Full text: Der erste Geschichtsunterricht.

I — 14 — 
harte Schlag mit dem Korporalsstocke nötig. Die härteste Strafe war das 
Spießrutenlaufen. Hierbei wurden 200 Soldaten in zwei Reihen aufgestellt; 
jeder erhielt eine Rute. Dann mußte der Sträfling 4—mal mit entblößtem 
Rücken durch die Gasse gehen, und jeder Soldat war verfpflichtet, ihm einen 
Schlag auf den Rücken zu geben. 
4. Sparsamkeit. Um für seine Armee Geld zu haben, sparte der König 
in allen anderen Dingen. Gleich bei seinem Regierungsantritt ließ er sich die 
Liste der Hofbeamten seines Vaters vorlegen, machte einen dicken Strich durch 
die Liste und rief: „Können sich davon scheren, brauche sie nicht.“ Von den 
100 Kammerherren seines Vaters behielt er nur zwölf. Die Gehälter vieler 
Beamten wurden herabgesetzt. An seinem Hofe lebte man so einfach wie in 
einem Bürgerhause. Nur vier Gerichte durften auf dem Tische erscheinen, und 
teure, ausländische Speisen strich er stets auf dem Küchenzettel aus. 
5. Hrbeitlamkeit. Der König arbeitete von früh bis spät und forderte 
dies auch von allen seinen Beamten. Wehe, wenn einer von ihnen seine 
Schuldigkeit nicht tat! 
Als er eines Morgens nach Potsdam kam, sah er, daß die Bauern draußen vor dem 
Tore warten mußten, da das Tor noch verschlossen war. Sofort trat er in die Wohnung 
des Torschreibers, öffnete die Tür zur Schlafkammer und sagte: „Guten Morgen, Herr 
Torschreiber!“ Mit diesen Worten erhob er sogleich seinen Krückstock und prügelte den 
Torschreiber höchst eigenhändig aus dem Bette heraus. 
Tagediebe und Müßiggänger waren ihm besonders zuwider. Sah er irgendwo 
einen Arbeiter auf dem Felde oder bei einem Baue müßig stehen, so gebrauchte 
er ohne weiteres seinen Knotenstock. Wer den König kommen sah, lief davon 
oder arbeitete mit doppeltem Eifer. 
Einst holte er einen solchen Flüchtling ein. Auf die Frage, warum er davon ge- 
laufen sei, antwortete der Flüchtling: „Weil ich mich vor Ew. Mojestät fürchte.“ Da 
geriet der König in Zorn. „Ihr sollt mich nicht fürchten, ihr sollt mich lieben!“ rief er 
ihm zu und zerbleute ihm dabei mit seinem Knotenstocke den Rücken. 
6. Cabakskollegium. Seine einzige Erholung suchte und fand der König im 
Tabakskollegium. Er versammelte nämlich fast jeden Abend von 5—7 Uhr eine Anzahl 
Generale und Minister um sich und unterhielt sich zwanglos und heiter mit ihnen. Oft 
benutzten diese und auch fremde Gesandten die gute Laune des Königs, um wichtige 
Staatsangelegenheiten mit ihm zu besprechen. Alle Hossitte wurde hier beiseite gesetzt; 
der König galt nur als Oberst, und niemand durfte sich erheben, wenn er kam, noch wenn 
er ging. Er selber rauchte gern; wer von den Gästen diese Leidenschaft nicht teilte, wie 
der alte Dessauer, nahm wenigstens zum Schein eine Pfeise in den Mund; denn der 
König freute sich, wenn alle rauchten. Bediente waren nie zugegen. Vor jedem Gaste 
stand ein Krug Bier, und auf einem Nebentische fand man Butter, Brot, Braten und 
Schinken, wovon jeder nach Belieben nehmen konnte. 
7. Sorge für die Schule. Um die Bildung des Volkes zu erhöhen, 
legte er über 1800 Landschulen an. 
Einmal erschien er plötzlich in einem Dorfe bei Küstrin, um die Schule zu besuchen. 
Es war Nachmittag. Der Lehrer begoß gerade seine Blumen im Garten. Da rief ihm 
der König zu: „Er soll mir eine Stunde halten mit seinen Jungen, will mal die Bengel 
arbeiten sehen.“ Die Kinder wurden sofort zusammengerufen. Sie erschienen zum Teil 
in Hemdsärmeln und barfuß in der Schule. Der König gab Befehl zum Beginn der 
Prüfung. Die Kinder machten ihre Sache gut, und mehr als einmal nickte der König 
beifällig mit dem Kopfe. Als er dann selber einige Aufgaben rechnen ließ, zeichnete sich 
ein kleiner Knabe ganz besonders aus. Der König schenkte ihm zwei Dukaten und ließ 
ihn später im Waisenhause zu Potsdam erziehen.
	        
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