Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

2 Erstes Buch. Entstehung des heutigen Deutschen Reiches. 
in die Rechte der römischen Kaiser eingetreten waren. Die Abnahme der könig- 
lichen Befugnisse geschah durch die immer zahlreicher werdenden Verleihungen an 
geistliche und weltliche Große, denen in ihren Territorien die Regalien ganz oder 
theilweise vom Könige übertragen zu werden pflegten 1. Diese Verleihungen mußten zwar 
bei jedem Thronwechsel erneuert werden; die Erneuerungen werden aber allmählich zur 
bloßen Form. In den Constitutionen v. J. 1220 und 1232 erkennt Friedrich II. 
von Hohenstaufen nicht nur die Erblichkeit der Rechte der Landesherren, sondern 
auch Beschränkungen der königlichen Gewalt zu Gunsten der Rechte dieser an, so 
z. B., daß er eigenmächtig keine Zölle oder Münzstätten mehr einführen wollte 2. Als 
Landesherren, domini terrae, galten die, welche ein territorium mit Heeres= und 
Gerichtsgewalt unmittelbar vom Könige zu Lehn trugen. Auf der anderen Seite 
wird das Königreich immer ausgesprochener ein Wahlreich. Auf dem Reichstage 
zu Forchheim 1077 wurde beschlossen, daß die königliche Gewalt über Deutschland 
biert Keinem mehr durch Erbrecht Wwie bisher die Gewohnheit gewesen) zufallen 
olltes 
Die Wahl des Königs, welche ursprünglich allen Landesherren zustand, kam seit 
dem Interregnum (1254—1273) ausschließlich an die mächtigsten Reichsfürsten, 
von da ab Kurfürsten genannt". Die Kurfürsten hatten nach der Goldenen 
Bulle Kaiser Karls IV. königlichen Rang, für ihre kurfürstlichen Territorien ein 
privilegium de non appellando illimitatum und das privilegium de non evocando, 
den Heerbann, das Berg-, Salz-, Zoll-, Münzregal u. s. w., das Recht, Reichslande 
ohne kaiserliche Verleihung zu erwerben 5. Deutschland war dadurch eine Art 
Oligarchie geworden. Das Collegium der Kurfürsten bestand aus drei geistlichen 
und vier weltlichen Fürsten, nämlich den Erzbischöfen von Mainz, Trier und Köln, 
dem Pfalzgrafen bei Rhein (Reichserztruchseß), dem Herzoge zu Sachsen (Reichserz- 
marschall), dem Markgrafen von Brandenburg (Reichserzkämmerer) und dem König 
von Böhmen (Reichserzschenken). Die Wahl zum Könige wurde erst nach voran- 
gegangener Wahlcapitulation des zu Erwählenden (capitulatio caesaren) vor- 
genommen. Diese Wahlcapitulationen enthielten wesentliche Beschränkungen der 
königlichen Gewalt. Die wichtigste Wahlcapitulation ist die v. J. 1519 zwischen 
Karl V. und den Kurfürsten. Im IJ. 1711 wurde auf einem Reichstage eine 
ständige Wahlcapitulation beschlossen. Die Kurfürsten nahmen indeß für sich das 
Recht, Zusätze zu machen (ius adcapitulandi), in Anspruch. Mit der Krönung durch 
den Papst wurde der deutsche König römischer Kaiser seit Otto I. 962. Später wurde 
der von den Kurfürsten Erwählte ohne Weiteres römischer Kaiser, was in dem Reichs- 
abschied Kaiser Karls IV. constitutio de jure et excellentia imperü v. J. 1838 mit 
den Worten festgesetzt wurde : „ut electus in Imperatorem ex, sola electione censeatur 
et habeatur ab omnibus pro Jero et legitimo Imperatore.“ 
Allmählich wurde die kaiserliche Gewalt fast von jeder Einwirkung nicht bloß 
auf die Kurfürstenthümer, sondern auch auf die Territorien der übrigen Landes- 
derrenausgeschlosfen Im Westfälischen Frieden v. J. 1648 7, Art. 8, § 1, ist aus- 
prochen: 
6 „Omnes et singuli Electores Principes et Status Imperii Romani in 
antiquis suis juribus, praerogativis, libertate, privilegiis, libero juris terri- 
torialis (im deutschen Texte „hohe Landesobrigkeit“) tam in Ecclesiasticis 
quam Politicis exercitio, ditionibus, regalibus, horum omniumque posses- 
sione — ita stabiliti firmatigue sunto, ut a nullo umquam sub quocunque 
praetextu turbari possint vel debeant.“ 
1 Wait, Teutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2 Bruno de bello Saxonico, Geschichts- 
II, S. 221 a. a. schreiber der deutschen Vorzeit, XI. Jahrh., 8. Bd., 
2 Leg. l, * oItem nova thelonea et S. 108; ferner Philipps, Die deutsche Königs- 
novas monetas in duorum territoriis sive wahl bis zur Goldenen Bulle, Wien 1858. 
jurisdictionibus eis inconsultis seu nolentibus 4 Val. O. Mejer, S. 52, Anm 6 a. a. O. 
non statuemus de cetero; sed antiqua the- " O. Mejer, S. 53. Anm. 10. 
lonea et jura monetarum eorum ecclesiis . O. Lehmann, Luellen zur deutschen 
concessa, inconvulsa et firma ejus conserva- gic u. Rechtsgeschichte. Berlin 1891. S. 181ff. 
bimus et tuebimur.“ *? H. O. Lehmann, S. 251 ff. 
 
	        
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