Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

710 Zehntes Buch. Answärtige Verwaltung. 
rechtsverbindlich und wirksam sind “. Der König von Preußen hat alle durch die 
Verfassung ihm nicht entzogenen Rechte. Verträge, die der König abschloß, wurden 
durch Ratification und Publication verbindlich. Die Verfassung hat dieses könig- 
liche Recht nicht aufgehoben, sondern nur in gewissem Sinne eingeschränkt. 
Muß das Vorstehende im Jahre 1867 als die in Praxis und in der Theorie 
fast unangefochtene und jedenfalls herrschende Ansicht des preußischen und gemeinen 
deutschen Staatsrechts angesehen werden, so folgt schon hieraus, daß Art. 11 der 
Reichsverfassung nicht anders als Art. 48 der preußischen Verfassung auszulegen 
ist. Dafür spricht insbesondere die Erwägung, daß sonst die Bundesverfaffung 
gesagt hätte: „Die Uebereinstimmung des Kaisers, des Bundesrathes und des Reichs- 
tages ist zu einem Vertrage erforderlich und ausreichend (Art. 5); wenn der Gegen- 
stand des Vertrages nicht in den Bereich der Gesetzgebung fällt, ist der Kaiser allein 
zum Vertragsabschlusse ermächtigt.“ Oder: „Verträge Namens des Deutschen Reichs 
werden unter Zustimmung des Kaisers im Wege der Reichsgesetzgebung abgeschlossen; 
wenn“ u. s. w. (s. Art. 78). Die vorstehend entwickelte Theorie wird auch durch 
die Entstehungsgeschichte bewiesen. Daß gewisse Verträge der Zustimmung des 
Bundesrathes und des Reichstags bedürfen, war im preußischen Entwurfe nicht 
vorgesehen; das Erforderniß der Zustimmung des Bundesraths ist auf Antrag der 
verbündeten Regierungen, das der Zustimmung des Reichstages durch Reichstags- 
beschluß veranlaßt worden. Zu Art. 11 der Verfassung stellte nämlich im ver- 
faffungsberathenden norddeutschen Reichstage der Abgeordnete Lette den Antrag, 
einzuschalten: „und zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung des Reichstages“ ?. Die 
Debatte zu Art. 11 bewegte sich um andere Dinge: die Ministerverantwortlichkeit, 
die (von Ausfeld und Genossen vorgeschlagene) Ausschließlichkeit der völkerrecht- 
lichen Vertretung durch das Präsfidium, das allgemeine Verhältniß des Präfidiums 
zum Bundesrath u. s. w. Der Antrag wurde am 26. März 1867 (ohne Debatte 
oder Begründung) angenommen S. Begründet und klargestellt wurde der Antrag 
Lette bei Art. 50 (dem Postwesen). Hier beantragte Erxleben am 2. April 1867, 
der Alinea 2 des Entwurfs hinzuzufügen: „In Betreff der mit denselben ab- 
zuschließenden Verträge vergleiche jedoch Artikel 11.“ Damit sollte bezweckt werden, 
daß, wenn der Kaiser Post= und Telegraphenverträge, deren Inhalt in den Bereich 
der Gesetzgebung gehört, abschließen will, es zu deren Abschluß der Zustimmung 
des Bundesraths und zu deren Gültigkeit der Zustimmung des Reichstages be- 
dürfte. Diesen Antrag bekämpfte der Bundeskommissar, preußischer Handelsminister 
Graf von Itzenplitz“: „Wenn diese Verweisung hier nun angenommen werden 
sollte, so würde daraus gefolgert werden können, daß alle Post= und Telegraphen= 
verträge mit auswärtigen Staaten vor ihrer Ausführung dem Reichstage vorgelegt 
werden müßten. Das ##. ist in Bezug auf die Post= und Telegraphenverträge 
mit auswärtigen Staaten durchaus unausführbar.“ Hierauf erwiderte Dr. Lettes: 
„Ich kann mich mit den Ausführungen des Herrn Ministers eigentlich einverstanden 
erklären. Im Wesentlichen ist nichts Anderes mit meinem Amendement gemeint 
als Das, was auch in der preußischen Verfassung bestimmt ist. Außerdem weist 
wohl schon die Fassung des Amendements darauf hin, daß es nur um eine nach- 
trägliche Genehmigung in den betreffenden Fällen zu thun ist, da es heißt: 
„Zur Gültigkeit bedarf es der Genehmigung des Reichstages.“ Es ist eine andere 
Fassung in Bezug auf den Reichstag gewählt als in Bezug auf den Bundesrath. 
Ich glaube, ich kann das im Namen meiner politischen Freunde (Nationalliberalen) 
versichern, daß ein Anderes durchaus nicht beabsichtigt ist und daß man am Wenigsten 
die Executive in gedachter Beziehung hat geniren wollen. Manche übrigens von 
derartigen Verträgen werden zum Theil nur in das Gebiet der Executive gehören 
und nicht einmal der Vorlegung beim Reichstage bedürfen. Soweit fie aber nach 
  
  
1 Vgl. die analogen Entscheidungen für das 2 Drucksachen Nr. 17. 
Reichsrecht vom 17. April 1879 des Ober-Tribu- ?2 Sten. Ber. S. 374, Bezold, Materialien, 
nals Berlin in Oppenhoff's Rechtsprechung in I. S. 712. 
Strafsachen, Bd. XX, S. 208, und des Reichs- 4 Sten. Ber. S. 518. 
grichts vom 22. Sept. 1885 in den Entscheid. für 5 Sten. Ber. S. 519, Bezold, Materialien, 
trafs., Bd. XII, S. 384. II, S. 228.
	        
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