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Fürsten im Unterschied von dem des staatlichen
Gemeinwesens oder gar im Gegensatz dazu ver-
folgte, so ziemlich überall und jedenfalls in allen
zivilisierten Ländern der Boden entzogen. Ganz
allgemein aber gilt hier das früher Gesagte:
Macht und Machtstellung als solche bilden in
Wahrheit keinen staatlichen Zweck, sondern nur
die Voraussetzung für die Verwirklichung dieser
Zwecke. Sie zu erhalten ist daher Pflicht, soweit
das letztere davon abhängt; ihre Erweiterung nur
dann zulässig, wenn sie ohne Beschädigung der
berechtigten Interessen Dritter geschieht.
Nicht zu den Zwecken, wohl aber gleichfalls zu
den Bedingungen des staatlichen Lebens gehört
sodann nach dem früher Gesagten die rechtliche
Ordnung des Gemeinlebens, seine Organisation
oder Verfassung. Maßgebend für dieselbe ist
hinwiederum die Aufgabe des Staats, und so
erhellt von vornherein, daß jede Einrichtung ver-
werflich ist, welche Erfolg und Gewinn des staat-
lichen Lebens ausschließlich einzelnen Personen
oder Klassen zugut kommen läßt. Aristoteles teilt
die Verfassungen ausdrücklich ein in gute und
schlechte, je nachdem in ihnen der Nutzen der
Regierten oder der der Regierenden das Ent-
scheidende ist. Es erhellt weiter, daß das Be-
streben, eine solche schlechte Verfassung aufrecht zu
erhalten, unsittlich ist, und zwar nicht in dem
Sinn, daß die Moral wie eine fremde Macht die
Politik durchkreuzte, sondern weil eine solche Politik
dem in der sittlichen Ordnung begründeten Zweck
des Staats widerstreitet. Viel häufiger freilich
als die Fälle, in denen sich auf eine Verfassung
die einfachen Kategorien von gut und böse an-
wenden lassen, sind die andern, in denen die Be-
urteilung der bestehenden Verhältnisse wegen der
verschiedenartigen Interessen, Gewohnheiten und
Anschauungen der verschiedenen Klassen und
Gruppen auseinandergeht und infolge davon poli-
tische Parteien sich bilden, welche Erhaltung oder
Neugestaltung, Korrektur oder radikale Beseitigung
jener Verhältnisse anstreben. Die Bemühungen
dieser Parteien, zu entscheidendem Einfluß in
Gesetzgebung und Staatsverwaltung zu gelangen,
sind — abgesehen von der Wahl der Mittel —
so lange sittlich zulässig, als nicht das einseitige
Parteiinteresse in offenkundigen Gegensatz gegen
das der großen Mehrheit der Bevölkerung tritt.
Hiernach bleibt es dabei, daß es staatliche
Zwecke, welche in sich, d. h. auf dem Standpunkt
des staatlichen Lebens, berechtigt, auf dem der
Moral dagegen verwerflich wären, nicht gibt und
nicht geben kann; die Frage ist dagegen noch, ob
ein Unterschied der Staatsmoral und der Privat-
moral vielleicht in der Art bestehe, daß staatliche
Zwecke mit Mitteln angestrebt werden können,
deren Anwendung im Privatleben als unsittlich
gebrandmarkt würde. Hierbei ist zuerst daran zu
erinnern, daß ein derartiger Konflikt selbstver-
ständlich niemals das unpersönliche Staatsganze,
sondern immer nur die mit den Staatsgeschäften
Politik.
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betrauten Personen treffen kann. Es ist ferner zu
erinnern, daß für den, der im Namen und In-
teresse einer Gemeinschaft handelt, andere Ge-
sichtspunkte in Betracht kommen als für den, der
nur für sich und im eignen Namen tätig ist. Der
Privatmann kann aus höheren Rücksichten auf die
Erstreitung eines Rechts verzichten, während für
einen Staatsmann, und in Fällen, in denen es
sich um Rechte des Staats handelt, ein solcher
Verzicht unverzeihliche Schwäche wäre, ohne daß
darum von einer zweifachen Moral gesprochen
werden könnte. Ahnlich ist zu beurteilen, was
Bluntschli anführt, „daß es für den Staat besser
ist, wenn er durch einen energischen, aber herrsch-
süchtigen Mann aus großer Gefahr gerettet, als
durch einen ängstlichen, persönlich tugendhaften
Regenten geschwächt wird, und für die Volks-
wohlfahrt zuträglicher, wenn die angeregte Eitel-
keit gemeinnützige Werke schaffen hilft, als wenn
die fromme Demut nichts tut“. Tatlosigkeit und
Unentschiedenheit begründen auch im Privatleben
keinen sittlichen Vorzug, der Ehrgeiz aber hört
au, tadelnswert zu sein, wo er sich in den Dienst
einer großen Sache stellt. Er vermindert vielleicht
das eigne Verdienst des Handelnden, aber nur ein
unvernünftiger Rigorismus könnte im Namen der
Sittlichkeit von einem Staatsmann verlangen,
daß er eine für das Gemeinwohl in hohem Grad
förderliche Handlung darum unterlassen solle, weil
auch sein Ehrgeiz in derselben Befriedigung findet.
Mit aller Schärfe muß dagegen festgehalten wer-
den, daß Handlungen, welche das Sittengesetz
verbietet, auch für den Staatsmann unerlaubt
sind, und daß die Durchführung sittlich zulässiger
oder selbst gebotener Staatszwecke niemals die
Wahl unsittlicher Mittel gestattet.
Dies gilt sogleich in Bezug auf die Erhaltung
der Unabhängigkeit und Selbständigkeit des Staats-
wesens, ja hier trifft vollkommen dasjenige zu, was
für den einzelnen in Bezug auf die Erhaltung
seines Lebens Geltung hat. Notwehr ist sittlich
und rechtlich zulässig. Wo dem einzelnen der
Schutz des Staats nicht zu Gebot steht, ist er
befugt, einen Angriff gegen sein und der Seinigen
Leben unter Anwendung von Gewaltmitteln ab-
zuwehren. Solang es an einer Institution fehlt,
welche den Verkehr der Staaten untereinander
regelt und in wirksamer Weise für den Schutz des
internationalen Rechts eintritt, gibt es ein Recht
der Notwehr auch für die Staaten. Die sittliche
Zulässigkeit des Verteidigungskriegs pflegt in der
Tat von niemand bestritten zu werden. Die Ver-
teidigung der eignen Existenz ist indessen nicht
einmal die einzige gerechte Ursache für einen
Krieg. Gerade weil und solang eine derartige
Institution fehlt, kann es auch andere Fälle geben,
wo den Staat kein Vorwurf trifft, wenn er ein
unzweifelhaftes und für die Entfaltung seines
vollen Lebens unentbehrliches Recht mit Gewalt
durchzusetzen bemüht ist. Aber der Krieg ist ein
so entsetzliches Ubel, daß man zu ihm immer nur