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Reichsbeamtengesetzes) das Recht auf den Bezug des Wartegeldes, wenn sie in einem
deutschen Schutzgebiete Wohnsitz nehmen. Was im Allgemeinen die Rechtsverhält-
nisse der Beamten in den Schutzgebieten anlangt, so finden die Regeln, welche für
die elsaß-lothringischen Beamten? entwickelt find, entsprechende Anwendung. Die-
jenigen Beamten, welche unmittelbar vom Reiche und für unmittelbare Reichszwecke
angestellt und vom Reiche aus allgemeinen Reichsmitteln besoldet find, die Post-
und Telegraphenbeamten, sowie die Militärbeamten für die Kaiserliche Schutztruppe
für Deutsch-Ostafrika (Gesetz vom 22. März 1891, R.-G.-Bl. 1891, S. 53)3, find
Reichsbeamte im Sinne des Reichsbeamtengesetzes. Die mit der besonderen Ver-
waltung und Rechtspflege in den Schutzgebieten betrauten Beamten, mit Einschluß
der obersten, die Leitung und Aussicht führenden Beamten, sowie die Lehrer, da sie
unmittelbar den Zwecken des Schutzgebiets und nur mittelbar zugleich den Zwecken
des Reiches dienen und ihre Bezüge nicht aus Reichsfonds beziehen, find Landes-
beamte in dem Sinne, wie dies die Landesbeamten und Lehrer in Elsaß-Lothringen
sind. Auf diese findet das Reichsbeamtenrecht ebenso wie auf die Landesbeamten in
Elsaß-Lothringen nicht ohne Weiteres, sondern nur kraft besonderer Vorschrift An-
wendung. Solche Vorschriften find z. B. in den Kaiserlichen Verordnungen vom
3. August 1888 (für Kamerun und Togo) und am 22. April 1894 (für Ostafrika)
ergangen".
Die zweite Frage, die sich aufwirft, betrifft die Bedeutung der Schutz-
gewalt, welche das Schutzgebietsgesetz dem Kaiser zur Ausübung überträgt. Diese
Bedeutung ist eine völkerrechtliche und eine staatsrechtliche. Völkerrechtlich
bedeutet sie den Ausschluß jeder anderen Macht, die territoriale Zugehörigkeit des
Schutzgebiets zum Deutschen Reiche. Es muß daher auch angenommen werden,
daß jede Verletzung der Schutzgewalt durch eine dritte Macht eine völkerrechtlich zu
ahndende Verletzung des Deutschen Reiches, jeder Ein= und Angriff in diese Schutz-
gewalt einen Ein= und Angriff in das Deutsche Reich darstellt und insbesondere
auch ein Angriff im Sinne des Art. 11 der Reichsverfassung ist 5. Unerheblich ist
dieser Umstand für die Frage, ob der Kaiser zur Vertheidigung der Schutzgebiete
die deutschen Truppen verwenden darf. Art. 4, Abs. 1 der Reichsverfassung be-
stimmt, daß alle deutschen Truppen verpflichtet sind, den Befehlen des Kaisers un-
bedingte Folge zu leisten, und daß diese Verpflichtung in den Fahneneid aufzunehmen
ist. Hieraus folgt, daß der Kaiser die deutschen Truppen, und zwar alle deutschen
Truppen (nur die bayerischen erst nach der Mobilmachungserklärung), überall, wo
und wie er will, verwenden darf, soweit er sich nicht selbst und freiwillig etwa durch
Conventionen gebunden hat.
In staatsrechtlicher Hinsicht bedeutet die Schutzgewalt die oberste Herrschaft,
die Souveränetät im ganzen Schutzgebietes. Wie weit diese Souveränetät aus-
geübt werden soll, steht bei deren Inhaber; es ist daher diesem (dem Reiche bezw. dem
Kaiser) unbenommen, nachzulassen bezw. sich durch Vertrag zu verpflichten, daß
dritte Personen (eingeborene Häuptlinge) Rechte ausüben, welche im Reichsgebiete
Privatpersonen nicht zugestanden werden können (z3. B. gewisse polizeiliche, juris-
dictionelle und Besteuerungsrechte über Eingeborene).
Die Schutzgewalt ist nicht in dem Sinne dem Kaiser übertragen, daß er auch
alle Rechte des Reichsgesetzgebers uneingeschränkt ausübt. Vielmehr trifft das
Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete (R.-G.-Bl. 1888,
S. 75), unmittelbar Normen über die dem Reichsgesetzgeber als wesentlich erschienenen
Gegenstände: nämlich daß das bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gericht-
liche Strafverfahren, einschließlich der Gerichtsverfassung, so, wie sie in den Konsular-
gerichtsbezirken durch das Konsulargerichtsbarkeitsgesetz eingeführt sind, auch in den
Schutzgebieten mit der Maßgabe gelten, daß an Stelle des Konsuls der vom Reichs-
1 Pieper, S. 119. * Ebenso Kommissionsbericht zum Schutz-
1 Oben S. 749. gebietsgesetze von 1886 in den Anlagen des
2 Oben S. 594. Reichstages S. 992, ferner Laband, I, S. 749,
4 Siehe Reichs-Gentralblatt 1888, S. 753, v. ESbengel. in Hirth's Annalen 1889, S. 49,
#u. . w.
1894, S. 1
5 Oben S. 704. I