— 25 — I
ergaben sich die Festungen Erfurt, Spandau u. a., und nach wenig Tagen konnte
Napoleon ungehindert in Berlin einziehen. Es war schmachvoll.
4. Treue. In dieser trüben Zeit fehlte es aber auch nicht an Männern,
die ihrem Vaterlande treu blieben und sich vor dem gewaltigen Sieger nicht
beugten. Als der Kommandant von Graudenz aufgefordert wurde, sich zu er—
geben, weil es keinen König von Preußen mehr gebe, ließ er antworten: „Nun,
so gibt es doch noch einen König von Graudenz.“ Der Kommandant von Pillau
versammelte alle seine Offiziere, stellte einen Sarg in ihre Mitte und sagte:
„Kameraden, lebendig übergebe ich diese Festung nicht. Hier ist mein Sarg.
Wer mich überlebt, lege meine Gebeine da hinein. Wer es nun mit mir hält,
der schwöre: Preußen oder Tod!“ Alle schwuren und Pillau wurde gerettet.
Auch die Festung Kolberg wurde durch Schill, Nettelbeck und Gneisenau so wacker
verteidigt, daß sie von den Franzosen nicht genommen werden konnte.
Schill hatte in Kolberg ein Freikorps errichtet, das dem Feinde oft übel mitspielte.
Einmal hatte er vier Pferde erbeutet, die für Napoleon selbst bestimmt waren. Napoleon
erbot sich in einem Briefe, ihm für jedes Pferd 1000 Taler zu zahlen. Der Brief trug
die Aufschrift: „An den Räuberhauptmann Schill.“ Darauf antwortete der wackere
Krieger: „Mein Herr Bruder! Daß ich Ihnen vier Pferde genommen, macht mir um so
mehr Vergnügen, da ich aus Ihrem Briefe ersehe, daß Sie einen so hohen Wert darauf
setzen. Gegen die angebotenen 4000 Taler kann ich sie nicht zurückgeben. Wollen Sie
aber die vier Pferde zurückgeben, die Sie vom Brandenburger Tore in Berlin gestohlen
haben, so stehen Ihnen die ihrigen unentgeltlich zu Diensten. Schill.“
Nettelbeck war ein Bürger in Kolberg. Er war früher Seemann gewesen und
damals bald 70 Jahre alt. Auf sein Bittgesuch an den König erhielt die Festung den Obersten
Gneisenau zum Befehlshaber. Er wurde dessen Ratgeber. Überall stand er an der Spitze,
half bei der Befestigung der Stadt, machte Ausfälle mit und gab sein ganzes Vermögen
her, um die Soldaten während der Belagerung zu verpflegen. (Gneisenau s. S. 32))
c. Blücher.
Der Bravste aller Braven jener Zeit aber war Leberecht Blücher. Dieser
Held wurde 1742 zu Rostock in Mecklenburg geboren. Sein Vater war Guts-
besitzer. Im Alter von 14 Jahren kam Leberecht zu Verwandten nach der Insel
Rügen, um dort die Landwirtschaft zu erlernen. Die Insel Rügen gehörte da-
mals noch zu Schweden. Bei Beginn des Siebenjährigen Krieges rüstete man
gegen Preußen, und bei dieser Gelegenheit bekam der junge Blücher zum ersten-
mal Husaren zu sehen. Der Anblick der schmucken Soldaten machte auf ihn
einen so gewaltigen Eindruck, daß er fortan keinen anderen Wunsch hatte, als
auch Husar zu werden. Seine Verwandten wollten aber von solchen Plänen
nichts hören. Da ging er heimlich davon und ließ sich bei den Schweden an-
werben. Doch trat er nach zwei Jahren in das preußische Heer ein.
Einmal nämlich nahm der Junker Blücher an einem Streifzuge teil. Die Schweden
gerieten mit den Preußen zusammen, wurden aber bald zurückgedrängt. Der Junker
Blücher zeigte sich im höchsten Grade übermütig. Immer sprengte er gegen die Preußen
an, neckte, schalt und drohte ohne Aufhören. Das verdroß endlich einen von den preußischen
Husaren. „Wart, Bübel, ich will di schon schlachte,“ rief er und sprengte auf Blücher
ein. Dieser wandte schnell sein Pferd, doch er kam nicht weit. Sein Roß wurde von
einer Kugel getroffen und stürzte unter ihm zusammen. Noch ehe Blücher sich aufgerafft
hatte, fühlte er eine kräftige Faust im Nacken. Der baumstarke Preuße nahm den kleinen
Junker vor sich auf den Sattel und jagte mit ihm davon. Der Oberst des Regiments
fand Gefallen an dem kecken Jünglinge und bewog ihn, in preußische Dienste zu treten.