239
nachfolgenden Schulgesetze sehr zu wünschen übrig.
In jedem Distrikt sollte eine Lehrerbildungs-
anstalt, in jeder Gemeinde eine Volksschule und
eine Abendschule (Ergänzungsschule), in jedem
Kirchspiel eine Volksschule bestehen. Die Kosten
tragen Staat, Distrikt und Gemeinde gemeinsam.
Die gleichzeitig unternommene Reorganisation der
Mittelschule nahm das deutsche Realgymnasium
zum Vorbild, wie denn auch die deutsche Sprache
im Lehrplan besondere Berücksichtigung fand. Der
mittlere Unterricht zerfällt in einen fünfjährigen
allgemeinen und einen zweijährigen Ergänzungs-
kursus, deren erfolgreicher Besuch zu den höheren
Studien befähigt. Die Anstalten mit 5 Kursen
heißen Nationallyzeen, die mit 7 Kursen Zentral-
lyzeen. Jede Distriktshauptstadt soll eine derartige
Mittelschule besitzen (1905 gab es 32 Lyzeen).
Daneben bestehen ein Mädchenlyzeum in Lissabon
(seit 1906), Privatrealschulen und ein Militär-
kolleg für Erziehung von Offizierssöhnen. Hoch-
schulen sind drei vorhanden: die Landesuniversität
zu Coimbra (gegründet 1290 zu Lissabon und
1308 hierher verlegt) mit Professoren und Stu-
dierenden in 5 Fakultäten (Theologie, Jurispru-
denz, Medizin, Mathematik und Philosophie), die
Polytechnische Schule zu Lissabon (gegründet 1837)
und die Polytechnische Akademie zu Oporto. Fach-
und Speziallehranstalten gibt es außer den Prie-
sterseminarien und Lehrerbildungsanstalten noch
solgende: die Kriegs= und die Schiffahrtsschule zu
Lissabon, der höhere Kursus für Literatur ebenda,
die medizinisch-chirurgischen Schulen zu Lissabon,
Oporto und Funchal, das Konservatorium für
dramatische Künste und Musik zu Lissabon, die
Industrie= und Handelsinstitute zu Lissabon und
Oporto, das Allgemeine landwirtschaftliche In-
stitut nebst Tierarzneischule zu Lissabon, das Bak-
teriologische und ophthalmologische Institut, die
Volksuniversität ebenda, eine Marine-, eine Kolo-
nialschule usw. An wissenschaftlichen Instituten sind
zu nennen 4 Sternwarten, 2 meteorologische Ob-
servatorien und naturhistorische Museen zu Lissabon
und Coimbra, eine Generaldirektion der geodäti-
schen, topographischen, hydrographischen und geolo-
gischen Arbeiten, ein archäologisches und ein (der
Akademie der Wissenschaften gehöriges) numis-
matisches Museum, ein Museum der Kolonien und
ein solches für die Fortschritte der Industrie (Mu-
seo Fradesso da Silveira), sämtlich zu Lissabon,
die öffentlichen Bibliotheken zu Lissabon, Braga,
Evora, Oporto und Villa Real, die Bibliothek
der Akademie der Wissenschaften zu Lissabon, die
Universitätsbibliothek zu Coimbra, die Privat-
bibliothek der Krone im Palast Ajuda bei Lissa-
bon usw., endlich die botanischen Gärten zu Ajuda,
Coimbra und Oporto. Von den gelehrten Gesell-
schaften des Landes ist die 1778 gegründete und
1851 reorganisierte Akademie der Wissenschaften
hervorzuheben, ferner die Geographische Gesell-
schaft (1875, mit großer Bibliothek), die königl.
Gesellschaftder Architekten und Archäologen (1863),
Portugal.
240
die Gesellschaft für medizinische Wissenschaften zu
Lissabon (1835), die portugiesische Gesellschaft für
Naturwissenschaft (1907).
VI. Wirtschaftliche Verhältnisse. Die Land-
wirtschaft ist seit etwa 50 Jahren im Aufsteigen
begriffen, wenn auch nach den Angaben der geo-
dätischen Kommission heute noch über 8 des Lan-
des (43,1 %) unbebaut ist. Die größten unbe-
bauten Flächen liegen zwischen der Serra Estrella
und dem algarvischen Scheidegebirg. Der bebaute
Boden ist zumeist Großgrundbesitz (Latifundien
besonders in Alemtejo) und wird für den hohen
Adel von schwer gedrückten Pächtern bewirtschaftet;
am ausgedehntesten ist der Landbau im wasser-
reichen Gebirgsland nördlich des Douro, wo der
Grund und Boden der 1834 aufgehobenen
Mönchsklöster vom Staat an selbständige Klein-
bauern veräußert wurde, und in Algarve, das als
ein großer Fruchthain erscheint. Von seiten des
Staats ist in neuester Zeit manches für die Land-
wirtschaft geschehen durch Reform der agrarischen
Gesetzgebung und durch Straßenbau. Sehr viel
Anregung und Förderung ist auch ausgegangen
von der Gesellschaft zur Förderung des Ackerbaus,
den Distrikts-Agrikulturräten, der 1852 gegrün-
deten landwirtschaftlichen Schule zu Lissabon, von
Musterwirtschaften usp. Dem Getreidebau (Hirse,
Weizen, Roggen, Mais und Reis) dient etwa ⅛
des Landes; zur Deckung des Landesbedarfs muß
noch Getreide eingeführt werden. Sehr ausgedehnt
ist in einzelnen Gegenden der Bau von Kartoffeln,
Runkelrüben, Erdbeeren und Melonen. An Ge-
werbepflanzen werden Flachs und Hanf gezogen.
Weit über den eignen Bedarf hinaus produziert
der Weinbau; die hierfür benutzte Bodenfläche
wird auf 300 000 ha geschätzt, ohne daß hiermit
der gesamte für den Weinbau geeignete Boden
herangezogen wäre. Die besten Weinsorten sind
außer dem Portwein die Moscatels von Carca-
vellos und Setubal (Weißweine) und die Rotweine
von Torres Vedras und Collares. Der Ertrag
ist auf jährlich 5/6 Mill. Hektoliter anzusetzen,
so daß Portugal als Weinland nur von Frank-
reich, Italien und Spanien übertroffen wird.
Südfrüchte werden vorzugsweise in Algarve ge-
zogen (Mandeln, Apfelsinen, Feigen und Jo-
hannisbrot), die besten Obstsorten in den Nord-
provinzen und der Olbaum vor allem in Estre-
madura. An Wäldern ist Portugal arm (kaum
1/, des Gesamtareals); von einer systematischen
Aufforstung ist kaum die Rede und der natürliche
Nachwuchs wird durch die ausgedehnte Ziegen-
haltung unmöglich gemacht. Meistens sind es
Korkeichenwälder und im Neuland der Westküste,
namentlich bei Leiria. staatliche Pinienwälder.
Auf dem Gebiet der Viehzucht machen sich
Fortschritte bemerkbar; so wird viel mageres Vieh
in Spanien aufgekauft und dann gemästet nach
England ausgeführt. Rinder werden zumeist im
Norden, Schweine und Schafe in den Eichen- und
Kastanienwäldern von Alemtejo, Ziegen in den