Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

8 14. Berlust der Staats-- und Reichsangehörigkeit. 65 
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche setzt an die Stelle des citirten 
Absatzes 2 in § 21 folgende Vorschriften: 
„Der hiernach eingetretene Verlust der Staatsangehörigkeit erstreckt sich 
zugleich auf die Ehefrau und auf diejenigen Kinder, deren gesetzliche Ver- 
tretung dem Ausgetretenen kraft elterlicher Gewalt zusteht, soweit sich die 
Ehefrau oder die Kinder bei dem Ausgetretenen befinden. Ausgenommen find 
Töchter, die verheirathet find oder verheirathet gewesen find.“ 
Selbstredend ist ein für den Vater ausgestelltes Reisepapier auch für seine 
Kinder maßgebend, so daß auch für diese die zehnjährige Frist erst mit dem Ab- 
laufe des Papiers beginnt (Erk. des Reichsgerichts vom 5. Nov. 1897, Entsch. in 
Strafsachen Bd. XXX, S. 297). 
Der dritte Absatz des § 21 läßt zu, daß durch Staatsvertrag die zehnjährige 
Frist auf eine fünfjährige vermindert werden kann, wenn der Ausgewanderte ein 
fremdes Indigenat erworben hat. Dabei soll es keinen Unterschied machen, ob der 
Ausgewanderte sich im Besfitze eines Reichspapieres oder Heimathsscheines befindet 
oder nicht. Solche (Bancroft-) Verträge fsind mit den Vereinigten Staaten von 
Nordamerika abgeschlossen zuerst am 22. Februar 1868 (vgl. hierzu B.-G.-Bl. 
1868, S. 228, und Erk. des Oberverwaltungsgerichts vom 13. October 1886, 
Entsch. Bd. XIV, S. 388). Ist zu dem ununterbrochenen fünfjährigen Aufenthalt 
der Erwerb der fremdländischen Staatsangehörigkeit hinzugetreten, so ist das deutsche 
Heimathsrecht endgültig erloschen, und der Ausgewanderte ist nun vollständig Aus- 
länder geworden (Erk. des Reichsgerichts vom 2. Juni 1881, Entsch. in Straf- 
sachen Bd. IV, S. 271 ff., des Oberverwaltungsgerichts vom 13. October 1886, 
Entsch. Bd. XIV, S. 392). Er ist daher — abgesehen von dem Ausnahmefalle 
in § 11 des Reichs-Militärgesetzes vom 2. Mai 1874 — nicht mehr im Deutschen 
Reiche militärpflichtig (Erk. des Reichsgerichts vom 6. Februar 1895, Entsch., in 
Straff. Bd. XXIII, S. 407, f. auch Entsch. in Straff. Bd. XVIII, S. 384). Seine 
deutsche Staatsangehörigkeit ist definitiv erloschen, er kann diese Staats- 
angehörigkeit nur durch Naturalisation und erst von dem Zeitpunkte der Naturali- 
sation an von Neuem erlangen; vergl. auch Gründe zum Erk. der Oberverwaltungs- 
gerichts vom 13. Oct. 1886 in den Entsch. Bd. XIV, S. 392f. 
Deutschen, welche ihre Staatsangehörigkeit durch zehnjährigen Aufenthalt im 
Auslande verloren und keine andere Staatsangehörigkeit erworben haben, kann — 
wie es in Abs. 4 des § 21 des Gesetzes vom 1. Juni 1870 heißt — die Staats- 
angehörigkeit in dem früheren Bundesstaate wieder verliehen werden, auch ohne 
daß sie sich dort niederlassen. Eine Verpflichtung zur Wiederverleihung der 
Staatsangehörigkeit besteht nicht. Die Bedeutung der Vorschrift besteht darin, daß 
die Landesregierung (die höheren Verwaltungsbehörden) nicht verpflichtet ist, 
sich an die in § 8 des Gesetzes vom 1. Juni 1870 vorgeschriebenen Voraussetzungen 
zu halten, also auch berechtigt ist, bei deren Nichtvorhandensein die „Renaturali- 
sationsurkunde“ zu ertheilen. Die bloße Erklärung der Behörde genügt nicht; 
es ist eine förmliche Urkunde nöthig (Cahn, S. 188). 
Der letzte, fünfte, vielumstrittene Absatz des § 21 bestimmt sodann: „Deutsche, 
welche ihre Staatsangehörigkeit durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande verloren 
haben und demnächst in das Reichsgebiet zurückkehren, erwerben die Staats- 
angehörigkeit in demjenigen Bundesstaate, in welchem sie sich niedergelassen haben, 
durch eine von der höheren Verwaltungsbehörde ausgefertigte Aufnahme--Urkunde, 
welche auf Nachsuchen ihnen ertheilt werden muß.“ 
Die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift ist folgende: 
Nach der Vorlage des Bundesraths sollte ein Deutscher, welcher sich ununter- 
brochen zehn Jahre im Auslande aufgehalten hat, seine Staatsangehörigkeit dann 
verlieren, wenn er nicht in die Matrikel eines Reichsconsuls eingetragen ist, oder 
sich nicht im Besitze eines Reichspapieres oder Heimathsscheines befindet. In der 
zweiten Lefung ist diese Bestimmung auf Antrag des Abgeordneten Dr. Braun 
(Wiesbaden) gestrichen und der Nr. 3 in § 13 des Gesetzes folgende Fassung ge- 
geben worden: 3. „durch Erwerbung fremder Staatsangehörigkeit in Verbindung 
Arndt, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. 5
	        
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