Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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zwischen dem Ministerium des Innern und den 
Bezirkshauptmannschaften noch die Statthaltereien 
bzw. Landesregierungen, in Preußen zwischen 
jenem und den Regierungspräsidenten noch die 
Oberpräsidenten, die aber, von einzelnen bestimm- 
ten Fällen abgesehen, keine polizeilichen Funktionen 
haben. Die gutsherrliche Polizei, welche dem Be- 
sitzer eines mit dieser Berechtigung versehenen 
Guts zustand, ist durchweg aufgehoben, in Preußen 
durch § 46 der Kreisordnung von 1872/81. 
Die im Gebiet des französischen Rechts vor- 
kommenden Beamten der gerichtlichen Po- 
lizei, denen die Erforschung strafbarer Hand- 
lungen, die Sammlung der Überführungsmittel 
und die Sorge für die Überantwortung des ent- 
deckten Ubeltäters an das Strafgericht obliegt, 
sind in dieser Eigenschaft keine Polizeibeamten im 
eigentlichen Sinn, sondern gerichtliche, so wie sie 
auch den Gerichten bzw. den Staatsanwälten 
unterstellt sind. Zur Ermittlung von Verbrechen 
und verbrecherischen Plänen werden vielfach ge- 
beime Polizeiagenten verwendet (detectives). 
Dieselben sind zwar nicht unbedingt zu entbehren, 
aber doch mit großer Vorsicht und nur im Notfall 
anzuwenden. Manche derselben haben durch ihr 
Verfahren, sogar durch Provokationen zu straf- 
baren Handlungen (Lockspitzel) großes Argernis 
erregt und die ganze Einrichtung in Mißgunst 
gebracht. 
III. Der Volizei Wirksamkeit. 1. Ihr 
Gegenstand kann sein der Staat als solcher, 
die Person, und zwar die physische und die gei- 
stige, sodann das Verhältnis der Person zu den 
Gütern. Die auf den Staat als solchen sich be- 
ziehende Polizei, die Staats= oder politische 
Polizei, bezweckt den Schutz des Staats, Erhal= 
tung des Staatsgebiets und der Staatsverfassung. 
In ihren Bereich fällt die Handhabung der Ge- 
setze über Vereins= und Versammlungswesen, 
öffentliche Aufzüge, Besitz und Gebrauch von 
Waffen, Belagerungszustand, Presse, Paß= und 
Fremdenwesen. Im weiter gefaßten Sinn gehört 
hierher die Fürsorge für die öffentliche Ordnung 
und Rechtssicherheit, für Leben und Eigentum 
gegenüber verbrecherischen Angriffen, mit andern 
Worten die gesamte Sicherheits- und Kri- 
minalpolizei. Die letztere leitet schon über zur 
Wirksamkeit der Polizei in Bezug auf die Per- 
son, und zwar zunächst die physische. 
Auf diesem Gebiet liegen vorwiegend folgende 
Aufgaben: Reglung der Ansässigmachung, der 
Ein= und Auswanderung, Hilfe in der Befriedi- 
gung der notwendigen Lebensbedürfnisse, Abwehr 
allgemeiner Teuerung, Bekämpfung von Notstän- 
den infolge von Krieg, Mißwachs, Überschwem- 
mung sowie die ganze sog. Armutspolizei, 
d. h. Hilfe im Fall der Einzelarmut durch Be- 
schaffung der notwendigen Wohnung, Kleidung, 
Nahrung. Dazu kommt noch die ganze Gesund- 
heits--oder Medizinalpolizei; diese bezweckt Er- 
haltung der körperlichen Gesundheit, Beseitigung 
Polizei. 
  
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von Krankheitsursachen, Bekämpfung ausgebro- 
chener Seuchen. Dahin gehört die Sorge für den 
Zustand der Wohnungen, Beaufsichtigung der 
Nahrungsmittel, Schutz gegen Ansteckung, Reg- 
lung des Impf-, Hebammen-, Apothekerwesens, 
Verhinderung der Quacksalberei, Aufsicht über die 
Krankenhäuser, das Beerdigungswesen und die 
Begräbnisplätze. Einen Zweig der Medizinal- 
polizei bildet die Veterinärpolizei, welche die Ab- 
wendung und die Unterdrückung von Viehseuchen 
zum Gegenstand hat. 
Die Tätigkeit der Polizei in Bezug auf die 
geistige Persönlichkeit äußert sich in dreifacher 
Richtung: auf Schule und Unterricht, auf die 
sittliche und auf die religiöse Bildung. In ersterer 
Hinsicht ist hervorzuheben die Kontrolle des Schul- 
besuchs, Durchführung des Schulzwangs, wo ein 
solcher besteht, Uberwachung der Unterrichts- 
anstalten. Bezüglich der sittlichen Bildung kommt 
die sog. Sitten polizei in Betracht: Bekämpfung 
der Prostitution, Verhinderung des Vertriebs un- 
züchtiger Bilder und Schriften, Beaufsichtigung 
der öffentlichen Lustbarkeiten, Maßregeln gegen 
Trunksucht und Glücksspiel, Uberwachung der 
Schenken, Handhabung der Polizeistunde, Reg- 
lung des Verkehrs mit berauschenden Getränken. 
In Bezug auf die religiöse Bildung kann die 
polizeiliche Einwirkung nur von beschränktem Um- 
fang und wesentlich äußerlicher Natur sein. Es 
liegt auf diesem Feld der besondere Schutz des 
Gottesdienstes und der dazu bestimmten Ge- 
bäude, der Kirchhöfe, Aufrechterhaltung der Sonn- 
tagsfeier, Verhinderung ruhestörender Arbeiten an 
Sonn= und Feiertagen, Schutz gottesdienstlicher 
Umzüge. 
Die Wirksamkeit der Polizei in Bezug auf das 
Verhältnis der Person zu den Gütern (Volks- 
wirtschaftspolitik) erstreckt sich zunächst auf das 
unbewegliche Gut: Abwehr von Gefahren des- 
selben durch Feuers= und Wassersnot, Fürsorge 
für die ordnungsmäßige Errichtung und Erhal- 
tung von Bauten, also die Baupolizei. In 
Deutschland ist zur Errichtung von Bauten durch- 
weg die baupolizeiliche Erlaubnis erforderlich, 
welche unter Beifügung der Bau= und Lagepläne 
bei der Baupolizeibehörde nachzusuchen ist. Diese 
hat zu prüfen, ob die zum Schutz des Verkehrs 
festgestellte Baufluchtlinie (Alignement) eingehalten 
wird, und ob der beabsichtigte Bau den bau- 
polizeilichen Vorschriften entspricht, sowie auch 
nach erteilter Bauerlaubnis darauf zu achten, daß 
die Bauausführung plan= und ordnungsmäßig 
erfolgt. In Elsaß-Lothringen ist für alle Bauten 
an öffentlichen Straßen grundsätzlich die Bau- 
erlaubnis erforderlich; das sind solche Straßen, 
welche zum domaine public gehören, also Staats-, 
Bezirks-, Vizinalwege sowie die öffentlichen 
Straßen aller Ortschaften, nicht aber Straßen und 
Wege, welche in Privateigentum stehen, mögen 
sie auch tatsächlich dem öffentlichen Verkehr dienen. 
In Hamburg genügt bei gewöhnlichen Bauten die
	        
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