6 63. Das Gesandtschaftsrecht. 717
Berlin; ist die Stadt Berlin in mehrere Gerichtsbezirke getheilt, so wird der als
solnstt geltende Bezirk von dem Reichskanzler durch allgemeine Anordnung be-
immt.“
Für die Frage, welche Bevorrechtigungen einem Gesandten zustehen, kommt
nicht das Recht des Heimathsstaates, sondern dasjenige des Empfangsstaates in
Betracht. Solche Bevorrechtigungen werden niemals den Gesandten von Privat-
personen, auch nicht stets den Gesandten von abhängigen Staaten, sondern regel-
mäßig nur den Gesandten von souveränen Staaten gewährt, regelmäßig auch nur
im Reciprocitätsverhältniß, d. h. in eben dem Umfange, wie sie umgekehrt ihren
eigenen Beamten gewährt werden; auch gewöhnlich nicht schlechthin, sondern nur,
wenn der Gesandte als genehm vom Empfangsstaate acceptirt ist. Die Einzel-
heiten hierüber gehören dem Völkerrechte an. Die Gesammtheit der Rechte, welche
den Gesandten in einem fremden Staate eingeräumt werden, pflegt man als Rechte
der Exterritorialität zu bezeichnen.
Das Deutsche Reich gewährt folgende Exterritorialitätsrechte:
Nach § 18 des Gerichtsverfassungsgesetzes erstreckt sich die inländische Gerichts-
barkeit nicht auf die Chefs und die Mitglieder der beim Deutschen Reiche beglaubigten
Missionen. Sind diese Personen Staatsangehörige eines der Bundesstaaten, so
find sie nur insofern von der inländischen Gerichtsbarkeit befreit, als der Staat,
dem sie angehören, sich der Gerichtsbarkeit über sie begeben hat. (Die Chefs und
Mitglieder der bei einem Bundesstaate beglaubigten Missionen find der Gerichtsbar-
keit dieses Staates nicht unterworfen.) Dasselbe gilt von den Mitgliedern des
Bundesraths, welche nicht von demjenigen Staate abgeordnet find, in dessen Gebiet
der Bundesrath seinen Sitz hat1. „Auf die Familienglieder“ (§ 19 das.), „das
Geschäftspersonal der im § 18 erwähnten Personen und auf solche Bedienstete der-
selben, welche nicht Deutsche find, finden die vorstehenden Bestimmungen keine An-
wendung.“ § 20: „Durch die Bestimmungen der §§ 18, 19 werden die Vor-
schriften über den ausschließlichen dinglichen Gerichtsstand in bürgerlichen Rechts-
streitigkeiten nicht berührt.“ In diesen Vorschriften ist nicht ausgesprochen, daß die
bürgerlichen und die Strafgesetze des Deutschen Reiches nicht auf Gesandte einer
fremden Macht Anwendung finden, sondern nur, daß sich die deutsche Straf= und
Civilgerichtsbarkeit nicht auf sie miterstreckt, außer soweit es sich um den ausschließ-
lichen dinglichen Gerichtsstand in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten handelt. Wenn
hierbei unter Bezug auf völkerrechtliche Autoritäten behauptet wird 2, daß Acte der
Staatsnothwehr, z. B. wegen hochverrätherischer Conspiration eines fremden Ge-
sandten, selbstverständlich nicht ausgeschlossen seien, so kann dieser Behauptung nicht
beigepflichtet werden, da die §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes eine solche
Ausnahmevorschrift nicht ertheilen. Besteht die Nothwendigkeit, sich gegen hoch-
verrätherische Conspirationen eines Gesandten zu schützen, so kann sich das Deutsche
Reich nur durch Ausweisung, nicht durch ein gerichtliches Strafverfahren helfen.
Chefs und Mitglieder einer auswärtigen Mission, welche nicht beim Reiche selbst,
sondern nur in einem Bundesstaate beglaubigt ist, find nach § 18, Abf. 2 des
Gerichtsverfassungsgesetzes nur der Gerichtsbarkeit dieses Staates nicht unterworfen,
also der Gerichtsbarkeit des Reichs nicht entzogen. Daher würde, wenn z. B. ein
in Bayern beglaubigter fremdländischer Gesandter Hoch= oder Landesverrath gegen
Kaiser oder Reich übt, die Exterritorialität nicht gelten und das Reichsgericht
gemäß § 136 des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Untersuchung und Entscheidung
zuständig sein 6.
Welche Befreiungen von den Leistungen für die bewaffnete Macht im Frieden
und im Kriege die fremden Gesandten genießen, ist früher entwickelt worden .
Eine Befreiung von Reichssteuern und Reichszöllen steht den Gesandten nicht
zu. Jedoch werden den beim Reiche beglaubigten Gesandten die Zölle vom Reiche
zurückvergütet 5.
1 S. oben S. 89. 4 S. oben S. 611, 612.
* Val. Zorn, Staatzsrecht, II, S. 438. ES. oben S 365.
2 Hänel, Staatsrecht, S. 537.