Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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gebenen Obersätzen an der Hand der Logik voll- 
ständig und systematisch die Konsequenzen abzu- 
leiten. In der Politik dagegen handelt es sich 
nicht um ein ein für allemal Gegebenes oder in- 
folge der geschichtlichen Entwicklung eines bestimm- 
ten Staatswesens fest Gewordenes, sondern um ein 
Bewegliches, um wechselnde Zwecke und die durch 
dieselben bedingten Mittel. In einem doppelten 
Sinn aber kann von wechselnden Zwecken die 
Rede sein. Man kann dabei an eine inhaltliche 
Veränderung der Aufgaben denken, welche durch 
die geschichtliche Entwicklung und den Fortschritt 
der Kultur den Trägern der staatlichen Autorität 
gestellt werden, oder aber an die wechselnden Um- 
stände, unter denen die gleichbleibenden Zwecke des 
Staats verwirklicht und die unentbehrlichen Vor- 
aussetzungen des staatlichen Lebens aufrecht er- 
halten werden müssen. Es ist schief und irreführend, 
von einem Machtzweck des Staats zu sprechen; 
denn die Macht als solche ist streng genommen 
nicht Zweck, sondern nur Mittel; richtig aber ist, 
daß Unabhängigkeit und Selbständigkeit und da- 
mit auch eine gewisse Machtstellung nach außen 
zu den notwendigen Bedingungen eines vollendeten 
Staatswesens gehören, deren Aufrechterhaltung 
somit unter die bleibenden Aufgaben der staatlichen 
Autorität fällt. Aber diese bleibende Aufgabe ge- 
staltet sich verschieden, je nach den besondern Ver- 
hältnissen des konkreten Staats und den Schwie- 
rigkeiten und Gefahren, welche im gegebenen Fall 
zu überwinden sind. Der eine bleibende Haupt- 
zweck tritt so in wechselnden Einzelzwecken in die 
Erscheinung, und es ist Sache der Politik, jedes- 
mal die für die Erfüllung derselben geeignetsten 
Mittel ausfindig zu machen. Hiernach kann man 
sagen: Politik im Sinn von Staatskunst oder 
Staatsklugheit ist die richtige Wahl der Mittel, 
durch welche jeweilig die Zwecke eines konkreten 
Staatswesens am besten realisiert werden; Politik 
als Wissenschaft die systematische und vollständige 
Erörterung der Gesichtspunkte, welche bei einer 
solchen Wahl in Betracht kommen. Es wird gut 
sein, dies noch etwas näher zu erläutern unter Be- 
rücksichtigung der verschiedenen Richtungen, welche 
staatliches Leben einschließt. 
Richtungen und Aufgaben. Zu 
der Aufgabe, die Unabhängigkeit und Selbst- 
ständigkeit des Staats zu wahren, von welcher 
soeben die Rede war, gesellt sich als eine zweite 
die Aufrechterhaltung der bestimmten Form 
und Einrichtung, welche durch die geschichtliche 
Entwicklung desselben herbeigeführt wurde. Daß 
es sich dabei ebenso oft um das Interesse der ein- 
zelnen gehandelt hat, welche im Besitz der Staats- 
gewalt waren, wie um das des Gemeinwesens, 
verschlägt hier nichts. Schon Aristoteles untersucht 
eingehend und scharfsinnig die Mittel, durch welche 
ein solcher Zweck sich erreichen läßt oder welche von 
der bezeichneten Aufgabe gefordert sind. Haller in 
der „Restauration der Staatswissenschaften“ hat 
für die einschlagenden Erörterungen den Namen 
Staatslexikon. IV. 3. u. 4. Aufl. 
Politik. 
  
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Makrobiotik der Staaten aufgebracht. Daß die 
Mittel andere sein müssen, je nachdem es sich 
um ein monarchisches oder ein republikanisches 
Staatswesen, um eine absolute oder konstitutionelle 
Monarchie, eine aristokratische oder demokratische 
Republik handelt, ist klar. Der erste und vornehmste 
Zweck des Staats aber ist ayerkanntermaßen die 
Durchführung der Rechtsordnung. Ein Ge- 
meinwesen, welches hierauf verzichtete, hörte damit 
aus, ein Staat zu sein. Aber das bewegliche Ele- 
ment fehlt auch hier nicht, und es ist irrig, wenn 
Holtzendorff die Rechtspflege ganz und gar aus 
dem Bereich der Politik ausgeschieden wissen will. 
Berechtigt ist dies nur bezüglich der richterlichen 
Tätigkeit. Diesseits des Rheins wenigstens hat 
sich bisher niemand gefunden, der den Satz öffent- 
lich aufzustellen oder zu verteidigen wagte, daß sich 
der Richter bei der Urteilssprechung unter Umstän- 
den auch von andern als rechtlichen Erwägungen 
leiten lassen dürfe oder gar solle. Die Organi- 
sation der richterlichen Tätigkeit aber, Gerichts- 
verfassung und Justizverwaltung, gehören in die 
Politik oder werden von politischen Erwägungen 
mitbestimmt. Frühere Zeiten fanden nichts daran 
zu erinnern, wenn die Rechtspflege verschiedenen 
Organen, Einzelpersonen oder Körperschaften, 
zu selbständiger, sozusagen eigenmächtiger Ubung 
übertragen war. Die Gegenwart will dieselbe aus- 
schließlich in die Hand des Staats gelegt und im 
Namen der staatlichen Autorität geübt wissen. 
Aber auch abgesehen hiervon: Ziel der staatlichen 
Rechtspflege ist, dafür zu sorgen, daß jeder in 
seinem Recht geschützt, das Unrecht tunlichst ver- 
hütet, das geschehene Unrecht bestraft, das ver- 
weigerte Recht erzwungen werde. Der Weg aber, 
der zu diesem Ziel hinführt, ist kein von vorn- 
herein und ein für allemal gleichmäßig gegebener; 
die Mittel, die ergriffen werden müssen, ändern 
sich mit der fortschreitenden Entwicklung der Völ- 
ker, mit den Veränderungen in wirtschaftlicher und 
sozialer Beziehung, mit der Verschärfung und 
Verfeinerung des Rechtsgefühls. Auf einer früheren 
Stufe, unter einfacheren Verhältnissen konnte es 
genügen, den in einzelnen Gewalttaten und Rechts- 
verletzungen hervorbrechenden bösen Willen straf- 
rechtlich zurückzuweisen und durch die Furcht vor 
der Strafe andere von gleicher Übeltat abzu- 
schrecken. Die unendlich verwickelten Beziehungen, 
in welche der gesteigerte und mannigfach ausgestal- 
tete Verkehr der Neuzeit die Menschen miteinander 
bringt, lassen es auf vielen Gebieten als wünschens- 
wert oder notwendig erscheinen, durch ein wohl- 
erwogenes System von Präventivmaßregeln nicht 
nur dem Ausbrechen des bösen Willens vorzu- 
beugen, sondern noch darüber hinaus die Rechts- 
sphäre der Einzelnen mit starken Schranken zu um- 
geben. Die deutsche Arbeiterschutzgesetzgebung der 
letzten Jahrzehnte kann als Beispiel hierfür gelten. 
Ganz allgemein zeigt sich in der Ausbildung des 
Rechts auf dem Weg der Gesetzgebung das 
politische Moment darin, daß je nachdem dem 
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