8 64. Konsularrecht. 737
eingesetzt und bestehen in Egypten gemischte Gerichte (4 europäische, 8 egyptische),
der Appellationsgerichtshof in Cairo (7 und 4 Richter) 1.
Die Jurisdictionskonsuln haben nach alledem nur die Befugnisse, welche ihnen
zugleich sowohl der Absende= wie der Empfangsstaat einräumen. Diese Befugnisse
bestehen in der meist ausschließlichen Polizeigewalt (einschließlich der Verordnungs-
und Strafgewalt), sowie in der richterlichen Gewalt und erstrecken sich sowohl über
die Reichsangehörigen wie über die Schutzgenossen des Deutschen Reiches. Be-
freit find solche Reichsangehörige, welche nach allgemeinen völkerrechtlichen Grund-
sätzen das Recht der Exterritorialität genießen; unterworfen find nur solche Aus-
länder, welche „für ihre Rechtsverhältnisse durch Anordnung des Reichskanzlers oder
auf Grund einer solchen dem deutschen Schutze unterstellt find“ (Schutzgenossen,
§ 2 des Gesetzes vom 7. April 1900). Den Deutschen werden gleichgeachtet
Handelsgesellschaften, eingetragene Genossenschaften und juristische Personen, wenn
sie im Reichsgebiet oder in einem deutschen Schutzgebiet ihren Sitz haben, juristische
Personen auch dann, wenn ihnen durch den Bundesrath oder nach den bisherigen
Vorschriften durch einen Bundesstaat die Rechtsfähigkeit verliehen worden ist. Das
GEleiche gilt von offenen Handelsgesellschaften und Commanditgesellschaften, die in
einem Konsulargerichtsbezirk ihren Sitz haben, wenn die persönlich haftenden Gesell-
schafter sämmtlich Deutsche find. Andere als die bezeichneten Handelsgesellschaften,
eingetragenen Genossenschaften und juristischen Personen werden den Ausländern
gleichgestellt. Durch Anordnung des Reichskanzlers oder auf Grund einer solchen
kann bestimmt werden, daß Handelsgesellschaften, eingetragene Genossenschaften und
juristische Personen, wenn Ausländer daran betheiligt find, der Konsulargerichts-
barkeit nicht unterworfen find (als Schutzgenossen nicht gelten). Die Militär-
gerichtsbarkeit wird durch die Konsulargerichtsbarkeit nicht berührt (§ 8 des Gesetzes
vom 7. April 1900). Die Konsulargerichtsbezirke werden (§ 4 das.) von dem
Reichskanzler nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesraths für Handel und
Verkehr bestimmt. Die Konsulargerichtsbarkeit wird durch den Konsul, das
Konsulargericht und durch das Reichsgericht ausgeübt (§ 5). Die Konsulargerichts-
barkeit greift Platz in allen bürgerlichen und strafgerichtlichen Streitigkeiten, in
denen beide Theile Reichsangehörige, Schutzgenossen oder „de facto“ Unterthanen
sind. Bei Streitigkeiten zwischen Angehörigen verschiedener christlichen Staaten ent-
scheidet nach den getroffenen Vereinbarungen der Konsul des Beklagten oder Be-
schuldigten. Bei Streitigkeiten zwischen den Angehbrigen eines christlichen Staates
und einem Eingeborenen giebt es keine allgemeine Regel 2ä. Häufig entscheidet die
Prävention. Der Konsul ist (§ 6) zur Ausübung der Gerichtsbarkeit befugt,
wenn er dazu von dem Reichskanzler ermächtigt wird. Doch kann der Reichskanzler
neben dem Konsul, sowie an dessen Stelle einem anderen Beamten die dem Konsul
bei der Ausübung der Gerichtsbarkeit obliegenden Verrichtungen übertragen. Der
Konsul ist (§ 7) zuständig: 1) für die durch das Gerichtsverfassungsgesetz, die
Prozeßordnungen und die Konkursordnung den Amtsgerichten zugewiesenen Sachen;
2) für die durch Reichsgesetze oder in Preußen geltende allgemeine Landesgesetze
den Amtsgerichten übertragenen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Das Konsulargericht besteht (§ 8) aus dem Konsul als Vorsitzendem und zwei
Beisitzern, in Strafsachen aus vier Beisitzern, wenn der Beschluß über die Eröffnung
des Hauptverfahrens ein Verbrechen oder ein Vergehen zum Gegenstande hat, das
weder zur Zuständigkeit der Schöffengerichte noch zu den unter §§ 74 und 75 des
Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Handlungen gehört. Ist die vorgeschriebene
Zuziehung der Beisitzer nicht möglich, so tritt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
an die Stelle des Konsulargerichts der Konsul, und genügt in Strafsachen die Zuziehung
von zwei Beisitzern. Jedoch find die Gründe, aus denen die sonst vorgeschriebene
Zuziehung von Beisitzern nicht möglich war, im Sitzungsprotokoll anzugeben (§ 9).
Das Konsulargericht ist zuständig (§ 10): 1) für die durch das Gerichtsverfassungs-
1 S. bei v. Liszt, S. 99 ff., und Zorn, 2 Monarchen, fremde Gesandte, Konfuln.
II, S. 505 ff. 2 Vgl. hierzu v. Liszt, S. 90.
Arndt, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. 47