Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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von nur das Fernsprechwesen einen Überschuß ab- 
wirft. Die Zeitungsbeförderung hat früher eben- 
falls eine Mindereinnahme verursacht. Bei der 
Reform des Zeitungstarifs wurde ausdrücklich 
verlangt, daß damit nur eine Ausgleichung, nicht 
eine Mehreinnahme bezweckt werden sollte. Die 
Paketbeförderung legt der Post große Opfer auf. 
Darum ist es auch unzulässig, die Finanzergebnisse 
der Postverwaltungen verschiedener Länder ohne 
weiteres miteinander zu vergleichen. Es ist ganz 
natürlich, daß Postverwaltungen ohne Paket- 
beförderung höhere Uberschüsse erzielen können als 
solche mit Paketbeförderung. Eine möglichst kor- 
rekte Berechnung der Rentabilität aller einzelnen 
Zweige der Post= und Telegraphenverwaltung 
wird übrigens auf sehr große Schwierigkeiten 
stoßen, weil sich eine genaue Scheidung der bei 
den einzelnen Zweigen in Betracht kommenden 
Faktoren nicht erreichen läßt. 
Der Festsetzung durch die Gesetzgebung unter- 
liegt in Deutschland das Brief= und Paketporto, 
das Porto und die Versicherungsgebühr für Wert- 
sendungen und die Zeitungsgebühr. Der Bestim- 
mung im Verwaltungsweg sind vorbehalten die 
Taxen für Postkarten, Drucksachen, Warenproben, 
die Einschreibgebühr und die Zustellungsgebühr. 
Die Aufhebung der mehrstufigen Briefportotaxen 
und die Einführung des einheitlichen Portosatzes 
von einem Silbergroschen für den einfachen fran- 
kierten Brief ohne Unterschied der Entfernung 
brachte das Gesetz über das Posttaxwesen im Ge- 
biet des Norddeutschen Bundes vom 4. Nov. 1867. 
Es stellte gleichzeitig einen einheitlichen Tarif auf 
für den Paket= und Geldverkehr der Post sowie für 
den Zeitungsverkehr. Es beseitigte die bis dahin 
noch erhobenen Nebengebühren. Nachdem die 
Bundespost auf das Deutsche Reich übergegangen 
war, wurde das Posttaxwesen für das gesamte 
Gebiet des Deutschen Reichs durch das Gesetz über 
das Posttaxwesen vom 28. Okt. 1871 einheitlich 
geregelt. Wenn auch der neue Paketposttarif den 
Vorzug der Einheitlichkeit hatte, so wies er doch 
auch Mängel auf. Er war hervorgegangen aus 
einer Verschmelzung der in den verschiedenen 
Staaten des Bundes vorgefundenen Taxen; er 
war schwer zu handhaben und zu hoch. Eine durch- 
greifende Umgestaltung im Sinn einer erheblichen 
Vereinfachung und Ermäßigung der Taxen für 
Pakete und Geldsendungen kam vom 1. Jan. 1874 
ab durch das Gesetz vom 17. Mai 1873 zustande. 
Es kam hierbei der Gedanke zur Geltung, bei den 
kleineren Paketen die Entfernungsunterschiede un- 
berücksichtigt zu lassen. Wie weit man den Begriff 
der kleineren Pakete erstrecken soll, ist eine schwer 
zu entscheidende Frage. Auf die Erfahrung ge- 
stützt, daß der bei weitem überwiegende Teil der 
Postpaketsendungen, etwa 80 %, sich unterhalb 
der Gewichtsgrenze von 5 kg hält, war die deutsche 
Postverwaltung zu der Uberzeugung gelangt, daß 
die Einführung eines Einheitsportosatzes für Pakete 
bis 5 kg den Bedürfnissen des veränderten Er- 
Staatslexikon. IV. 3. u. 4. Aufl. 
Post usw. 
  
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werbslebens entsprechen würde. Durch das neue 
Reichsgesetz wurde daher das Einheitsporto von 
25 bzw. 50 Pfennig für solche Pakete eingeführt. 
Zugleich wurde das Porto für Geldbriefe einheit- 
lich verbilligt und die Versicherungsgebühr durch 
Beseitigung der Entfernungsstufen ermäßigt. Die 
neue Tarifgestaltung ist von größter volkswirt- 
schaftlicher Bedeutung gewesen. Seit dieser Zeit 
hat sich der unmittelbare Warenaustausch zwischen 
Produzent und Konsument mehr und mehr aus- 
gedehnt; zahlreiche neue Beziehungen zwischen den 
verschiedenen Wirtschaftsgebieten des Reichs sind 
angeknüpft worden. Bei den Tarifbestimmungen 
muß außer der Billigkeit und Einfachheit auch 
das Verlangen der Gleichmäßigkeit und Allgemein- 
gültigkeit gestellt werden. In letzterer Beziehung 
bestanden früher große Mißstände. Für die Korre- 
spondenz der Landesfürsten, zahlreicher Körper- 
schaften, vieler Staatsbeamten war Portofreiheit 
eingeführt. Manche Auswüchse sind beseitigt durch 
das Gesetz betr. die Portofreiheiten im Gebiet 
des Norddeutschen Bundes vom 5. Juni 1869. 
Die darin ausgesprochenen Rechtsgrundsätze sind 
durch die allerhöchste Verordnung vom 2. Jan. 
1877 auch auf die Gebührenfreiheit für Tele- 
gramme ausgedehnt worden. 
IV. Deutsch -österreichischer Voflverein; 
Weltpostverein. Die Bestrebungen der deutschen 
Nationalversammlung, eine Einigung in den ver- 
worrenen deutschen Postverhältnissen zu erzielen, 
waren erfolglos geblieben. Die buntscheckige Ver- 
schiedenheit der zahlreichen Postverträge blieb be- 
stehen. Eine kleine Anderung hierin brachte der 
Abschluß des deutsch-österreichischen Postvereins- 
vertrags vom 6. April 1850. Derselbe umfaßte 
außer Preußen den österreichischen Kaiserstaat und 
fast ganz Deutschland, im ganzen 16 verschiedene 
Gebiete. Der Vertrag stellte gleiche Bestimmungen 
fest für die Taxierung und postalische Behandlung 
der Sendungen; er enthielt Gewährleistung des 
Transits, die Verpflichtung schneller Beförderung 
usw. Die hauptsächlichste und wichtigste Bestim- 
mung war jedoch die, daß sämtliche zum Verein 
gehörigen Staaten in Bezug auf die Brief= und 
Fahrpost ein einheitliches und ungeteiltes Post- 
gebiet bilden sollten. Diese Einigung machte ihre 
Wirkungen auch nach außen hin bemerkbar durch 
die weitere Bestimmung, daß die Verträge mit 
dem Ausland nach den im Vereinsverkehr geltenden 
Grundsätzen abgeschlossen werden sollten. Durch 
diesen Vertrag war die Möglichkeit einer posta- 
lischen Vereinigung zwischen einer größeren Zahl 
von Staaten bewiesen. Die wirtschaftlichen Ver- 
hältnisse verlangten geradezu nach möglichster 
Gleichförmigkeit und Einheit für den postalischen 
Völkerverkehr. Der Briefverkehr litt gewaltig unter 
den verschiedenartigen und hohen Taxen. Manche 
Regierungen beuteten die geographische Lage ihres 
Landes so aus, daß sie die durchgehende Korre- 
spondenz anderer Länder mit einer übermäßi- 
gen Transittaxe belegten. Ahnliche Mißstände 
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