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sammenhang zu bringen, mit andern Worten, die
Verwaltung der Telegraphen unmittelbar mit der
Verwaltung der Post zu verbinden. Für diese
Vereinigung sprechen zunächst fiskalische Gründe;
denn durch die Zusammenlegung beider Verkehrs-
zweige lassen sich in Bezug auf Beamte, Dienst-
räume, Verwaltungsbedürfnisse usw. selbstverständ-
lich erhebliche Ersparnisse erzielen. Wichtiger aber
ist ein anderer Gesichtspunkt, nämlich der, daß das
Netz der Telegraphenanstalten und Telegraphen--
verbindungen nur im engen organischen Anschluß
an die nach und nach über das ganze Land vor-
geschobenen Postanstalten nach außen verbreitert
und nach innen verdichtet werden kann. In den
meisten Ländern ist daher die Telegraphenverwal-
tung unmittelbar mit der Postverwaltung vereinigt.
In Osterreich und Deutschland ist versucht worden,
beide Verwaltungen voneinander zu trennen, aber
man hat dabei so schlechte Erfahrungen gemacht,
daß man zu dem alten System zurückkehrte. In
Deutschland geschah dies im Jahr 1876. Von
diesem Zeitpunkt ab begann die erstaunliche Aus-
breitung der Telegraphenanstalten, wie sie in keinem
Land sonst zu verzeichnen ist. In dem 15jährigen
Zeitraum von 1875 bis 1890 betrug die Zunahme
der Staatstelegraphenanstalten in Frankreich
151,2 %, in England 65.7% in Deutschland
aber 619 %. Die zahlreichen Telegraphenan=
stalten verbindet ein bedeutend erweitertes und
verdichtetes Leitungsnetz. Seit der Verschmelzung
von Post und Telegraphie bewegte sich der Aus-
bau des Telegraphennetzes in zweifacher Richtung:
auf der einen Seite wurden neue Linien gebaut,
und dies war die Voraussetzung für die fort-
schreitende Vermehrung der Telegraphenanstalten;
auf der andern Seite forderte der zunehmende Ver-
kehr die Herstellung zahlreicher Parallelleitungen.
Hierin liegt die große volkswirtschaftliche Bedeu-
tung. In finanzieller Beziehung ist zu erwähnen,
daß die zur Ausführung dieser doppelten Aufgabe
erforderlichen Mittel nur zum geringeren Teil
aus Anleihen bestritten sind; der weit größere
Teil ist aus den laufenden Etats zur Verfügung
gestellt worden, ein Beweis, daß auch bei der
finanziellen Behandlung des Telegraphen ein ge-
undes Prinzip herrscht. Die nächste Sorge mußte
ein, die Leitungen, deren Erhaltung in so hervor-
ragendem Maß von den Witterungseinflüssen ab-
hängig ist, von den Naturkräften unabhängig zu
machen. Das Zusammenbrechen oberirdischer Lei-
tungen infolge von Naturereignissen bringt nicht
nur schweren finanziellen Schaden: auch dem wirt-
schaftlichen Leben, den Familieninteressen werden
empfindliche Nachteile verursacht, und schließlich
ist eine Unterbrechung des telegraphischen Betriebs
zu Zeiten drohender politischer Ereignisse eine Ge-
fahr für das Vaterland. In der Anlegung unter-
irdischer Telegraphenlinien hat Deutschland mit
seiner vorsorgenden Verkehrstätigkeit einen großen
Vorsprung vor allen Ländern Europas erlangt.
In engstem Zusammenhang hiermit steht die
Post usw.
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Lösung der Aufgabe, auch die Küstengebiete des
Reichs mit unterseeischen Leitungen zu umgliedern,
welche nicht nur das Festland mit den zugehörigen
Inseln, sondern auch letztere unter sich verbinden.
Die Entwicklung des Fernsprechwesens
ist bereits beim geschichtlichen Teil erwähnt. Die
Entwicklung hat bewiesen, wie wichtig es war, daß
das neue Verkehrsmittel in den unmittelbaren
dauernden Betrieb des Staats gestellt wurde. Es
würde für das Gemeinwohl überaus schädlich ge-
wesen sein, wenn das Fernsprechwesen dem freien
Spiel des Angebots und der Nachfrage preis-
gegeben worden wäre, oder wenn eine Teilung der
Befugnisse zwischen Staat und Gemeinde statt-
gefunden hätte. Die Folge wäre eine große Ver-
wirrung auf einem der wichtigsten neueren Ver-
kehrsgebiete gewesen. In Osterreich, Frankreich,
in der Schweiz ist man schon nach wenigen Jahren
dazu übergegangen, die anfänglich der Privat-
industrie überlassenen örtlichen Fernsprechanlagen
unter Aufwendung großer Summen zu verstaat-
lichen. In andern Staaten wird man dem Bei-
spiel folgen müssen. In Deutschland würde das
Fernsprechwesen nicht die in andern Staaten un-
erreichte Ausdehnung gewonnen haben, wenn der
Ausbau nicht in den Händen des Staats gelegen
hätte. Dieser Ausbau vollzog sich nach einem be-
stimmten Plan nach fünf Richtungen hin. Es
sind dies die Herstellung 1) von Fernsprechlei-
tungen auf dem platten Land als Ersatz für Tele-
graphenanlagen, 2) der Stadtfernsprecheinrich-
tungen, 3) der Bezirksfernsprecheinrichtungen,
4) der Neben= und Anschlußtelegraphenanlagen.
Ein näheres Eingehen hierauf paßt nicht in den
Rahmen dieses Artikels. Die Verkehrsmittel waren
geschaffen, es galt nun, dafür zu sorgen, daß sie
auch ihrer Bedeutung entsprechend benutzt würden.
Der gesamte Wirtschaftsbetrieb der Neuzeit fordert
zwar eine lebhafte Benutzung dieser Verkehrs-
mittel; aber es ist und bleibt dennoch Aufgabe des
Staats, das Verkehrsmittel leicht zugänglich zu
machen, die Benutzung zu erleichtern, den Betrieb
durch Einstellung möglichst vollkommener Appa-
rate zu beschleunigen und vor allen Dingen an-
gemessen billige Tarife einzuführen. Von diesen
Punkten kommt für uns namentlich die Tarif-
bildung in Betracht. Daß dem Verlangen nach
billigen Telegraphentarifen im Lauf der Jahr-
zehnte in erheblichem Maß entsprochen worden
ist, möge ein Beispiel zeigen. Im Jahr 1849
kostete eine einfache Depesche von Berlin nach
Aachen 16 M 10 Pf., heute kostet dasselbe Tele-
gramm 50 Pf. Wie im Posttarif, so herrschte
auch im Telegrammgebührentarif früher große
Verschiedenheit in den deutschen Ländern. Im
Norddeutschen Bund und bis zur Vereinigung
des Post= und Telegraphenwesens bestand der nach
drei Entfernungsstufen auf der Grundlage von
Mindestsätzen für Telegramme von 20 Worten
abgestuste Tarif. Mit dem Ausbau des Tele-
graphennetzes mußte er fallen. Im Jahr 1876