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die Freizügigkeit vom 1. November 1867 und Vertrag d. d. Gotha 15. Juli 1851
nebst den späteren Verabredungen in Geltung geblieben 1. In Elsaß-Lothringen
gilt noch das Gesetz vom 24. vendémiaire II (15. Oktober 1793)2: Art. 1: Der
Unterstützungswohnsitz ist der Ort, an welchem der Hülfsbedürftige Anspruch auf
öffentliche Unterstützung hat. Art. 2: Der Geburtsort ist der natürliche Ort des
Unterstützungswohnsitzes. Art. 3: Als Geburtsort für Kinder gilt der gewöhnliche
Wohnsitz der Mutter zur Zeit der Geburt. Art. 4: Zur Erlangung des Unter-
stützungswohnsitzes ist ein einjähriger Aufenthalt in einer Gemeinde erforderlich.
Art. 6: Landstreichern kann von der Gemeindebehörde der Unterstützungswohrnsitz
verweigert werden. Art. 7: Bis zum Alter von 21 Jahren kann Jeder ohne
weitere Förmlichkeiten das Recht des Unterstützungswohnsitzes an seinem Geburts-
orte geltend machen. Art. 8: Nach erreichtem 21. Jahre muß er einen Aufenthalt
von sechs Monaten nachweisen, bevor er das Recht auf den Unterstützungswohnfi
erlangt. Art. 11: Niemand kann gleichzeitig in zwei Gemeinden das Recht 1
den Unterstützungswohnsitz ausüben. Art. 13: Wer sich in einer Gemeinde ver-
heirathet und diese während sechs Monaten bewohnt, erlangt das Recht des Unter-
stützungswohnsitzes. Art. 16: Jeder im Alter von 70 Jahren, der keinen Wohnsitz
erlangt hat oder vor dieser Zeit als gebrechlich erkannt wird, erhält die unbedingt
nothwendigen Unterstützungen im nächsten Pflegehause. Art. 17: Wer in der vor-
geschriebenen Frist in Folge eines durch seine Arbeit herbeigeführten Gebrechens
nicht mehr im Stande ist, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, ist in jedem
Lebensalter in das nächste Pflegehaus aufzunehmen. Art. 18: Jeder Kranke, ob
er rechtlich einen Wohnsitz hat oder nicht, der ohne Hülfsmittel sich befindet, ist
entweder in seinem thatsächlichen Wohnsitze oder in dem nächsten Pflegehause zu
unterstützen. Hierzu bestimmt Art. 1 des französischen Gesetzes vom 7. August 1851:
„Wenn eine mittellose Person in einer Gemeinde krank wird, so darf ihre Aufnahme
in das in der Gemeinde befindliche Krankenhaus von keiner der Wohnsitz erfordern-
den Voraussetzung abhängig gemacht werden.“
s66. Schutzgebiete.
„Der Beaufsichtigung Seitens des Reichs und der Gesetzgebung desselben unter-
liegen“ (Art. 4 der Reichsverfassung):
„1. die Bestimmungen . . Über die Kolonisation.“
Die zu dem Worte „Kolonisation“ im verfassungsberathenden Reichstage vom
Abgeordneten Schleiden (Sten. Ber. S. 271) gemachten Bemerkungen haben zu
Mißverständnissen geführt. Schleiden hat von seinem Standpunkte als Frei-
handels= und sog. Manchestermann den Wunsch ausgesprochen, daß nicht deutsche
Kolonien im Auslande gegründet werden (weil nach der Freihandelslehre Kolonien
dem Mutterlande Geld kosten und man auch unter einer fremden Herrschaft seine
Geschäfte als Kaufmann machen, sowie Geld verdienen könne). Wenn jedoch — was
nach Schleiden's Wunsche Gott verhüten sollte — gleichwohl deutsche Kolonien
gegründet würden, dann würde er es für erwünschter ansehen, daß dies Gegenstand
der (damals freihändlerischen) Bundesgesetzgebung und nicht der Gesetzgebung der
Einzelstaaten wäre. Er wollte nun wissen, ob bei dem Worte „Kolonisation“ an
wirkliche Kolonien oder nur an Flottenstationen gedacht werde. Wenn nicht
Letzteres der Fall sei, behalte er sich vor, einen Antrag auf Streichung des Wortes
„Kolonisation“ zu stellen. Darauf erwiderte der Bundeskommissar v. Savigny:
„Unter Kolonisation hat der Entwurf nicht gemeint einen Begriff aufzustellen, der
sich auf dieses oder jenes Gebiet ausschließlich beschränken soll; als Motiv lag dem
Entwurfe allerdings der Gedanke in erster Linie zu Grunde, die Regelung von
Flottenstationen zu sichern, welche man von dem Augenblicke an nöthig hat, wo
man sich überhaupt an transatlantischen Beziehungen so betheiligen will, wie wir
1 Oben S. 219. „Bei W. Cahn, S. 322f.