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Repressiv-oder dem Präventivsystem der Vorzug
gegeben wird und bald das Bestreben maßgebend
ist, einem jeden möglichst weiten Raum zur Ent-
faltung seiner Kräfte zu schaffen, bald die Macht
des Staats in vorzüglicher Weise den Schwachen
zugut kommt. Was die Gerichtsverfassung be-
trifft, so ist klar, daß beispielsweise die Unabhängig-
keit der Gerichte und der möglichst weite Zugang
zur Rechtsprechung in verschiedener Weise gesichert
werden können. Endlich mag noch an die Ord-
nung der Rechtsanwaltschaft erinnert werden, um
darzutun, durch wie zahlreiche Fäden die staatliche
Rechtspflege mit der Politik zusammenhängt.
Die politische Reflexion hat sich allerdings zu-
nächst nicht an diesen, sondern an Machtfragen
entwickelt; in der Geschichtsdarstellung hat man
sich lange Zeit begnügt, nahezu ausschließlich die-
jenigen politischen Begebenheiten zur Erörterung
zu bringen, welche mit der Machtstellung der
Fürsten und Staaten im Zusammenhang standen,
und ebensolang hat der Sprachgebrauch des ge-
wöhnlichen Lebens den Namen der Politik vor-
zugsweise auf die hierauf gerichteten Handlungen
oder Erörterungen angewandt. Eine Erweiterung
brachte das Aufkommen des Konstitutiona=
lismus. Zu den Fragen der Politik, welche
das allgemeinste Interesse erweckten und mit dem
größten Eifer durchgefochten wurden, gehörten
jetzt die nach den Befugnissen der Volksvertretung
und den Prärogativen der Krone, den Rechten
der Staatsbürger und der Stellung der Beamten
und überhaupt alle diejenigen, welche das Heraus-
treten des modernen Staats als eines Haupt und
Glieder umfassenden Gemeinwesens aus älteren,
vielfach durch privatrechtliche Anschauungen beein-
flußten Gestaltungen begleiteten. Um Zwecke des
staatlichen Lebens handelt es sich hier insofern, als
dieses letztere jederzeit bestrebt ist, bestimmte For-
men anzunehmen, wobei der Charakter der Nation
und die wechselnden Perioden des wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Lebens zusammen mit der
Entfaltung der Rechtsidee und der Reflexion über
Wesen und Ziel des Staats zu mannmigfach ge-
arteten Einrichtungen und Organisationen hin-
führen. Von den hieraus sich ergebenden poli-
tischen Aufgaben der Begründung, Erhaltung und
Durchführung einer bestimmten Verfassungsform
war schon oben die Rede.
Das Interesse an Fragen, welche nur die Form
und rechtliche Ordnung des Gemeinlebens be-
treffen, hat in der Neuzeit mehr und mehr dem
Interesse an den andern weichen müssen, welche
sich auf den Inhalt des sozialen Lebens be-
ziehen. Wenn eine Zeitlang von Theoretikern be-
hauptet wurde, daß dasselbe seine vollste und am
meisten befriedigende Entfaltung gewinne, wenn
der Staat sich jeden Eingreifens enthalte und alles
der freien Initiative einzelner Personen oder der
Vereinigung solcher überlasse, so hat es in Wirk-
lichkeit wohl niemals eine Periode und ein mensch-
liches Gemeinwesen gegeben, wo ein solcher Zu-
Politik.
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stand tatsächlich durchgeführt worden wäre, und
auch in der Wissenschaft dürfte die dahingehende
Auffassung allgemein aufgegeben sein. Zumal in
den verwickelten Verhältnissen des modernen Lebens
kann der Staat sich nicht damit begnügen, den
Bürgern nur die äußere und innere Rechtssicher-
heit zu gewährleisten; seine Aufgabe ist, hierüber
hinausgehend, die Wohlfahrt der Gesamtheit
positiv zu fördern. Die grundsätzliche Erörterung
und Begründung dieser Lehrmeinung gehört an
eine andere Stelle (s. d. Art. Staat). Geht man
aber davon aus, daß die Förderung der gemeinen
Wohlfahrt zu den Zwecken des Staats gehört,
so ist einleuchtend, daß es sich hier nicht nur um
wechselnde Bedingungen handelt, unter denen ein
bleibender Zweck zu realisieren ist, sondern um
verschiedenartige, nach Ort und Zeit wechselnde
Aufgaben und Einzelzwecke. Die umfassende Be-
rücksichtigung dieser Aufgaben hat der Staats-
kunst wie der politischen Erörterung eine unge-
heure Steigerung ihres Inhalts wie ihrer Bedeu-
tung gebracht. Esmag genügen, dies durch eine kurze
Ülbersicht der einschlagenden Fragen zu erläutern.
Die menschheitlichen Interessen, welche unter
den Wohlfahrtszweck des Staats fallen, teilen sich
in solche der Wirtschaft und solche des geistigen
Lebens. Die Wirtschaft hinwiederum gliedert sich
in Landwirtschaft, Gewerbe und Handel, und
demgemäß die Wirtschaftspolitik des Staats in
Agrarpolitik, Gewerbepolitik und Handelspolitik.
In der Agrarpolitik kommt ein Doppeltes
in Betracht: die Stellung des Staats zur land-
wirtschaftlichen Produktion und seine Stellung
zur landwirtschaftlichen Bevölkerung. Daß die
einheimische Produktion der hauptsächlichsten Nah-
rungemittel imstande sei, den einheimischen Be-
darf zu decken, wird man von vornherein geneigt
sein, als ein allgemein anzustrebendes Ziel zu be-
zeichnen. Wirtschaftspolitische Erwägungen aber
müssen feststellen, ob die Erreichung desselben unter
gegebenen Verhältnissen dem einzelnen Staat mög-
lich, ja ob sie wünschenswert ist, oder ob vielleicht
bei fortgeschrittener industrieller Entwicklung und
günstigen Handelsbeziehungen der Ausfall vorteil-
haft durch Austausch gegen Industrieprodukte
gedeckt werden kann. Sind Maßregeln zur He-
bung der einheimischen Produktion angezeigt, so
fragt es sich wieder, ob solche sich auf das ganze
Gebiet derselben erstrecken sollen oder nur auf
einzelne Zweige, Körnerbau, Viehzucht usw. Mittel
zur Hebung sind Belehrung und Aufmunterung
durch landwirtschaftliche Lehranstalten, Ausstel-
lungen, Musterwirtschaften, Prämien, sodann die
billige Beschaffung geeigneter Wirtschaftsmittel:
Saatfrucht, Zuchtvieh, Düngerstoffe usw. Zugleich
aber fragt es sich, ob der Staat alle diese Dinge
unmittelbar in die Hand nehmen und durch seine
Beamten besorgen oder ob er dieselben landwirt-
schaftlichen Genossenschaften überlassen solle, auf
deren Bildung und Beaufsichtigung er seine Ein-
flußnahme beschränkt.