82 Drittes Buch. Die Organisation des Deutschen Reiches.
sie ausdrücklich ausgesprochen wäre, und drittens folgt aus dem Satze in Art. 17
der Reichsverfassung, daß der Reichskanzler durch die Gegenzeichnung der Anord-
nungen und Verfügungen des Kaisers die Verantwortlichkeit übernimmt, die Un-
verantwortlichkeit des Kaisers: diese wurde bei den Berathungen über den Antrag
von Bennigsen (Drucksachen des verfassungberathenden norddeutschen Reichs-
tages 1867, S. 56, und Sten. Ber. S. 103) am 19. und 20. März 1867 als
selbstverständlich angenommen (s. auch Sten. Ber. des verfassungberathenden nord-
deutschen Reichstages 1867, S. 359 f. und 387 ff., desgl. v. Rönne, Reichsstaats-
recht I. S. 226). Der Kaiser kann für Regierungs= und Privathandlungen nicht
zur Rechenschaft gezogen werden. Die Sacrofanctheit des Kaisers drückt sich auch
in einem erhöhten strafrechtlichen Schutz seiner Person aus. Der Mord und der
Mordversuch am Kaiser wird nach § 80 des Strafgesetzbuches mit dem Tode,
Thätlichkeiten gegen den Kaiser nach § 94 Str.-G.-B. mit lebenslänglichem Zucht-
haus oder lebenslänglicher Festungshaft, in minder schweren Fällen mit Zuchthaus
oder mit Festungshaft nicht unter fünf Jahren bestraft; endlich wird die Beleidigung
des Kaisers nach § 95 Str.-G.-B. mit Gefängniß oder Festungshaft von zwei
Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, auch kann neben der Gefängnißstrafe auf
Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen her-
vorgegangenen Rechte erkannt werden. Das Wesentliche dieser Strafbedingungen ist,
daß sie zur Geltung kommen, auch wenn die Handlung außerhalb Preußens im
Gebiete des Deutschen Reiches begangen ist.
Die Bezeichnung heißt „Deutscher Kaiser“, nicht „Kaiser von Deutschland“,
um anzudeuten, daß die sachenrechtliche Beziehung fehlt, ähnlich wie man „roi des
Belges“ und nicht „roi de Belgique“ sagt. Der Titel wird nach dem Inhalte der
Proclamation (s. oben) vom Könige von Preußen nur in den Beziehungen und
Angelegenheiten des Deutschen Reiches, also nicht in den rein preußischen Angelegen-
heiten geführt. Kaiser ist der Ehrentitel, unter welchem der König von Preußen
die Präsidialrechte des Deutschen Reiches ausübt. Es drückt das Wort weder ein
Amt, noch eine Macht aus. Der Kaiser ist nicht „Souverän“, noch „Beamter“,
noch „Präsident“, noch „Vorstand“, noch „Director“ des Deutschen Reiches, es ist
die Titulatur des Königs von Preußen in Reichsangelegenheiten als des Königs
des Hegemonialstaates.
Als deutscher Kaiser führt der König von Preußen die Kaiserliche Krone,
das Kaiserliche Wappen und die Kaiserliche Standarte. Das Keiser-
liche Wappen ist der schwarze, einköpfige, nach rechtssehende Adler mit rothem
Schnabel, Zunge und Klauen, ohne Scepter und Reichsapfel, auf dem Brustschilde
den mit dem Hohenzollern-Schilde belegten Preußischen Adler, über demselben die
Krone in der Form der Krone Karls des Großen, jedoch mit zwei sich kreuzenden
Bügeln. (Vgl. den Kaiserlichen Erlaß vom 3. August 1871, f. R.-G.-Bl. 1871,
S. 318 und die Berichtigung dazu auf S. 458, und über die Beschreibung und
Abbildung des deutschen Reichsadlers im Reichsanzeiger 1872 die Beilage zu
Nr. 12; s. auch v. Rönne, Reichsstaatsrecht, 1, S. 45.) Der Kaiserliche Adler
kann von allen deutschen Fabrikanten:, jedoch nicht in der Form eines Wappen-
schildes, zur Bezeichnung von Waaren oder auf Etiketten gebraucht werden.
(Kaiserlicher Erlaß vom 16. März und Bekanntmachung des Reichskanzlers vom
11. April 1872 im R.-G.-Bl. 1872, S. 90 und 93.) Nicht kann er in anderer
Weise, z. B. als Zeichen erhaltener Patente oder zur Bezeichnung von Geschäfts-
räumen, gebraucht werden (Erk. des Oberverwaltungsgerichts vom 27. Febr. 1893,
Entsch. Bd. XXIV, S. 308 ff.). Wer unbefugt die Abbildung des Kaiserlichen
Wappens gebraucht, ist strafbar aus § 360, Ziff. 7 des Reichsstrafgesetzbuches.
Die Kaiserliche Standarte soll in gelbem Grunde das eiserne Kreuz, belegt mit dem
Kaiserlichen, von der Kette des schwarzen Adler-Ordens umgebenen Wappen im
gelben Felde und in den vier Eckfeldern des Fahnentuchs abwechselnd den Kaiser-
1 Außerdeutsche Fabrikanten oder deutsche Händler, die nicht Fabrikanten sind, haben also
nicht dieses Recht.