Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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recht an Werken der Literatur und der Tonkunst 
und das Verlagsrecht vom 19. Juni 1901 und 
an Werken der bildenden Künste und der Photo- 
graphie vom 9. Jan. 1907 mit der Berner Über- 
einkunft). 
Druckschriften können sowohl in einzelnen 
Exemplaren zur Erlangung von Beweismitteln 
für die durch die Druckschrift begangenen straf- 
baren Handlungen oder andern Delikte als auch 
in der ganzen Auflage zum Zweck der Einziehung 
der Druckschrift beschlagnahmt werden. Die Be- 
schlagnahme wegen einer nicht durch die Druck- 
schrift begangenen Ubertretung erfolgt nach der 
Strasprozeßordnung und hat keine Besonder- 
heiten; die Beschlagnahme wegen eines Preß- 
delikts untersteht dem Reichspreßgesetz vom 7. Mai 
1874. Nach diesem ist die Beschlagnahme einer 
Druckschrift erst zulässig, wenn durch deren Aus- 
gabe oder Verbreitung eine Straftat begangen 
worden ist; sie ist auch dann nur durch richterliche 
Anordnung zulässig. Doch kann sie ohne richter- 
liche Anordnung erfolgen wegen bestimmter Ver- 
stöße gegen das Preßgesetz, wegen verbotswidriger 
Verbreitung militärischer Nachrichten, wegen Auf- 
forderung zum Hochverrat, Beleidigung des 
Kaisers oder Landesherrn, unzüchtiger Mittei- 
lungen, dringender gefahrdrohender Aufforderung 
oder Anreizung zu Verbrechen oder Vergehen. Die 
Beschlagnahme kann in diesen Fällen von der 
Staatsanwaltschaft und von jedem Polizeibeamten, 
nicht bloß von den staatsanwaltschaftlichen Hilfs- 
beamten, ausgeführt werden. Dieselbe bedarf aber 
der richterlichen Bestätigung. Hat die Polizei- 
behörde die Beschlagnahme ohne Anordnung der 
Staatsanwaltschaft verfügt, so muß sie die Ver- 
handlungen spätestens binnen zwölf Stunden an 
diese absenden. Hebt die Staatsanwaltschaft die- 
selbe nicht mittels sofort vollstreckbarer Verfügung 
auf, so hat sie binnen zwölf Stunden die gericht- 
liche Entscheidung zu beantragen. Das Gericht 
hat seine Entscheidung binnen 24 Stunden nach 
Empfang des Antrags zu treffen. Ist nicht bis 
zum Ablauf des fünften Tages nach der Beschlag- 
nahmeanordnung der bestätigende Gerichtsbeschluß 
der beschlagnehmenden Behörde zugegangen, so ist 
die Beschlagnahme erloschen und muß die Frei- 
gabe der Druckschrift erfolgen. Zuständig zur Be- 
schlagnahme sind die Beamten des Orts, in welchem 
sich zu beschlagnehmende Exemplare der Druck- 
schrift befinden, sowie die Behörden des Wohn- 
sitzes der für die Herstellung und den Vertrieb der 
Druckschrift nach dem Preßgesetz verantwortlichen 
Personen (Redakteur, Verleger, Drucker, Ver- 
breiter). Sofern sich an diesem Ort die zur Ver- 
vielfältigung dienenden Platten und Formen be- 
finden, ist der Beamte auch zu deren Beschlag- 
nahme befugt. Zur Bestätigung oder Aufhebung 
der vorläufigen Beschlagnahme ist vor der Er- 
hebung der Strafklage das Amtsgericht des Be- 
schlagnahmeorts, nach derselben das in der Haupt- 
sache entscheidende Gericht, nicht etwa der Unter- 
Beschlagnahme. 
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suchungsrichter, zuständig. Gegen dessen auf- 
hebenden Beschluß ist kein Rechtsmittel, gegen 
seinen die Beschlagnahme bestätigenden Beschluß 
ist die Beschwerde gegeben. Jede Beschlagnahme 
von Druckschriften, die gerichtliche wie die poli- 
zeiliche, trifft die Exemplare nur da, wo sie sich 
zum Zweck der Verbreitung befinden; bei Druck- 
chriften im engeren Sinn hat auf Antrag des Be- 
teiligten statt der Beschlagnahme des Satzes dessen 
Ablegen zu geschehen. Die die Beschlagnahme ver- 
anlassenden Stellen einer Schrift sind unter An- 
führung der verletzten Gesetze zu bezeichnen. Ist 
die Bezeichnung unterblieben, so ist der vollstän- 
dige Wiederabdruck der Schrift zulässig. Andern- 
falls ist während der Dauer der Beschlagnahme 
die Verbreitung oder der Wiederabdruck der Schrift 
mit den bezüglichen Stellen bei Geldstrafe bis zu 
500 M oder Gefängnis bis zu 6 Monaten ver- 
boten. Die in den Privatbesitz einzelner Personen 
oder einer geschlossenen Gesellschaft übergegangenen 
Exemplare einer beschlagnahmten Druckschrift wer- 
den von dieser nicht betroffen. Erfolgt eine Ver- 
urteilung wegen des Inhalts einer beschlagnahmten 
Druckschrift, so ist deren Unbrauchbarmachung 
auszusprechen. Wird das Verfahren eingestellt, 
oder wird der Angeklagte freigesprochen, oder wird 
im Fall der Unausführbarkeit der Strafverfolgung 
einer Person das Verfahren wegen der Einziehung 
der Druckschrift nicht durchgeführt (sog. objektives 
Strafverfahren), so gilt die Beschlagnahme als 
aufgehoben. 
Eine Beschlagnahme einzelner Gegenstände zur 
Deckung der den Angeschuldigten möglicherweise 
treffenden höchsten Geldstrafe und der Kosten 
des Verfahrens, und insoweit durch eine solche 
Maßregel eine Deckung nicht ausreichend erscheint, 
des ganzen im Deutschen Reich befindlichen Ver- 
mögens bes Angeschuldigten läßt die deutsche Straf- 
prozeßordnung in Art. 325 und 326 zu. Zur Er- 
zwingung der Gestellung des abwesenden An- 
geschuldigten kann in allen Strafkammersachen, 
wenn der Erlaß eines Haftbefehls gerechtfertigt 
sein würde, nach Erhebung der öffentlichen Klage 
das ganze Vermögen des Abwesenden durch Be- 
schluß des Gerichts beschlagnahmt werden. Die 
« Beschlagnahme und ihre Aufhebung ist im Reichs- 
anzeiger bekannt zu machen. Durch die Beschlag- 
nahme verliert der Angeschuldigte das Recht, über 
sein Vermögen unter Lebenden zu verfügen. 
Sein Vermögen erhält einen Abnesinheilsfleger 
(Art. 332). Auch das Vermögen derjenigen, 
welche sich dem Eintritt in den Militärdienst durch 
Verlassen des Reichsgebiets entziehen, kann in- 
soweit, als es zur Deckung von Strafe und Kosten 
erforderlich ist, mit Beschlag belegt werden, eine 
Ermächtigung, von der ebenso häufig als erfolglos 
Gebrauch gemacht wird (St. G.B. 8 186). 
Bei Zuwiderhandlungen gegen die Ein-, Aus- 
oder Durchfuhrverbote sowie gegen die 
Vorschriften wegen Erhebung der Zölle und der 
indirekten Reichs= und Landesabgaben sind die 
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