762 Elftes Buch. Besitzungen des Deutschen Reiches.
schließung und die Beurkundung des Personenstandes von Bundes-(Reichs-, Angehörigen
im Auslande, vom 4. Mai 1870 (B.-G.-Bl. 1870, S. 599) in dem Schutzgebiete
auf alle Personen Anwendung, welche nicht Eingeborene sind. Die Verordnung
vom 17. Februar 1900 ist am 1. März 1900, dem Tage ihrer Verkündung, im
Schutzgebiete von Samoa in Kraft getreten.
Die erste Frage, die sich nunmehr aufwirft, ist, ob und in welchen Hinsichten
die Schutzgebiete als Inland anzusehen sind. Da nach Art. 1 der Reichsverfassung
das Bundesgebiet aus den dort bezeichneten Staaten besteht, also nicht
aus sonstigen Staaten oder aus Besitzungen des Reichs, da Art. 1 nur durch ver-
fassungsänderndes Gesetz aufgehoben werden kann, eine Abänderung oder Aufhebung
in Ansehung der Schutzgebiete nicht stattgefunden hat, so steht fest, daß diese
Schutzgebiete Inland im Sinne des Art. 1 der Reichsverfaffsung und überhaupt
Bundes-(Reichs-)Gebiet im Sinne der Reichsverfassung nicht find. Es gelten somit
und nach den Eingangsworten in Art. 2 dort nicht ohne Weiteres die Vorschriften
der Reichsgesetze, der auf Grund der Reichsgesetze erlassenen Vorschriften noch endlich
die Reichsverfassung selbst. Er bedurfte und bedarf stets eines besonderen Gesetzes
oder, soweit dies angängig, einer besonderen Verordnung, um reichsrechtliche Vor-
schriften in den Schutzgebieten zur Anwendung zu bringen. Demgemäß finden auch
die Reichstagswahlen nicht in den Schutzgebieten statt. In den Schutzgebieten
wohnende Reichsangehörige können ihr Wahlrecht also nur innerhalb des Reichs-
gebiets an dem (dort angesetzten) Wahltage ausüben. Jedoch ist ein im Schutz-
bebiete wohnhafter Reichsangehöriger wählbar, wenn er ein Jahr die Reichsangehörig-
keit besitzt 1.
Zweifellos ist, daß die Schutzgebiete, da fie kein Theil Deutschlands im Sinne
der Art. 2 und 33 der Reichsverfassung find, bis auf Weiteres nicht zum deutschen
Zoll= und Handelsgebiete im Sinne der Reichsverfassung (Art. 33 ff.) und der
Reichs-Zoll= und -Steuergesetze gehören 2. Demgemäß sind sie Zollausland; Waaren,
die aus den Schutzgebieten kommen, werden daher als zollausländische behandelt.
Dies ist auch in einem Beschluß des Bundesraths vom 2. Mai 1893 (abgedruckt im
Deutschen Kolonialblatt 1893, S. 283) zur Anerkennung gekommen.
Inwieweit im Uebrigen die Schutzgebiete Inland oder Ausland find, bedarf in
jedem Falle einer besonderen Prüfung, wobei sich zeigen wird, daß fie fast stets
als „Inland“ anzusehen find. Es ist bereits in § 6 des Schutzgebietsgesetzes
(Fassung R.-G.-Bl. 1888, S. 75) ausgesprochen, daß im Sinne des § 21 des
Gesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes= und Staats-
angehörigkeit vom 1. Juni 1870 (B.-G.-Bl. 1870, S. 355)“, sowie bei An-
wendung des Gesetzes wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung vom 13. Mai 1870
(B.-G.-Bl. 1870, S. 119)“ die Schutzgebiete als Inland gelten 5. Es ist auch
anzunehmen, daß, soweit das Strafgesetzbuch in den Schutzgebieten zur Einführung
gekommen ist, diese im Sinne des Strafgesetzbuchs (§ 8 desselben) als Inland gelten,
also z. B. wenn es sich darum handelt, ob eine als Dieb, Räuber oder gleich einem
Räuber oder als Hehler erfolgte Bestrafung „im Inlande“ erfolgt ist (Strafgesetz-
buch § 244). Auch im Sinne der §§ 199 bis 202, 262, 339, 363, 364, 369,
498, 611, 791, 917 der Civilprozeßordnung find sie Inland.
Im Sinne des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten,
vom 31. März 1878 (R.-G.-Bl. 1873, S. 61) gelten die Schutzgebiete gleich-
falls als Inland"s. Reichsbeamte in den Schutzgebieten gelten sonach nicht
als Reichsbeamte, „deren dienstlicher Wohnsitz sich im Auslande befindet“, und
welche demnach (§ 21 des Reichsbeamtengesetzes) den ordentlichen persönlichen Ge-
richtsstand in ihrem Heimathsstaate behalten. Sie verlieren auch nicht (§ 29 des
1 Oben S. 120, §P 6 des Schutzgebietsgesetzes, 2 Oben S. 64.
§4 des Wahlgesetzes für den deutschen Reichs 4 Oben S. 215.
tag vom 31. Mai 1869 (B.-G.-Bl. 1869, 5 Auch das preußische Einkommensteuergesetz
S. 145), Drucksachen des Reichstages 1887/88, vom 24. Juni 1891 (G.-S. 1891, S. 775) er-
Bd. 1I, Nr. 72, S. 9, Sten. Ber. des Reichst. kennt die Schutzgebiete als Inland an, §) 1,
1887/88, Bd. II, S. 1295, 1297. Nr. 1a und b.
3 Oben S. 351. 8 Pieper, Reichsbeamtengesetz, S. 96.