Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

92 Drittes Buch. Die Organisation des Deutschen Reiches. 
Wie jeder Gesandte und die Mitglieder des ehemaligen Bundestages haben 
auch die Bundesrathsbevollmächtigten ihre Vollmacht vorzulegen. Der Staat, bei 
dem sie beglaubigt werden, hat die Vollmacht in formaler Hinsicht zu prüfen. 
Nach dem Rechte des ehemaligen deutschen Bundes mußte sich der Bevollmächtigte 
durch Ueberreichung seiner Vollmacht beim Präsidium gehörig legitimiren. Erst 
nachdem dies geschehen und die Vollmacht von der Bundesversammlung als in 
Ordnung anerkannt war, durfte er an den Berathungen und Beschlußfassungen des 
Bundesraths theilnehmen (Zachariä, Deutsches Staats= und Bundesrecht, II, 
§ 256, S. 679). Das Gleiche muß auch trotz des Schweigens der Reichsverfassung 
in Ansehung der Bundesrathsmitglieder gelten. Diese haben ihre Vollmacht in 
authentischer Form beim Vorsitzenden des Bundesraths einzureichen, und der 
Bundesrath entscheidet darüber, ob die Vollmacht in Ordnung ist, also darüber, 
ob sie dem Heimathsrechte des Mitgliedes entspricht, ob fie die nach diesem Rechte 
nothwendige Gegenzeichnung trägt, und ob der Aussteller als der zur Vertretung 
des Staates Befugte anzusehen ist. (Ebenso Seydel in v. Holtzendorff's 
Jahrbuch, III, S. 276 ff., Laband, 1, S. 217, v. Rönne, Reichsstaatsrecht, J, 
| 22, S. 204, Zorn, Reichsstaatsrecht, I. S. 158, G. Meyer, Staatsrecht, 
123.) Wie der ehemalige Bundestag die vom Könige Christian K. von 
Dänemark für Holstein bestellte Vertretung nicht anerkannte (s. oben S. 25), 
so ist auch der Bundesrath befugt, Bevollmächtigte zurückzuweisen, wenn er der 
Ansicht ist, daß der Aussteller der Vollmacht nicht der Landesherr oder, wenn es 
ein Anderer ist, nicht berechtigt ist, Namens des Landesherrn eine solche Vollmacht 
auszustellen. Insoweit entscheidet der Bundesrath, allerdings nur implicite und 
indirect, über Thronfolgerecht, Regentschaft und Stellvertretung des Monarchen in 
den einzelnen Bundesstaaten. 
Die Bevollmächtigten vom ehemaligen Bundestage waren nach Artikel 8 der 
Wiener Schlußacte „von ihren Comittenten unbedingt abhängig und diesen allein 
wegen getreuer Befolgung der ihnen ertheilten Instructionen, sowie wegen ihrer Ge- 
schäftsführung überhaupt verantwortlich". Weder dem Präsidium, so bemerkt 
Zachariä, Deutsches Staats= und Bundesrecht, II, § 256, S. 679, noch der 
Bundesversammlung stand daher irgend eine oberaufsichtliche oder richterliche Ge- 
walt über die Bundestagsgesandten zu. Auch Rügen oder Verweise waren dadurch 
ausgeschlossen, und die Herbeiführung einer Abberufung blieb der diplomatischen 
Einwirkung überlassen. Ob und wann ein Gesandter von seiner Regierung In- 
struction einzuholen hatte, hing lediglich von den ihm gegebenen Anweisungen ab. 
Dies Alles muß gleichfalls von den Bundesrathsbevollmächtigten gelten (vgl. auch 
Eliemke, Die staatsrechtliche Natur und Stellung des Bundesraths, Berlin 1894, 
S. 21). 
Im Verhältnisse zur Bundesversammlung kam der Inhalt der Instruction 
nicht in Betracht (Zachariä, II, S. 680), sondern nur die überreichte Vollmacht. 
Keine Regierung, so fügt Zachariä l.c. hinzu, kann daher einen Bundesbeschluß 
für ungültig oder für sie unverbindlich erklären, weil ihr Gesandter ohne oder 
gegen Instruction gestimmt habe. Alles dies gilt gleichfalls für die Bundes- 
rathsmitglieder (s. oben, ebenso Seydel, Commentar, S. 138, Laband, I, 
S. 217, Thudichum, Verfassungsrecht des Norddeutschen Bundes, S. 102, 
G. Meyer, Staatsrecht, § 123, u. s. w.). Die Bevollmächtigung zum Bundes- 
rathsmitglied erhält die Ermächtigung, den bevollmächtigenden Staat im Bundes- 
rath zu vertreten und mit Rechtswirksamkeit den Vollmachtgeber verpflichtende 
Erklärungen im Bundesrath abzugeben. Die Ermächtigung ist nach außen hin 
und Dritten gegenüber nicht beschränkt und nicht beschränkbar. 
Sie umfaßt daher auch alle Sonder= und Mitgliedschaftsrechte des ermächtigenden 
Staates (ebenso Laband, I, S. 108, 217, Seydel u. A. m.). 
Erklärt ein Bundesrathsmitglied, keine Instruction erhalten zu haben und 
deshalb an der Beschlußfassung nicht theilnehmen zu können, so gilt dasselbe, als 
wenn es fehlt oder ein gehörig legitimirter Bevollmächtiger zum Bundesrath für 
den betreffenden Staat nicht bestellt ist, nämlich, daß die Stimme nicht gezählt 
wird. Denn in Artikel 7, Abs. 3 der Reichsverfassung wird vorgeschrieben: „Nicht 
  
 
	        
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