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das Inkrafttreten ein späterer Zeitpunkt festgesetzt ist oder für die Konsulargerichts-
bezirke reichsgesetzlich ein Anderes vorgeschrieben wird.“
Für das bürgerliche Recht ist noch hervorzuheben, daß die Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuchs über eingetragene Vereine (§§ 21, 22, 44, Abs. 1, 55 bis 57)
auf Vereine, die ihren Sitz im Konsulargerichtsbezirke haben, keine Anwendung
finden (§ 31). Vereinen, die dort ihren Sitz haben, kann in Ermangelung be-
sonderer reichsgesetzlicher Vorschriften Rechtsfähigkeit durch Beschluß des Bundesraths
verliehen werden (§ 23 des Bürgerl. Gesetzbuchs). Durch Kaiserliche Verordnung
kann ein höherer Zinssatz, als in den §§ 246, 247, 288 des Bürgerl. Gesetzbuchs
oder § 352 des Handelsgesetzbuchs aufgestellt, angeordnet werden (§ 33). Inhaber-
papiere der in § 795, Abf. 1 des Bürgerl. Gesetzbuchs bezeichneten Art, nämlich
auf den Inhaber ausgestellte Schuldverschreibungen, in denen die Zahlung einer
bestimmten Geldsumme versprochen wird, dürfen in den Konsulargerichtsbezirken nur
mit Genehmigung des Reichskanzlers in den Verkehr gebracht werden (§ 34).
Besonders wichtig ist, daß in Handelssachen vor den deutschen Gesetzen, also auch
vor dem Handelsgesetzbuch, das im Konsulargerichtsbezirke geltende Handels-
gewohnheitsrecht gilt (§ 40) 1.
Unter Aufrechterhaltung des früheren Rechtszustandes (§ 4 des Gesetzes über
die Konsulargerichtsbarkeit, vom 10. Juli 1879, R.-G.-Bl. 1879, S. 197), aller-
dings unter Erweiterung des Strafrahmens, ertheilt § 51 des Gesetzes vom
7. April 1900 folgende Verordnungsbefugniß: „Der Konsul ist befugt, für seinen
Gerichtsbezirk oder einen Theil des Bezirkes polizeiliche Vorschriften mit verbind-
licher Kraft für die seiner Gerichtsbarkeit unterworfenen Personen zu erlassen und
deren Nichtbefolgung mit Haft, Geldstrafe bis zum Betrage von eintausend Mark
und Einziehung einzelner Gegenstände zu bedrohen.“ ... „Die Verkündung der
polizeilichen Vorschriften sowie die Verkündung ihrer Aufhebung erfolgt in der für
konsularische Bekanntmachungen ortsüblichen Weise, jedenfalls durch Anheftung an die
Gerichtstafel.“ Was polizeiliche Vorschriften find, bestimmt sich nach allgemeinen
Rechtsgrundsätzen. Die Vorschriften in § 10, Theil II, Tit. 17 des Allgemeinen
Landrechts und § 6 des Gesetzes über die Polizei-Verwaltung vom 11. März 1850
(Preuß. G.-S. 1850, S. 265), für Bergwerke nach § 196 des Allgemeinen Berggesetzes
für die Preußischen Staaten vom 24. Juni 1865 (G.-S. 1865, S. 705) bezw. 24. Juni
1892 (G.-S. 1892, S. 131) kommen, weil und soweit fie lediglich den Begriff der Polizeie
im gemeinüblichen wiedergeben, zur Anwendung. Gemeint find nur sicherheits-
polizeiliche Vorschriften. Ueber Zuwiderhandlungen gegen solche Vorschriften
entscheidet, wer in den Konsulargerichtsbezirken zur Ausübung der Stafgerichtsbar-
keit an Stelle der ordentlichen Gerichte gesetzt ist?. Die Gerichte haben dabei nach
allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht die Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit, sondern
nur die Gesetzmäßigkeit solcher Vorschriften zu prüfen , also namentlich, daß fie
gehörig bekannt gemacht und daß sie sicherheitspolizeilicher Natur find. Ferner
folgt aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen, insbesondere der auch für Konsulargerichts-
bezirke verbindlichen Kraft der Reichsgesetze, daß konsularische Polizeiverordnungen,
soweit sie in Widerspruch zu reichsgesetzlichen Bestimmungen stehen", unverbindlich
und ungültig sind. Dies gilt auch, soweit sie in Widerspruch mit Anordnungen
stehen, die vom Reichskanzler für den betreffenden Konsulargerichtsbezirk erlassen
1 Handelssachen in diesem Sinne sind nach 21 #ns des Gesetz über die Polizeiverwaltung
#§s 40, Abs. 2 die von einem Kaufmann vor-- vom 11. März 1850 (G.-S. 1850, S. 265).
genommenen Rechtsgeschäfte der im 8 1, Abs. 2 4 Selbstredend nur, soweit diese in den
des Handelsgesetzbuchs bezeichneten Art, sowie Konsulargerichtsbezirken Geltung haben. Wie
der Angelegenheiten, die eines der im § 101, Zorn, Hirth's Annalen 1885, S. 437, hervor-
Nr. 3 a, d, e, f des Gerichtsverfassungsgesetzes hebt, ergeben die Motive zum Eesetz vom
aufgeführten Rechtsverhältnisse zum Gegenstande 10. Juli 1879, daß der Konsul. auc as vor-
haben (Streitigkeiten aus einem Gesellschaftsver= handene Gesetzesrecht abändern dürfe, sofern
trage, über den Erwerb eines Handelsgeschäfts, dieses nach seinem Ermessen im Konsulargerichts-
aus dem Handlungs Gossen, und Lehrlings= bezirk unanwendbar ist. Diese Befugniß besteht
verhältniß, aus dem Rhederei-, Bodmerei= und nmicht mehr gegenüber dem Gesetze vom 7. April
Haverierecht). 1900, loweit es sich um Gesetze handelt, die im
2 S. oben S. 728f. Konsulargerichtsbezirke gelten.