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selbst vorgeschlagenen Liste von 5 Kandidaten vom
König erwählt. Einen von beiden Kammern an-
genommenen Gesetzesvorschlag kann der König
innerhalb eines Monats sanktionieren oder ab-
lehnen; die Wirkung der Ablehnung ist eine
absolute.
Die durch die Verfassung garantierten Rechte
des Volkes sind Gleichheit aller portugiesischen
Bürger vor dem Gesetz, Zulassung aller Bürger
zu allen bürgerlichen, politischen und militärischen
Amtern, Abschaffung aller Privilegien, sofern sie
nicht wesentlich und ganz mit den Amtern im
Interesse des Staatswohls verbunden sind, Ab-
schaffung bevorrechteten Gerichtsstands außer in
gesetzlich vorgesehenen Fällen (s. o.), Schutz vor
willkürlicher Verhaftung, Freiheit der Presse, des
Unterrichts, des religiösen Bekenntnisses, Handels-
und Gewerbefreiheit usp. Die Ausländer können
in Portugal keine politischen Rechte ausüben, be-
sitzen aber sonst im allgemeinen die gleichen bürger-
lichen Rechte und Pflichten wie die portugiesischen
Staatsbürger, soweit nicht Gesetz oder Verträge
es anders vorsehen; naturalisierte Fremde ge-
nießen auch die politischen Rechte der portugiesi-
schen Staatsbürger, können aber nicht Abgeord-
nete, Pairs, Minister und Staatsräte werden.
Verwaltung. Die oberste Staatsverwaltung
wird im Namen des Königs von den Ministern
ausgeübt, die alle Akte der Exekutive gegenzeichnen
oder unterzeichnen müssen, damit sie vollstreckt
werden können. Die Zahl der Minister ist ver-
fassungsmäßig nicht festgelegt; zurzeit bestehen
die 7 Ministerien des Innern, der auswärtigen
Angelegenheiten, der Justiz und kirchlichen An-
gelegenheiten, der Finanzen, des Kriegs, für
Marine und Kolonien, für öffentliche Arbeiten,
Handel und Industrie. Die Minister sind ver-
antwortlich wegen Landesverrat, Bestechung, Ver-
leitung und Erpressung, Amtsmißbrauch, Nicht-
beachtung des Gesetzes, wegen Unternehmungen
gegen die Freiheit, Sicherheit und das Eigentum
der Bürger und wegen Verschwendung des Staats-
guts. In den Dienst eines jeden der Ministerien
teilen sich die verschiedenen Generaldirektionen;
unter dem des Innern stehen unter anderem die
Generaldirektion des Unterrichts und der schönen
Künste, die der öffentlichen Gesundheit, des Rech-
nungswesens, der Wohltätigkeit, der Unterrichts-
rat usw.; unter dem Finanzministerium die Ge-
neraldirektion der direkten und indirekten Steuern,
des Schatzamts, der Zölle, das Staatsrechnungs-
wesen; unter dem Ministerium der öffentlichen
Arbeiten usw. die für Handel und Industrie, für
Ackerbau, für Posten und Telegraphen usw. Für
die innere Verwaltung zerfällt das kontinentale
Portugal in 17 nach ihren Hauptstädten benannte
Distrikte, die Azoren in 3 Distrikte (Angra, Horta
und Ponta Delgada); Madeira nebst Porto
Santo bildet den Distrikt Funchal. Die Distrikte
zerfallen in Gemeindebezirke (concelhos; auf
dem Festland 262, auf den Inseln 29), die Ge-
Portugal.
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meinden in Kirchspiele (freguesias). Nach der
alten geschichtlichen Einteilung, die noch für stati-
stische Zwecke verwendet wird, zerfiel das Land in
das Königreich Portugal mit den Provinzen Entre
Douro und Minho, Traz os Montes, Beira (seit
1835 geteilt in Beira Alta und Beira Baixa),
Estremadura und Alemtejo), und in das König-
reich Algarve. Als Organe der Zentralgewalt
wirken in den Distrikten die Zivilgouverneure,
die auch erste Polizeibeamte der Distrikte sind, in
den Gemeinden die Administratoren (zugleich
Polizeibehörde), in den Kirchspielen die Vorsteher
(regedores) neben sonstigen Behörden, die den
einzelnen Ministerien je nach ihrer speziellen Auf-
gabe unterstehen. — Neben dem Ministerium be-
steht ein Staatsrat, dessen Mitglieder vom
König auf Lebenszeit ernannt werden und Portu-
giesen von Geburt sein müssen; der Kronprinz ist
mit 18 Jahren Mitglied kraft eignen Rechts. Sie
müssen in allen wichtigen Angelegenheiten und bei
allen allgemeinen Maßnahmen der öffentlichen
Verwaltung gehört werden, besonders bei Kriegs-
erklärungen, Friedensschlüssen, Verhandlungen
mit auswärtigen Mächten und bei allen Gelegen-
heiten, wenn der König eine der ihm zustehenden
Befugnisse der „moderierenden“ Gewalt ausüben
will (ausgenommen bei Ministerernennungen und
-entlassungen). Bis zur Schaffung eines höchsten
Verwaltungsgerichtshofs (1870) war der Staats-
rat zugleich Berufungsgericht in Verwaltungs-
streitsachen. Die Staatsräte sind für alle den
Gesetzen und Staatsinteressen zuwiderlaufenden,
offenbar dolosen Ratschläge verantwortlich (doch
ist kein Gesetz über ihre Verantwortlichkeit bisher
zustande gekommen). — Für die Verwaltungs-
justiz besteht in jedem Verwaltungsbezirk ein Ge-
richt erster Instanz, von denen Rekurse an das
höchste Verwaltungsgericht in Lissabon gehen.
Höchste Instanz in Sachen der Steuererhebung,
des Finanzdepartements und in Rechnungssachen
sowie Aufsichtsbehörde über die Beobachtung der
Finanzgesetze ist der Rechnungshof in Lissabon,
dessen Räte vom König auf Lebenszeit ernannt
werden.
Die Distrikts= und Gemeindeverwal-
tung ist ziemlich straff zentralisiert und fast ganz
von der Zentralgewalt abhängig. Verwaltungs-
körper für die der Selbstverwaltung überlassenen
Angelegenheiten in den Distrikten ist (seit 1896)
ein „Ausschuß“, der aus dem Zivilgouverneur als
Vorsitzenden, einem von der Regierung ernannten
Beamten (auditor administrativo) und 3 Bei-
sitzern besteht, die, wie ihre Vertreter, von Dele-
gierten der Gemeinderäte des Distrikts gewählt
werden. In den Inseldistrikten bestehen noch an
Stelle dieser Ausschüsse die früheren General-
ausschüsse (junta geral do districto), die sich
aus Vertretern der Gemeinderäte zusammensetzen.
In den Gemeinden bestehen von den Wahlberech-
tigten (alle seit 3 Jahren in der Gemeinde an-
sässigen Bürger, die lesen und schreiben können)