Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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dieser Richtung hin aber ist, zu verhüten, daß Ele- 
mente, welche eingegliedert in bestimmte Erwerbs- 
und Berufskreise sich als nützliche Mitglieder der 
Gesellschaft erweisen würden, ausgeschieden aus 
denselben als träge oder gefährliche Masse der staat- 
lichen Fürsorge in Form der öffentlichen Armen- 
pflege anheimfallen. 
Daß der Wohlfahrtszweck des Staats auch die 
Wahrnehmung geistiger Interessen einschließt, ist 
oben bemerkt worden. Man könnte demgemäß von 
einer Bildungspolitik reden, doch ist das Wort 
nicht gebräuchlich, eher spricht man von Schul- 
und Unterrichtspolitik. Die Hauptfrage 
ist wiederum: Soll der Staat sich im Bereich des 
Bildungswesens mit der Oberaufsicht begnügen, 
Erziehung aber und Unterricht, niedere und höhere 
Schulen der Wirksamkeit des Hauses und der Be- 
tätigung freier Assoziationen überlassen, oder soll 
er dies alles mehr oder weniger selbst in die Hand 
nehmen? Wo man diesen letzteren Weg beschritten 
hat, geschah dies in der Regel im Kampf mit der 
Kirche, deren Organe in früheren Jahrhunderten 
die Träger der Bildung und die Lehrer aller Volks- 
stände gewesen waren, ja es ist die eigentliche Be- 
deutung des gesetzlichen Schulzwangs und des 
staatlichen Unterrichtsmonopols nicht selten gerade 
darin erkannt worden, daß sie die wichtigsten 
Stützen der staatlichen Kirchenpolitik seien. 
Dies führt auf die Stellung, welche überhaupt 
der Staat der Kirche gegenüber einnimmt. Auch 
hier sollen indessen keine Grundsätze aufgestellt, es 
soll lediglich der Kirchenpolitik ihre Stelle im Ge- 
samtumfang der politischen Aufgaben angewiesen 
werden. Einleuchtend aber ist dieses: wer in der 
Kirche eine rein menschliche Anstalt erblickt, wird 
die Stellung des Staats ihr gegenüber nicht anders 
auffassen als gegenüber den sonstigen, innerhalb 
des Staats sich findenden gesellschaftlichen Ver- 
einigungen, er wird nur je nach seinem sonstigen 
politischen Standpunkt entweder der religions- 
genossenschaftlichen Autonomie oder der Ausdeh- 
nung staatlicher Kompetenz das Wort reden. Ganz 
anders gestaltet sich dagegen das Verhältnis da, 
wo man in der Kirche die von Christus gestiftete, 
mit eignem Recht ausgestattete Heilsanstalt er- 
blickt. Nur genügt es auch hier nicht, die richtige 
Formel für das Verhältnis von Kirche und Staat 
gefunden zu haben, das Leben bringt unausgesetzt 
Berührungen zwischen beiden Gewalten, bei denen 
es jetzt auf reinliche Scheidung zwischen Geistlichem 
und Weltlichem, jetzt auf harmonisches Zusammen- 
gehen ankommt und für politische Erwägungen 
Raum übrig bleibt. 
3. Verhältnis der Politik zur Moral. 
Geht man davon aus, daß der Staat als solcher 
in der sittlichen Ordnung begründet ist, so leuchtet 
sofort ein, daß ein Widerspruch zwischen den 
Zwecken und Aufgaben des staatlichen Lebens und 
dem Sittengesetz in Wahrheit nicht bestehen kann. 
Der Staatist notwendig zur Aufrechterhaltung und 
Weiterentwicklung des Rechts, das Recht aber 
Politik. 
  
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wurzelt in der Ethik und hat von daher seine 
innerlich bindende Kraft. Die tatsächliche Ent- 
wicklung der Menschheit hat zur Ausbildung einer 
Vielheit von Staaten geführt, von denen ein jeder 
ein einheitliches Ganzes darstellt, welches durch 
die gemeinsame staatliche Autorität und die ge- 
meinsamen Gesetze zusammengehalten und in seiner 
Einheit durch die nationale Zusammengehörigkeit 
und die geschichtliche Ausgestaltung verstärkt wird. 
Für den einzelnen Staat ergibt sich hieraus neben 
dem Rechtszweck der Wohlfahrtszweck, aber auch 
dieser ist in die sittliche Ordnung eingeschlossen. 
Es folgt aus der Weltstellung des Menschen, daß 
er seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten be- 
täligen, daß er sich die Natur unterwerfen, daß 
er im Verein mit seinesgleichen durch Zusammen- 
legung der Kräfte und Arbeitsteilung an dem 
Werk der Kultur mitarbeiten soll. In den ein- 
zelnen geschichtlichen Menschheitskomplexen tritt 
alsdann die staatliche Autorität dafür ein, daß die 
nach verschiedenen Richtungen auseinandergehen- 
den Interessen der einzelnen sich dem Wohl des 
Ganzen fügen und Kulturaufgaben, welche die 
Leistungsfähigkeit der einzelnen übersteigen, im 
Interesse des Ganzen durch die Kräfte der Gesamt- 
heit verwirklicht werden. Erscheint so der konkrete 
Einzelstaat als eine Voraussetzung dafür, daß 
innerhalb eines Menschheitskomplexes die Rechts- 
ordnung gewahrt und die gemeine Wohlfahrt ge- 
fördert werde, so ist damit auch der selbständige 
Bestand dieses Einzelstaats, insofern durch ihn 
jene Zwecke realisiert werden, durch die sittliche 
w#dnung gestützt und seine Aufrechterhaltung ge- 
fordert. 
Daß trotzdem praktische Politik und Moral oft 
genug sich in feindlichem Gegensatz fanden, ist be- 
kannt. Mit dem Namen Machiavellis pflegen wir 
die Auffassung zu verknüpfen, welche die Politik 
souverän in ihrem Gebiet erklärt und eine Berück- 
sichtigung der moralischen Vorschriften nur inso- 
weit gelten läßt, als unter Umständen Vertrags- 
treue, Achtung vor fremden Rechten und Ver- 
meidung von Lastern besser zu den gewünschten 
Zielen hinführen als ein gegenteiliges Verhalten. 
In der Regel stammt diese Auffassung aus einer 
einseitigen Uberspannung des zuvor an letzter 
Stelle berührten Moments. Das pflichtmäßige 
Streben, den Bestand des Staats zu erhalten, 
wird in das leidenschaftliche Verlangen verkehrt, 
die Macht desselben auf Kosten anderer zu steigern. 
Wenn es in früheren Jahrhunderten am häufigsten 
die Fürsten waren, welche unbekümmert um das 
Wohl und Wehe der eignen Untertanen bei einer 
solchen Politik der Machterweiterung nur ihrem 
eignen Ehrgeiz und ihrer Habsucht frönten, so 
weiß die Geschichte der alten und der neuen Zeit 
doch auch von zahlreichen Fällen, in denen republi- 
kanische Gemeinwesen ihre Machtsphäre rücksichts- 
los und mittels Vergewaltigung schwächerer Nach- 
barn auszudehnen bestrebt waren. In der Gegen- 
wart ist einer Politik, welche das Interesse des
	        
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