80 Drittes Buch. Die Organisation des Deutschen Reiches.
des Deutschen Reiches hat es von 58 auch nur 17, mithin weniger als ein Drittel
der Stimmen.
2. Artikel 7 der Reichsverfassung giebt dem Bundesrathe die allgemeine Be-
fugniß zum Erlasse von Ausführungsverordnungen und zur Entscheidung von
Streitigkeiten über Auslegung der Reichsgesetze und Reichsverordnungen, welche Be-
fugniß ihm die Verfassung des Norddeutschen Bundes, wenigstens klar und zweifelfrei,
nur für das Zoll= und Handelswesen in Artikel 35 ertheilt hatte. (Val.
Arndt, Verordnungsrecht, S. 51.)
3. Artikel 8 der Reichsverfassung beschränkt die Freiheit des Präsidiums
bei Bildung des Bundesrathsausschusses für das Heer und die Festungen und schuf
einen besonderen Ausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten unter Bayerns
Vorsitz (vgl. hierzu Delbruück in den Sten. Ber. des Reichstages, II. außerordentl.
Session 1870, S. 69).
4. In der Reichsverfassung ist Absatz 2 zum Artikel 11 der Bundesverfassung
hinzugefügt, um das Recht des Präsidiums zur Erklärung des Krieges von der
Zustimmung des Bundesrathes abhängig zu machen, „es sei denn, daß ein Angriff
auf das Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt.“
5. Artikel 19 der Verfassung des Norddeutschen Bundes gab dem Bundes-
feldherrn die Befugniß, in Betreff militärischer Leistungen, wenn Gefahr im Ver-
zuge, die Bundesexecution anzuordnen und zu vollziehen. Nach Artikel 19 der
Reichsverfassung kann die Execution auch in einem solchen Falle nur vom Bundes-
rathe beschlossen werden.
6. Noch mehr als durch diese besonderen Vorschriften ist die Stellung des
Präsidiums durch die Sonderrechte geschmälert, welche die Verfassung des
Deutschen Reiches den süddeutschen Staaten, vor allem dem Königreiche Bayern,
eingeräumt oder belassen hat. Daß die Reichsverfassung einen mehr föderativen
Charakter als die Verfassung des Norddeutschen Bundes trägt, hat auch Delbrück
in den Sten. Ber. des Reichstages, II. außerordentl. Session 1870, S. 69, aus-
drücklich ausgesprochen.
Gehen wir nun über zum Inhalt der Rechte, welche der deutsche Kaiser hat,
so ist Laband der Ansicht (Reichsstaatsrecht, 1, S. 189), daß das Recht auf die
kaiserliche Stellung ein Recht Preußens, daß dagegen der Inhalt der keaiserlichen
Rechte nicht Rechte Preußens, sondern des Reiches seien. Er fügt hinzu: „Da die
einzelnen deutschen Staaten und ihre Landesherren der Souveränetät des Reiches
unterworfen sind, so sind sie auch dem Kaiser als dem verfassungsmäßigen Willens-
organ des Reiches untergeordnet; zwar nicht dem Kaiser als physischer Person,
sondern begrifflich und dem Reiche als ideeller und juristischer Person; wirksam
wird diese Unterordnung aber gegenüber dem Reiche insofern, als er einen be-
deutenden Theil der dem Deutschen Reiche zustehenden Hoheitsrechte handhabt und
verwaltet.“"
Seydel a. a. O. führt in seinem Comm., 2. Aufl., S. 126 f. aus: „Das
Bundespräsidium als solches übt nicht, wie die Souveräne im Bundesrathe, eigene
und ursprüngliche, sondern abgeleitete Rechte aus. Es handelt „im Namen des
Reiches". Der Kaiser ist, um nur ein Beispiel anzuführen, als solcher nicht In-
haber der Militärhoheit, sondern Feldherr der Reichstruppen, Feldherr des Bundes.
So ergiebt sich denn für das Bundespräsidium eine rechtliche Stellung, die von
der Stellung des Bundesrathes ganz verschieden ist. Der Kaiser ist recht eigentlich
Repräsentant der verbündeten Souveräne: er erklärt nicht, wie der Bundesrath,
deren Willen, sondern er erklärt seinen Willen als den ihrigen; er handelt nicht
auf Befehl der verbündeten Regierungen, aber er handelt im Namen der ver-
bündeten Regierungen. — — Der Kaiser befiehlt, aber er befiehlt im Namen
der verbündeten Regierungen. Der Kaiser als solcher ist daher nie und nirgends
Träger (Inhaber) der Bundesgewalt oder gar einer Staatsgewalt, auch in
Elsaß-Lothringen und in den Schutzgebieten nicht; er ist überall nur Ausüber
dieser Gewalten.“ Der Kaiser wird hiernach durch Seydel als der Collectiv=
mandatar der verbündeten Regierungen bezeichnet.