327
Reglung der über den Bereich einer Bezirks-
regierung hinausgehenden bzw. die ganze Pro-
vinz betreffenden Angelegenheiten, endlich auf ver-
schiedene ihm besonders übertragene Sachen (3. B.
Strombau= und Strompolizeiverwaltung). Der
Oberpräsident ist gleichzeitig Vorsitzender in dem
für jede Provinz eingerichteten Medizinal- und
dem Provinzialschulkollegium; jenes hat den Cha-
rakter einer wissenschaftlichen und technisch rat-
gebenden Behörde im Gebiet der Gesundheits-
polizei und gerichtlichen Medizin, ohne Voll-
ziehungsgewalt; dem Probinzialschulkollegium
steht zu die Aufsicht über alle höheren Schulen,
die Schullehrerseminarien und die Blinden= und
Taubstummenanstalten. Unter der Aussicht der
Oberpräsidenten bestehen ferner verschiedene selb-
ständige Provinzialbehörden für besondere Ver-
waltungszweige, ohne daß deren Geschäftsbezirke
sich stets mit den Grenzen der Provinz decken.
Dahin gehören: a) die Generalkommissionen, zu-
ständig für Gemeinheitsteilungen, Ablösungs-
sachen, Regulierungen, Meliorationen und Be-
gründung von Rentengütern (ihre Organe sind
die Spezialkommissare); b) die Provinzialsteuer-
direktionen für Verwaltung der indirekten Steuern
und Zölle (nachgeordnete Behörden: Hauptzoll-
ämter und Zollämter). — Zur Provinz als Kom-
munalverband gehören alle innerhalb der Provinz
belegenen Kreise und Ortschaften. Ausgenommen.
sind der Kreis Lauenburg und die Stadt Berlin,
welche selbst dem Provinzialverband ähnliche Kom-
munalverbände bilden, ferner die Provinz Hessen-
Nassau, in der die kommunalständischen Verbände
in den Regierungsbezirken Wiesbaden und Kassel
für bestimmte, sonst den Provinzialverbänden
überwiesene Angelegenheiten als selbständige Ver-
bände neben dem Provinzialverband von Hessen-
Nassau bestehen geblieben sind. Die Vertretung des
Provinzialverbands obliegt dem aus Abgeordneten
der Land= und Stadtkreise der Provinz gebildeten
Provinziallandtag. Die ihm übertragenen
Angelegenheiten betreffen Verwaltung des Land-
armen= und Korrigendenwesens, Unterbringung
verwahrloster oder der Verwahrlosung entgegen-
gehender Minderjähriger, Fürsorge für das Irren-,
Taubstummen-, Blinden-, Idiotenwesen, Ver-
waltung der Hebammenlehranstalten, Unterstützung
milder Stiftungen, Beförderung von Landes-
meliorationen, Verwaltung der Provinzialstraßen,
Unterstützung der Gemeinde= und Kreiswege,
Unterhaltung der Denkmäler und Leistung von
Zuschüssen an Kunst und Wissenschaft befördernde
Vereine, die Verwaltung der ländlichen Unfallver-
sicherung und die Verteilung von Unterstützungen
aus den Dotationsrenten an leistungsschwache
Kreise und Gemeinden. Organe des Provinzial-
landtags sind a) der von ihm ehrenamtlich ge-
wählte Provinzialausschuß (7/13 Mitglie-
der), welcher die Beschlüsse des Provinziallandtags
vorzubereiten und auszuführen, das Vermögen und
die Anstalten des Provinzialverbands zu verwalten
Preußen.
328
hat usw.; b) der vom Provinziallandtag zu wäh-
lende und vom König zu bestätigende Landes-
direktor (Landeshauptmann). Er vertritt den
Provinzialverband nach außen und wird unterstützt
durch die ihm zu- und untergeordneten Provinzial-=
beamten, von denen die höheren den Titel Landes-
rat führen und bei Erledigung der Provinzial-
verwaltungsgeschäfte teils nur beratende teils mit-
beschließende Stimme besitzen. In Hannover
besteht eine Abweichung insofern, als dort der
Landesdirektor im Verein mit den ihm zugeord-
neten höheren Beamten (Schatzräten) eine kollegiale
Behörde, das Landesdirektorium, bildet.
Die Provinzen werden eingeteilt in Regie-
rungsbezirke, die in den Bezirksregierungen
die zuständigen staatlichen Behörden besitzen. Diese
sind für alle Angelegenheiten des Bezirks, soweit
nicht besondere Behörden bestellt sind, berufen,
hauptsächlich a) für Hoheits-, Militär-, Kom-
munal-, Polizei-, Sanitäts-, Bau-, Gewerbe-,
Handels-, Verkehrs= und statistische Sachen;
b) Kirchen= und Schulsachen (mit Ausschluß der
höheren Schulen); c) direkte Steuern, Domänen
und Forsten. Für die unter b) und c) erwähnten
Sachen ist je eine kollegialisch arbeitende Abteilung
gebildet, die übrigen Sachen bearbeitet der Re-
gierungspräsident mit den erforderlichen Hilfs-
arbeitern als Einzelbeamter unter eigner Verant-
wortung; er ist auch befugt, in den Angelegen-
heiten der vorgedachten Abteilungen die von diesen
gefaßten Beschlüsse außer Kraft zu setzen und in
eiligen Sachen unter persönlicher Verantwortlich-
keit selbständige Anordnungen zu treffen. Bei
jeder Regierung besteht ein Bezirksausschuß
(Regierungspräsident, zwei vom König ernannte
Beamte, vier vom Provinzialausschuß gewählte
Laienmitglieder), der in Verwaltungsstreitsachen
in erster oder zweiter Instanz als Gerichtshof zu
fungieren und in gesetzlich genau bestimmten Ver-
waltungssachen Beschluß zu fassen hat.
Die Regierungsbezirke sind in Kreise ein-
geteilt. Größere Städte (in Westfalen mit 30 000,
in der Rheinprovinz mit 400000, sonst mit 25000
Einwohnern) können nach erfolgter Vermögens-
auseinandersetzung eigne Stadtkreise bilden. In
den Landkreisen führt der Landrat die andern Be-
hörden nicht vorbehaltenen Geschäfte der Landes-
verwaltung unter Mitwirkung des dabei als Be-
schlußbehörde fungierenden Kreisausschusses (Land-
rat und sechs vom Kreistag gewählte Mitglieder).
Die Kreise bilden ähnlich wie die Provinzen Kom-
munalverbände; sie besitzen ihre gesetzliche Ver-
tretung in dem von Kreisangehörigen gewählten
Kreistag (Landrat und mindestens 26 Mitglieder,
die aus den drei Wahlverbänden des Krreises,
größere ländliche Grundbesitzer, Städte und Land-
gemeinden auf 6 Jahre gewählt werden). In
Zeiten, wo dieser nicht tagt, besorgt der Kreis-
ausschuß die laufende Verwaltung der Kreis-
kommunalsachen. Der Kreisausschuß hat auch die
Aufgabe eines Kreisverwaltungsgerichts. In den