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unter dem ausdrücklichen Vorbehalt ihrer Rechte
für die Zukunft, versprachen, während des Kriegs
mit Rußland keine Kaperschiffe auszurüsten und
die völlige Freiheit des neutralen Frachtverkehrs
anzuerkennen. Die seerechtliche Deklaration des
Pariser Friedens vom 16. April 1856 schaffte
dann auch die Kaperei ab und sprach den Rechts-
grundsatz aus, daß feindliches Gut auf neutralen
Schiffen und neutrales Gutauf feindlichen Schiffen
frei sei; derselben fehlt aber die wichtige Garantie,
welche Art. III des Neutralitätsbündnisses von
1800 in betreff der Ausübung des Durchsuchungs-
rechts eingeführt hatte; es fehlen außerdem die
Präzisierungen der Begriffe Blockade und Kriegs-
konterbande, über welche damals gleichfalls eine
Einigung erzielt worden war. Der Pariser
Deklaration sind sämtliche Mächte Europas
und Amerikas beigetreten, mit Ausnahme Spa-
niens, der Vereinigten Staaten und Mexikos,
die noch Kaperbriefe erteilen. Der damalige
Minister des Auswärtigen in den Vereinigten
Staaten, March, motivierte den Nichtbeitritt der
amerikanischen Regierung damit, weil nicht
der bereits 1823 von Quincy Adams namens der
Union vertretene Grundsatz, daß alles feindliche
Privateigentum zur See in gleicher Weise wie
das Privateigentum im Landkrieg unverletzlich
sei, zur Geltung gelangt war. Ohne die An-
erkennung dieses Grundsatzes aber war der Ver-
zicht auf die Kaperei Amerika bedenklich. Der
Annahme dieses Grundsatzes widersetzte sich wie
1823 so auch jetzt England, in dessen Parlaments-
reden und Zeitungen der Gedanke wiederkehrte,
daß es mit der Macht und dem Reichtum Eng-
lands zu Ende gehe, sobald die Regierung auf
das gegen feindliches Eigentum zur See bisher
geübte Beutesystem verzichten würde. Der deutsche
Handelsstand trat am 2. Dez. 1859 zu Bremen
für das Prinzip der Unverletzlichkeit des feind-
lichen Privateigentums zur See ein; dessen Be-
schluß blieb nicht ohne lebhaften Widerhall in
dem Handelsstand der ganzen gebildeten Welt.
Auch englische Handelskammern und eine von
diesen an Lord Palmerston abgesandte Deputation
erachteten die Anerkennung dieses Prinzips für
vereinbar mit den Interessen Englands. Lord
Palmerston verabschiedete aber diese Deputation
mit der Bemerkung: der Krieg sei unzweifelhaft
ein großes Übel; aber er sei unter Umständen
durch die Selbsterhaltung geboten, und eine See-
macht wie England könne auf kein Mittel ver-
zichten, welches ihr zu Gebote stehe, um den
Feind zur See zu schwächen. — OÖsterreich und
Preußen anerkannten 1866 die Unverletzlichkeit
der Person und des Eigentums im Seekrieg,
und Deutschland hat 1870 in dem Krieg gegen
Frankreich das Prinzip der Freiheit des feind-
lichen Eigentums zur See auch dann noch eine
Zeitlang gewissenhaft befolgt, als dasselbe von
seiten Frankreichs wiederholt verletzt worden war.
— Rußland regte auf dem Brüsseler Staaten-
Durchsuchungsrecht.
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kongreß 1874 eine gemeinsame Feststellung der
seerechtlichen Grundsätze an, die jedoch England
verhinderte; dasselbe Rußland hat aber im türki-
schen Krieg 1877, obwohl die Türkei dem Brüsseler
Kongreß beitrat, türkische Handelsschiffe ver-
nichtet und ein deutsches Schiff an der japanischen
Küste angehalten. Auf der Friedenskonferenz zu
Haag 1899 stellte Nordamerika den Antrag, das
Privateigentum im Seekrieg der Wegnahme zu
entziehen. Der Antrag kam nicht zur Erörterung.
Das Institut für Völkerrecht hat sich seit 1882
wiederholt mit der Reform des Seekriegsrechts
beschäftigt und in den Jahren 1882/87 auf Bul-
merincas Berichterstattung ein ausführliches inter-
nationales Prisenreglement ausgearbeitet, das den
Regierungen mitgeteilt worden ist. Von der zweiten
internationalen Friedenskonferenz im Haag von
1907, die sich auf Grund des Programms der
russischen Regierung mit dem Durchsuchungsrecht
befaßt und ein von ihr über verschiedene Fragen
des Beuterechts im Seekrieg getroffenes Abkom-
men der 44 auf ihr vertretenen Staaten zur An-
nahme empfohlen hat, sind nur einzelne Punkte
geregelt, als deren wichtigster die Errichtung eines
internationalen Prisenhofs im Haag als Rekurs-
instanz anzusehen ist. Zugleich hat die Konferenz
den Wunsch angeregt, die Ausarbeitung einer voll-
ständigen Seekriegsordnung in das Programm
der nächsten, etwa für 1915 einzuberufenden Kon-
ferenz aufzunehmen und bis dahin auf den See-
krieg soweit wie möglich die Grundsätze der Land-
kriegsordnung anzuwenden. Das Privateigentum
ist auf neutralen Schiffen geschützt.
Demungeachtet ist das Durchsuchungsrecht neu-
tralen Schiffen gegenüber anzuerkennen. Der
Neutrale, welcher einer der kriegführenden Mächte
Kriegskonterbande zuführt, mischt sich dadurch in
die Kriegführung ein, und ein neutrales Schiff,
welches einen Blockadebruch versucht, verletzt die
Pflichten der Neutralität; der Gegner muß daher
in der Lage sein, sich gegen einen derartigen
Völkerrechtsbruch zu schützen; er muß die Mittel
besitzen, die Bestimmung eines neutralen Schiffs
und das Vorhandensein von Kriegskonterbande
an Bord des Schiffs sestzustellen. Der Zweck
der Durchsuchung ist ein doppelter: zunächst die
Feststellung der Nationalität des Schiffes und
dann, wenn dieses ein neutrales ist, die Nach-
forschung danach, ob das Schiff Kriegskonter-
bande oder feindliches Staatseigentum an Bord
hat (seindliches Privateigentum ist durch die neu-
trale Flagge gedeckt), und ob es im Begriff ist,
nach einem blockierten Hafen zu gehen, oder ob
es von einem solchen kommt. — Was die Aus-
übung des Durchsuchungsrechts betrifft, so ist mit
H. B. Deane (The law of blockade) davon aus-
zugehen, daß wie das Recht eines Kriegführenden
den Neutralen Pflichten auferlegt, so auch um-
gekehrt die Berechtigung der Neutralen, mit fremden
Ländern Handel zu treiben, den Kriegführenden
die entsprechende Pflicht auferlegt, das Recht (law)