9 Patentrecht.
treibenden sind hier also durch die Gefahr der
zivilrechtlichen Haftung und der strafgerichtlichen
Verfolgung genötigt, hinsichtlich der ihnen hinder-
lichen Patente selbst die Prüfung der Gültigkeit
der Patente vorzunehmen. Wollen oder können
sie dies nicht, oder sind sie nicht gewillt, sich auf
Prozesse einzulassen und die niemals sicher vor-
auszubestimmende Entscheidung der Gerichte ab-
zuwarten, so bleibt ihnen nichts übrig, als Ab-
findungssummen zu zahlen, lediglich um im freien
Betrieb ihres bisherigen Gewerbes zu bleiben.
Da nach diesem Verfahren in der Regel derjenige
im Patentbesitz geschützt wird, der die Erfindung
zuerst angemeldet hat, und jede Anfechtung des
erteilten Patents aus dem Grunde, daß der An-
meldende nicht der wahre Erfinder sei, aus-
geschlossen ist, so ist die Möglichkeit geschaffen,
den letzteren seines Rechts auf das Patent zu be-
rauben; in solchen Fällen bleibt diesem lediglich
der Weg der Klage auf Entschädigung gegen den
unbefugten Anmelder. Neben der Massenhaftig-
keit der nach diesem Verfahren ermöglichten wert-
losen, häufig nur zum Zweck schwindelhafter
Spekulation entnommenen Patente müssen diese
Mißstände hemmend auf den gewerblichen Ver-
kehr einwirken und erklären nicht bloß hinlänglich
die Reaktion gegen dieses auch jetzt noch, wenn-
gleich nicht in strengster Form, weit verbreitete
System, sondern auch in gewissem Grad die
Abneigung gegen das Patentwesen überhaupt
(ogl. oben unter 3). Nach dem Vorprüfungs-
system unterzieht eine mit der Beurteilung von
Patentgesuchen fortdauernd betraute technische
Fachbehörde die angemeldete Erfindung vor Er-
teilung des Patents einer sachlichen Prüfung in
Bezug auf Neuheit der Erfindung, mitunter auch
auf die Legitimation des Anmeldenden und ent-
scheidet sodann meistens unter Ausschluß des
Rechtswegs über Erteilung oder Versagung des
beanspruchten Patents. Diese keineswegs leichte
Prüfung schließt, wie die Erfahrung lehrt, nicht
aus, daß entweder Patente für Erfindungen er-
teilt werden, welche nicht neu sind, oder daß neuen,
wichtigen Erfindungen von hoher Bedeutung wegen
vermeintlichen Mangels der Neuheit das Patent
versagt wird. Die Mängel vollständig zu besei-
tigen, liegt außer dem Bereich menschlicher Fähig-
keiten. Sie zu mildern, hat man zu verschiedenen
Mitteln gegriffen. Neben einer schärferen Be-
grenzung der die Patentfähigkeit bedingenden
Voraussetzungen hat man gegen abweisende Be-
scheide der Patentbehörde einen Instanzenzug
bzw. den Rechtsweg eröffnet. Vornehmlich aber
dient diesem Zweck das Aufgebotsverfahren.
Nach diesem System werden die Anmeldungen,
nachdem sie aufhre formelle Richtigkeit geprüft sind,
öffentlich bekannt gemacht und nebst den Beschreibun-
gen, Zeichnungen u. dgl. zur Einsicht offengelegt,
so daß den interessierten Gewerbetreibenden Ge-
legenheit geboten ist, Einwendungen gegen die
Patenterteilung vorzubringen. Dadurch wird der
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Patentbehörde unmittelbar die Unterstützung der
beteiligten sachkundigen Kreise in Beschaffung des
Materials zur Beurteilung der Patentgesuche
zugeführt. Dieses System ist meistens mit dem
Vorprüfungsverfahren verbunden. In dieser Ver-
bindung, welche eine strenge, aber nach Möglich-
keit gerechte Prüfung der Patentgesuche gewähr-
leistet, dürfte einerseits einer Uberschwemmung des
gewerblichen Lebensmitnutzlosen oder gar schwindel-
haften Patenten, anderseits einer Schädigung be-
rechtigter Interessen der an dem Schutze der Er-
findungen zunächst Beteiligten am besten vor-
gebeugt sein. Die Möglichkeit, daß in dem einen
oder andern Fall unter der strengen Prüfung auch
einem an sich berechtigten Antrag der Patentschutz
versagt werden möchte, kann gegenüber dem an-
erkannten Grundsatz, daß auch für die Reglung
des Schutzes der Erfindungen die allgemeinen Ver-
kehrsinteressen, mit denen das Interesse des Er-
finders keineswegs immer zusammenfällt, in erster
sübe stehen, nicht ausschlaggebend ins Gewicht
allen.
Für die Wahrung der auf dem Gebiet des
Patentrechts liegenden Interessen, insbesondere
für die Erlangung von Patenten, kommen als
Vertreter und Beistände der Beteiligten haupt-
sächlich die Patentanwälte (s. unter V) in
Betracht.
II. Die deufsche Patentgesetzgebung:
1. Patentamt. Für die Bearbeitung der Pa-
tentangelegenheiten ist eine besondere Reichsbehörde,
das dem Reichsamt des Innern unterstehende
Patentamt, eingerichtet. Dasselbe hat seinen Sitz
in Berlin und besteht aus einem Präsidenten, aus
Mitgliedern, welche die Befähigung zum Richter-
amt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitzen
(rechtskundigen Mitgliedern), und aus Mitgliedern,
welche in einem Zweig der Technik sachverständig
sind (technischen Mitgliedern). Die Mitglieder
werden, und zwar der Präsident auf Vorschlag des
Bundesrats, vom Kaiser ernannt. Die Berufung
der rechtskundigen Mitglieder erfolgt, wenn sie im
Reichs= oder Staatsdienst ein Amt bekleiden, auf
die Dauer dieses Amts, andernfalls auf Lebens-
zeit. Die Berufung der technischen Mitglieder
erfolgt entweder auf Lebenszeit oder auf fünf
Jahre. Nach dem Etat für 1909 bestand das
Patentamt aus einem Präsidenten, 6 Direktoren,
15 Abteilungsvorsitzenden, 28 Mitgliedern der
Beschwerdeabteilungen, 28 nicht ständigen und
137 Mitgliedern im Hauptamt, außerdem 90
technischen Hilfsarbeitern, 213 Bureaubeamten,
154 Kanzleibeamten und 107 Unterbeamten.
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß dem
Patentamt neben den Patentsachen auch noch die
Verwaltung des Gebrauchsmuster= und des Waren-
zeichenwesens übertragen ist. In dem Patentamt
sind Abteilungen für die Patentanmeldungen (An-
meldeabteilungen), eine Abteilung für die Anträge
auf Erklärung der Nichtigkeit oder auf Zurück-
nahme von Patenten (Nichtigkeitsabteilung) und