Gebots= und Verbotz-
recht hat.