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es dann sehr heiter herging und er den einen oder anderen auf den Knieen
reiten ließ.
Herzinnig verkehrt die Kaiserin mit ihren Kindern. Solange sie noch im
Elternhause weilten, war sie stets in ihrer Mitte und nahm an allen ihren
Freuden und Leiden den herzlichsten Anteil. Darum ist es für die Prinzen, die
jetzt sämtlich das kaiserliche Haus verlassen haben, die größte Freude, in die
Arme ihrer geliebten Mutter zurückzukehren.
8. Regierungsantritt. Am 15. Juni 1888, dem Todestage seines edeln
Vaters, bestieg Wilhelm II. den deutschen Kaiserthron. Wie sehr ihm des Volkes
Wohl am Herzen liegt, davon zeugt sein Erlaß „An mein Volk“, worin er sagt:
„Auf den Thron Meiner Väter berufen, habe Ich die Regierung im Aufblicke zu dem
Könige aller Könige übernommen und Gott gelobt, nach dem Beispiele Meiner Väter
Meinem Volke ein gerechter und milder Fürst zu sein, Frömmigkeit und Gottesfurcht zu
pflegen, den Frieden zu schirmen, die Wohlfahrt des Landes zu fördern, den Armen und
Bedrängten ein Helfer, dem Rechte ein treuer Wächter zu sein.“
Einige Tage später versammelten sich um den jungen Kaiser die Abgeordneten
des deutschen Volkes und die deutschen Bundesfürsten, um zu zeigen, daß sie alle
einig und fest zusammenhalten wollten zu des Deutschen Reiches Wohl.
9. Sorge für Erbaltung des Frieckens. Bald nach seiner Thron-
besteigung hat der Kaiser verkündet: „Ich bin entschlossen, Frieden zu halten mit
jedermann, soviel an mir liegt.“ Bis heute haben seine Bemühungen um Er-
haltung des Friedens Erfolg gehabt. Als Hort des Friedens soll auch das
Bündnis dienen, das Deutschland, Osterreich und Italien miteinander geschlossen
haben.
Wer aber den Frieden will, muß auf den Krieg gerüstet sein. Darum
verbessert und übt der Kaiser unablässig sein Heer. Oft ist er auf den Exerzier-
plätzen und im Manöver, um sich von den Leistungen der Truppen zu über-
zeugen. Ganz besonders sorgt er auch für die Kriegsflotte. Diese soll im
Frieden unsere Handelsschiffe auf dem Meere schützen und im Kriege unsere
Küsten verteidigen. An die Spitze der Flotte hat der Kaiser seinen Bruder, den
Prinzen Heinrich, gestellt und auch seinen Sohn, den Prinzen Adalbert, als
Offizier in die Marine eintreten lassen.
Lebensweise des Kailsers. Unser Kaiser wohnt im Sommer meist
im Neuen Palais in Potsdam, in den Wintermonaten im Kaiserlichen Schlosse
zu Berlin. Die purpurne Kaiserstandarte auf der Zinne des Schlosses zeigt den
Bewohnern an, daß der Herrscher da ist.
Früh beginnt der Kaiser sein Tagewerk. Sofort nach dem Aufstehen zieht
er seinen Soldatenrock an. Schlafröcke tragen die Hohenzollern nicht. In den
Gemächern der Kaiserin wird das erste Frühstück eingenommen. Dann begibt
sich der Kaiser in sein Zimmer, wo eine Fülle von Arbeit seiner wartet. Gehen
doch täglich allein 300—400 Schriftstücke ein. Mit seinem Adjutanten bespricht
der Kaiser die genaue Einteilung des Tages, wann Wagen zur Stelle sein sollen,
welche Besuche vorzulassen sind u. dergl. Inzwischen hat sich die Kaiserin zu
einer Ausfahrt angekleidet und holt ihren Gemahl dazu ab. In stiller Wald-
einsamkeit ergeht sich das hohe Paar ½ Stündchen und schöpft Kraft zu neuer
Arbeit. Nach der Spazierfahrt hört der Kaiser die Vorträge der Minister und